Samstag, 15. Dezember 2012

LAING: Morgens immer müde



Wie klingt eigentlich moderne, wegweisende Popmusik aus Deutschland? Ist das etwas, das in der Art von Lena daher kommt? Hmm – Erfolg wird das Modell sicherlich noch eine ganze, lange Weile haben. Aber Innovation – das dürfte anders klingen. Also doch eher so ein Rap-Pop-Aufguss, wie ihn CRO und Marteria im vergangenen Jahr abgeliefert haben? Hier lässt sich schon wesentlich mehr Entwicklungspotenzial ausmachen. Nicht umsonst ist der Sound seit etwa einem Jahr ordentlich erfolgreich und hat eine Reihe von Spielarten und Protagonisten gefunden. Ob’s nun Mainstream-Acts sind wie die beiden Genannten oder politisch bewusste und anständig independent geerdete Künstlerinnen wie Sookee/Kobito sind. Letztere übrigens schon wesentlich länger auf dieser Spielwiese unterwegs und vielleicht sogar so etwas wie Wegbereiter für den neuen Mainstream. Da lag also seit einiger Zeit etwas in der Luft, das sich nunmehr in so etwas wie einem eigenen Genre wiederfindet. Mit der intellektuell-albernen Variante von Shaban & Käptn Peng gibt es dann mittlerweile sogar so etwas wie eine Gegenthese. Wenn das nicht der Beweis dafür ist, dass sich hier etwas getan hat …

Vielleicht ist all das aber auch schon Schnee von gestern, denn seit ein paar Wochen ist ein Titel populär, der irgendwie nochmal anders aufhorchen lässt. Da tuckern ein paar Minimal-Electro-Beats und –sounds aus den Boxen und dazu ertönt ein etwas zickiger Gesang (auch hier teilweise sehr nahe am Sprechgesang orientiert) von vier jungen Damen: Morgens immer müde.



Der Titel ist offenkundig ungewöhnlich: So reduziert wie kaum etwas im Pop-Radio zurzeit. Gleichzeitig aber eingängig – oder sagen wir catchy. Das kann ich sofort mitsingen und bin im besten Fall von der doch eher positiven Laune angesteckt. Auch wenn das zugeknöpfte Total-Styling erstmal ein wenig bieder-gekünstelt und aufgesetzt wirkt und mich vielleicht auch ein bisschen draußen lässt.

Natürlich kommt der Sound alles andere als völlig aus dem Nichts. Ich würd mal sagen, der Weg für den breiten Erfolg wurde in jedem Fall geebnet durch so einen Hit wie Sky And Sand von Paul & Fritz Kalkbrenner. Der verband schon genauso einen eher reduzierten Sound, eine minimale Melodie mit deutlich an Pop orientiertem Gesang. Die Nachfolgeproduktionen von Fritz Kalkbrenner loten derzeit noch intensivst aus, wie weit man mit dieser Mischung gehen kann. Auch wenn es da schon so gut wie gar nicht mehr um melodiöse Reduktion oder Minimalismus geht.

Mit LAING wird nun vor allem der Gesang noch ein klein wenig mehr in den Vordergrund gerückt – macht auch Sinn, denn die vier Damen haben ordentlich was drauf und können auch a capella prima überzeugen. Das ist so etwas wie die Wise Guys auf ’nem Elektroniksound. Und das ist die eigentlich neue Qualität der Band. Inwieweit dieser Stil auf längere Zeit überraschen kann und damit auch Bestand hat, werden wir sehen. Zumindest ist es schon mal bezeichnend, dass LAING zwar nach ihrem zweiten Platz bei Stefan Raabs Bundesvision Song Contest erstmals ordentlich Aufmerksamkeit erhielten, aber so richtig ging es erst mit Verzögerung los. Und zwei Monate nach dem Contest wollen immer noch genügend Leute LAING hören und sehen – was jetzt gar nicht mehr in so direktem Zusammenhang mit dem TV-Ereignis steht.

Lustig an LAING ist auch, dass sie es nicht bei einem offiziellen Video belassen. Mittlerweile kursiert mindestens ein zweites genauso offizielles. Bildkunst ist die neue Form des Remixens – das ist keine Neuigkeit, aber erst seit Gangnam Style auch im letzten Hirn angekommen. LAING kümmern sich allerdings gleich selbst darum, dass es nicht nur bei einer Video-Interpretation bleibt. Das nenn’ ich mal auf der Höhe der Zeit. Schade nur, dass nach wie vor eine Zensierung durch die GEMA zu erwarten ist. Das erste offizielle Video darf auf youtube beispielsweise momentan nicht in Deutschland gespielt werden.



Zu guter letzt – und auch das ist bekannt: LAING sind auch deshalb ein moderner Act, weil sie es gar nicht nötig haben, permanent alles neu zu erfinden. Sie greifen gern auf Bestehendes zurück und machen daraus ihr eigenes Neues. Es ist eben keinesfalls so, dass eine Cover-Version ein Weniger an Kreativität bedeutet. (In Casting-Shows geht’s ja meistens darum, den Ton des Originals zu treffen – wie langweilig!) Zum Beweis darf man sich ruhig mal das Original von Morgens immer müde aus dem Jahr 1960 von Trude Herr anhören/ansehen. Das hat mit heute gar nichts mehr zu tun und es wurde höchste Zeit, dass dieses generationenweit verbreitete Morgenmüdigkeitsgefühl auch in eine zeitgemäße musikalische Version übersetzt wurde. Weg mit dem verrucht-überdrehten Künstlerklischee – rein in den gewöhnlichen Sonntagmorgenalltag. Danke.







1 Kommentar:

  1. Vielleicht muss man aber doch wenigstens erwähnen, dass der andauernde Erfolg von LAING vielleicht ein bisschen mit ihrem Einsatz im Telekom-Werbespot zu tun haben könnte.
    Siehe: http://seriensongs.de/telekom-werbung-lieder-aus-dem-neuen-tv-spot/

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