Sonntag, 6. Oktober 2013
Martin Garrix: Animals
Während alle Welt einem Tim Berg aka AVICII huldigt und diesen als neuen DJ-Gott feiert, hat sich nahezu unbemerkt ein Vertreter der nächsten Generation auf die Tanzflächen dieser Welt gebracht: Martin Garrix. Animals ist seine Hymne, die sich seit dem Sommer mehr und mehr durchsetzte mit einem Sound, der doch erstmal nicht sooo ungewöhnlich ist. Deshalb gab es anfangs auch ein wenig Verwirrung darüber, wer diesen Track denn nun veröffentlicht habe - zumindest ist das so der englischsprachigen Wikipedia zu entnehmen.
Da kommt also ein junger Bursche mit 17 Jahren auf die Idee, seinen Lieblingssound einfach genauso zu produzieren wie er es mag, etwas konsequenter, etwas weniger berechnend als die meisten bekannten Acts, er kann sich das als Nobody ja auch gut leisten - und schwupps wird das Ergebnis ein Hit. Und der Produzent wird ein wenig als Wunderkind gehandelt.
Die Geschichte klingt ein bisschen nach einer Vom-Tellerwäscher-zum-Millionär-Geschichte. Ob das Wunderkind nun der nächste große Superproducer aus Europa wird, das werden wir abwarten müssen. Wird Martin Garrix nach seinem europaweiten Erfolg von Animals noch so unvoreingenommen produzieren können? Wird er sich frei machen können vom Erwartungs- und Erfolgsdruck?
Für die Generation von Martin Garrix ist es ja ohnehin nicht einfach, ein eigenes Profil zu erarbeiten. Eventuell sogar noch ein unverwechselbares. Alles war irgendwie schonmal da. Und mit Ironie kommt man mittlerweile auch nicht mehr sehr weit. Rebellion? Wogegen denn noch? - Was bleibt ist vielleicht gerade mal noch die liebevolle Umarmung des bestehenden Lebens und der vorhandenen Verführungen oder dessen, was man sich so als spannend und einmalig vorstellt.
Martin Garrix würde sehr gern anonym feiern, gleichzeitig aber auch auf das Spießerleben scheißen. Er wär' gern gefährlich und unberechenbar. Irgendwie denkt er, dass er dadurch auch attraktiv und begehrt werden würde. Dass er das alles so wahrscheinlich nicht schaffen wird, ist ihm auch mit 17 schon klar. Aber träumen kann man ja. Und zu diesem Traum hat Martin Garrix einen hübschen Soundtrack geschrieben. Den auseinander zu nehmen ist eher mühsame Zeitverschwendung. Denn natürlich finden sich eine Menge Referenzen und Anleihen.
Müßig sind also solche Fragen wie: Gäbe es Animals ohne einen AVICII, ohne einen DJ Antoine, ohne Tiesto und Afrojack? – Natürlich nicht. Mark Fisher / k-punk hat das gerade ganz schön in einem Essay für W.I.R.E. - Abstrakt zusammengefasst (gibt es leider nicht online :-( ). Er schreibt dort von Atemporalität / Geschichtslosigkeit, welche die aktuelle Pop-Musik plagt.
Das Ganze ist an sich nicht schlimm. Man muss nicht ständig alles neu erfinden, das doch offenbar schon da ist und funktioniert? Natürlich ärgert mich irgendwann wenn sich sogenannte Künstler und Künstlerinnen komplett darauf ausruhen und keine eigenen Ideen entwickeln. Das Abarbeiten an Vorhandenem ohne dabei zur schnöden Kopie zu werden, das scheint momentan die große Herausforderung zu sein. Ich würde sagen, bei Martin Garrix sieht es im Moment nicht so schlecht aus, dass er das hinkriegt. Zumindest bei Animals ist das wohl der Fall.
Aufregen könnte ich mich an dieser Stelle höchstens darüber, dass die Rahmenbedingungen in Recht und Politik unserer Realität ordentlich hinterherhinken. Und lieber noch die kleinste Ähnlichkeit als kommerzielle Nutzung auslegen und unter Lizenzgebühr stellen … Vielleicht gehört ja Martin Garrix endlich zu der Generation, die diesem ganzen Humbug ein Ende setzt. Geschichtslos zu sein heißt ja irgendwie auch auf Vorhandenes zugreifen zu können ohne permanent nach Herkunft und Bedeutung fragen zu müssen. Könnte auch heißen, dass kulturelle Produktion nochmal ganz anders funktioniert. Bis dahin vergehen vermutlich noch ein paar Jahrzehnte.
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