Sonntag, 9. Dezember 2012

K (Alicia Keys): Girl On Fire

Genau genommen, hatte ich sehr lange Zeit meine Schwierigkeiten mit Alicia Keys. Ich weiß auch nicht, warum. Ihr erstes Auftauchen im Mainstream vor etwas mehr als 10 Jahren war so etwas wie ein Knall. Fallin’ erschien und wurde geliebt. Klar, junge und gutaussehende Frau am Klavier – das hat Potenzial. Dabei war der Erfolg von Fallin’ gar nicht so sehr vorherzusehen. Immerhin war es nicht nur eine sich einschmusende Melodie, sondern da war auch etwas Sperriges, fast Dissonantes. Eigentlich ein Grund, den Song und seine Interpretin ins Herz zu schließen.

Warum das für lange Zeit bei mir nicht passierte, lag vermutlich daran, dass mir diese Konzentration aufs Wesentliche, auf die Stimme und ein oder zwei Instrumente lange Zeit suspekt erschien. Warum macht eine Frau Anfang des 21. Jahrhunderts Musik, die von ihren Voraussetzungen her auch schon 1980 hätte erscheinen können? Oder sogar noch früher? – Alicia Keys, das hatte für mich irgendwie auch etwas seltsam Unzeitgemäßes.

Und dann kamen zwei Kollaborationen, bei denen ich aufhorchte. Für den James-Bond-Film A Quantum of Solace ging Alicia Keys mit Jack White ins Studio um Another Way To Die einzuspielen und heraus kam ein großartiger und fast schon sezierter James-Bond-Titelsong. Ein Jahr später nahm sie mit JAY-Z Empire State Of Mind auf – eine vor drei Jahren durchaus gewagte Kombination. Beide Songs zeigten, dass Alicia Keys tatsächlich nicht nur eine kraftvolle Stimme hat und Klavier spielen kann – sondern dass sie auch Lust auf Neues hat, auf Grenzüberschreitungen und Modernität. Kurzum: Alicia Keys etablierte sich tatsächlich als eine Künstlerin, die bewusst im Hier und Jetzt lebt.

Und nun ist Alicia Keys mit einem neuen Album da: Girl on Fire. Mittlerweile sieht sie sich selbst (oder ihr Label) offenbar als einen Superstar an, der nur noch mit einem einzigen Buchstaben bezeichnet wird: K. Das ist vielleicht ein wenig übertrieben – vielleicht auch ein wenig zu hip. Ich bin zumindest gespannt, wieviele Damen dieses Privileg in nächster Zeit noch für sich Anspruch nehmen.



Der Titelsong des neuen Albums kommt in gewohnter Tradition daher: Alicia Keys’ Stimme sehr zentral eingesetzt und ein markanter Refrain, der sich ganz gut ins musikalische Gedächtnis gräbt. Vielleicht tut man diesen Titel auch erstmal ab: is ok, aber nichts wirklich Besonderes. – Dann erwischt einen der Song aber doch noch ein zweites und drittes mal und jetzt fällt die starke Rhythmusorientierung auf. Immer auch ordentlich dick produziert – sogar mit Anflügen an Breitwandpoprock aus den 80ern – sind es vor allem die Drums, welche den Gesang tragen und einbetten. Das ist dick und vielleicht auch pathetisch – aber es ist eben auch ordentlich reduziert. Vielleicht so etwas wie Glam-Minimalismus.

So wie der Gesang den Song bestimmt, so tritt die Sängerin im zugehörigen Video sehr zentral und sehr selbstbewusst auf. Stark gestylt inszeniert sie sich vor groß gemustertem Hintergrund oder als Akteurin in einer ziemlich stark überzeichneten Alltagswelt. Das Ganze ist niemals real sondern könnte Bild für Bild ein pompöses Gemälde sein oder eine ordentlich ausgestattete Modefotografie. Mit einem gehörigen Schuss 60s-Styling wird das Ganze dann endgültig zu einem Lifestyle-Werbeclip, das Mode, Möbel oder Kosmetik anpreisen könnte.

Wie sehr Alicia Keys damit einen aktuellen Trend bedient zeigt die Version des Songs, bei der zwei kleine Rap-Parts von Nicki Minaj hinzugefügt wurden. Die für ihre totale und überdrehte Künstlichkeit bekannte Nicki passt zum Video, als wäre es ihr eigenes. Ob ich das nun besonders gut oder eher langweilig berechnend finde, weiss ich noch nicht. Wahrscheinlich ist es eine Mischung aus beidem.

Was mich in jedem Fall nervt, ist die Vermarktung des eher winzigen (und für meine Begriffe auch völlig überflüssigen) Parts von Nicki Minaj. Media control und alle darauf basierenden Auswertungen listen hinter dem Songtitel Girl On Fire fleißig Alicia Keys feat. Nicki Minaj. Dabei präsentiert die CD-Single auf dem Cover Alicia Keys allein. Und die Version mit Nicki erscheint auch nur als zweiter, als dazugegebener Track.

Auch im Digitalversand – dort sogar noch stärker – hat die Variante allein gesungen von Alicia Keys deutlich die Nase vorn. iTunes listet die Version auf Nr. 8 – im Unterschied zu Platz 66 für die Duett-Variante), bei amazon sieht’s ein wenig anders aus, die Inferno Version steht aktuell auf der 15, die Main version auf der 19. So viel also mal zu der Zuverlässigkeit und vor allem der Genauigkeit des chartermittelnden Instituts der Musikindustrie.

Zurück zu Girl On Fire. Der Song setzt sich derweil ordentlich durch. Langsam startete er und hat sich nun innerhalb von einem Monat doch zu einem passablen kommerziellen Erfolg gemausert. Man könnte auch von einem Hit sprechen. Alicia Keys steht damit mehr als 10 Jahre lang als Top-Musikerin im Business. Das K auf dem Cover der Single ist also vielleicht doch berechtigt.


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