Freitag, 30. Januar 2015

Mark Ronson Feat: Bruno Mars: Uptown Funk

Tot Gesagte leben länger. Siehe Mark Ronson.

Vor gut 10 Jahren war er wesentlich mit dafür verantwortlich, dass Soul dauerhaft revitalisiert wurde. Mit Amy Winehouse etablierte er als Produzent sogar einen richtigen Star. Und im Grunde legte er damit den Grundstein für das, was auch im Moment noch ganz hübsch als Soul-Fusionen erblüht. Dann verschwand er unerwartet doch irgendwie aus dem Fokus des Mainstreams.

Nun ist er wieder da. Nun also mit Funk. Wobei Mark Ronson dieses Mal – zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung – eher auf einen Zug aufspringt, der spätestens seit Justin Timberlakes 20/20 Experience ordentlich rollt. Aber wer hier nun warum welche Stilrichtung für sich entdeckt oder gerade bedient, finde ich recht irrelevant. Spannender ist doch die Frage, was macht so einer wie Mark Ronson, wenn er sich dem Funk widmet.

Feststellung Nummer 1: Er bedient das Genre unglaublich originalgetreu. Ist das wirklich eine Produktion aus dem Jahr 2014? – Da findet sich kaum ein Hinweis. 1982 hätte es mindestens genauso geklungen. Selbst ältere Produktionen klingen – abgesehen von der wesentlich rauheren Aufnahmetechnik – noch verdammt ähnlich.

Dieses Phänomen lässt sich für seine erste Erfolgswelle in den 2000ern schon genauso beschreiben. Das war ein Sound, der durchaus auch schon 40 Jahre zuvor hätte produziert werden können. Einzig die Texte waren moderner, kaputter, vielleicht auch zynisch.

Wie ist das bei Uptown Funk? Sänger Bruno Mars feiert sich selbst. Dabei benutzt er ein Vokabular, welches tatsächlich noch nicht so lange gängig ist. Das ist explizit und ich möchte schon sagen: ordentlich rüde.

Da hat sich in den vergangenen 50 Jahren also tatsächlich einiges geändert. Wo es früher darum ging, die Angebetete des Moments zu verführen, zu umgarnen, zum tanzen zu animieren, da herrscht heute selbstverliebte Eitelkeit. In den 60er und sogar noch zwei Jahrzehnte danach war das Uptown Girl die Unerreichbare, Angebetete, die es irgendwie rumzukriegen galt. 2015 sind die Positionen vertauscht. Der singende Junge ist jetzt Uptown - oder fühlt sich so. Popstars müssen sich nach nichts mehr sehnen. Sie sitzen bereits in der Sonne: Ich bin der Heißeste, der Beste, der Schönste! Schau mich an, Schlampe, ich zeig dir wie's geht… Proletarisierter Luxus und Rap-Posing total.

Dass sich diese Haltung trifft mit der beinahe originalen Re-Interpretation des Genres, erschreckt mich ein bisschen. Denn genau besehen ist das ordentlich konservativ, affirmativ und in seinen Aussagen sogar beinahe schon menschenfeindlich.

Der mitreißende Groove des Sounds steht hier in scharfem Kontrast zu dem, was an Wertgefüge alles mitgeliefert wird. Wir tanzen und feiern uns entzückt in eine festgezurrte Welt aus unsozialen Werten. Liegt die Vermutung nahe, dass nicht alle an unserer Party teilhaben dürfen. Grundbedingung ist, den King auf der Bühne als solchen anzuerkennen und ihm ja nicht zu nahe kommen. Das scheint nicht viel zu sein – schränkt aber den Spaß, den ich haben darf doch schon gehörig ein. Es sei denn, ich liebe es, permanent das untergeordnete Fußvolk zu sein. Oder ja, ich habe es auch geschafft, ich bin Teil des Superstar-Rummels. Wenn auch nur für einen Moment, für diese Nacht.



Und diese Haltung macht, dass Uptown Funk ziemlich genau den Nerv des Moments trifft. Der Song macht Spaß, reißt mit, lässt vergessen. Mark Ronson weiß also ziemlich genau, wo unsere Sehnsüchte liegen.

Und wir? Wir haben es entweder schon perfekt gelernt über alles hinwegzuhören und zu sehen was problematisch sein könnte. Oder unser Leben ist dermaßen verzweifelt, dass nur noch der Tanz auf dem Vulkan eine Existenz überhaupt ermöglicht. Beides ist mehr oder weniger eine Flucht vor der Realität. Eine infektiöse und eine, die keine Pause zulässt.

Freitag, 23. Januar 2015

Calvin Harris Feat. Ellie Goulding: Outside

Irgendwie ist es ja ganz schön, Calvin Harris an der Spitze der deutschen Charts zu sehen. Nicht zuletzt weil seine Partnerin bei Outside die wunderbare und großartige Ellie Goulding ist. Sie ganz oben in der Gunst der Musikkaufenden zu sehen macht mir Freude. Denn auch wenn ihre bestverkauften Titel eher im Stampfbeat daherkommen, sie lässt sich doch genügend Freiraum um auch Romantisches, Verspieltes, Kitschiges oder Abstruses zu veröffentlichen.

Und wenn ich mir Outside anhöre, dann bin ich froh, dass die Stimme von Ellie Goulding zumindest in den Strophen deutlich im Vordergrund steht. Dann erfahre ich auch von der Verzweiflung, der Stärke, der Liebe, über die sie singt. Auch – oder gerade wenn – die Beziehung zu Ende ist, sind die Gefühle stark. Das erzählt mir die Sängerin überzeugend.

Calvin Harris' Part ist dagegen, die dicke Stadionsoundsoße drüber zu gießen. Ja, der Brite hat sich nunmehr als die Nummer 3 der Star-DJ-Produzenten der 10er etabliert. Leider mit recht unbritischem Sound. Da war er in seiner Karriere schon innovativer und vor allem subtiler. Mittlerweile geht es ohne Guetta-AVICII-Gewitter auch bei ihm nicht mehr. Schade.

Zumal der Sound auf Dauer eher stumpfsinnig macht. Darauf kann man nur noch feiern wenn einen die Drogen-Watte meterdick umgibt. Ich empfehle da nur mal den Live-Auftritt vom EDC in New York durchlaufen zu lassen. Ein Hit nach dem anderen – aber zum Feiern treiben mich nicht mal die heiser eingekrächzten Durchhalteparolen von Meister Harris himself.

Nun ist Electronic Dancemusic schon immer etwas, das vor allem im Club bzw. der Halle funktionieren muss, nicht im Radio oder gar auf dem Handy-Player. Und natürlich stellt sich auch erst mit einer gewissen Monotonie der richtige Trance-Zustand ein. Trotzdem halte ich den derzeitigen Ansatz von Calvin Harris für ordentlich daneben. Das ist in keine Richtung zu Ende gedacht - weder ist es überraschender oder besonders ohrwurmverdächtiger Pop, noch vertraut es auf die Kraft repetitiver Clubmusic. Es will nur ganz schnell, ganz viel Euphorie produzieren, notfalls mit Brachialgewalt. Ich fürchte, hier ist das Runterkommen jeweils ganz schön hart und macht die einmal empfundene Freude gleich wieder vergessen.



Wenn ich schon beim Meckern bin: Ich verstehe immer noch nicht, warum eine so emotionale Geschichte, wie sie Ellie Goulding singt, in die Massenfeierei transformiert werden muss. Ist das jetzt pure Verzweiflung? Weil gar nichts mehr geht, alles schief läuft, deshalb schieße ich mich vollständig ab? Das lindert den Schmerz wenigstens für einen winzigen Moment?

So viel erzählen uns also die beiden: Nicht mehr und nicht weniger als den Moment. Es gibt kein Davor und kein Danach. Purer tierischer Reflex.

Das ist nicht unbedingt ein Lebenskonzept, das besonders tragfähig erscheint. Eher ordentlich hilflos. Aber es beherbergt auch eine Menge Spannung, da es völlig ins Ungewisse zielt. Genauso wie das Video von Emil Nava einfach da abbricht wo es sich entscheiden könnte.

Irgendwie auch mutig.

Freitag, 16. Januar 2015

Clean Bandit & Jess Glynne: Real Love

Sind Clean Bandit jetzt also die neuen großen Stars?

Innerhalb von knapp einem Jahr der zweite richtig durchschlagende Erfolg. Und der klingt dann auch fast genauso wie der erste Rather Be. Ist nur noch mehr Richtung Pop ... ähm nee, eigentlich sogar Disko im Stil der 90er gedreht. Dazu die Streicher – und schon fühle ich mich zurückgeworfen in ein anderes Jahrzehnt. Saturday night Fever meets Robin S.

Das ist richtig schön. Wenn man dieses überschwengliche Gute-Laune-Gefühl mag. Ich finds gut. Und trotzdem ärgert mich Real Love. Wobei ich zugeben muss, dass es weniger mit dem Song zu tun hat, auch nicht mit der Band an sich. Die ist über weite Strecken sogar sehr konsequent und aufrichtig.

Mich nervt vor allem, dass Clean Bandit von nahezu allen gemocht und gelobt werden.
Ist das der neue Konsens-Pop?

Und was nervt mich eigentlich an Dingen, die allgemeingültig sind, die auf ganz breiter Fläche überzeugen?
Es ist diese Ahnung, dass breite Zustimmung immer auch mit Kompromissen und Zugeständnissen zu tun hat. Zumindest im künstlerischen Bereich.

Da haben sich also vier junge Menschen zusammengefunden und produzieren Dinge, die so durchschnittlich sind, dass sie der Mehrheit gefallen können: Den Musikjournalisten genauso wie den kaufenden und konsumierenden Menschen, den etwas älteren Hochkultur-Liebhabern ebenso wie den jungen Wochenendpartytouristen vom Lande, dem Charts-orientierten Teenie wie dem eher mit Indie liebäugelnden Szene-Geek. Das sind sehr viele verschiedene Ansprüche, die sich bei Clean Bandit irgendwie wiederfinden – kleinster gemeinsamer Nenner sozusagen.

Auch das muss alles nicht schlimm sein. Over The Rainbow war auch so ein Song – und trotz millionenfacher Sympathie ist die Interpretation von Israel IZ Kamakawiwo'ole einmalig.

Das ist der Punkt, den ich bei Clean Bandit bislang vermisse. Ob nun Rather Be oder Real Love – irgendwie sind mir diese Produktionen zu beliebig. Was war nochmal die Eigenheit der Band?

Ja richtig, sie haben eine klassische Musikausbildung und lassen diese ihre Pop-Produktionen beeinflussen. Ich höre also Violinen, Cello, Piano, ich sehe wie die vier selbstvergessen an ihren Instrumenten musizieren – das hat schon etwas von großem Sinfoniekonzert.
In der Produktion auf CD oder als mp3 verschwinden diese Einflüsse aber fast völlig. Die Violinen und Celli müssen dem Synthesizer weichen, der Disco-Beat bestimmt die Struktur des Liedes.

Wenn das alles also einer großen Mehrheit gefällt, dann ist unsere Gesellschaft eine, die zwar ihre Traditionen (und Werte) kennt, aber diese ganz stark dem Bedürfnis nach mehr und anderem Vergnügen und Unterhaltung unterordnet. Oder weniger negativ formuliert: Wir können so ausgelassen feiern, weil wir mit unserer Vergangenheit ein solides Fundament haben, dass auch die ganz anders funktionierende aktuelle Zeit gut trägt.

Inwieweit dabei die Traditionen (in diesem Fall die klassische Orchestermusik) noch eine Rolle spielen oder tatsächlich Einfluss aufs heute haben ist eine ganz andere Frage. Wenn ich mir Produktionen von Ólafur Arnalds, Nils Frahm oder (ja – immer noch und immer wieder) Brandt Brauer Frick anhöre, dann weiß ich, dass es noch sehr viel mehr aus unserem kulturellen Erbe in die breite Popkultur mitzunehmen gibt. Und ich erlebe wunderbar konsequente, vielleicht sogar eigensinnige Umgangsweisen mit Musik. Natürlich ist genau das der Grund, warum die Genannten eben nicht in den Charts ganz oben stehen. Solch eher ungewöhnliche Kompositionen passen nicht in jede Musik-Vorliebe.

Aber zurück zu Real Love und Clean Bandit: Wenn ich die Allgemeingültigkeit von ihren Produktionen als das große Plus ansehe – man muss ja nicht immer gleich mit dem Normcore-Label kommen – und dazu das Video addiere, dann lande ich bei einer fröhlichen Feier der Vielfalt. Egal wer da wie aussieht, lebt oder fühlt, das was uns bindet ist die Sehnsucht nach Zweisamkeit und Real Love. Das ist doch eine schöne Grundlage auf der man miteinander leben kann.




Freitag, 9. Januar 2015

ARONCHUPA: I'm An Albatraoz

Dieses Lied ist wirklich sehr sehr albern – fast möchte ich schon sagen: Debil. Da wird mir vermutlich niemand widersprechen.

Das kann man jetzt doof finden oder sich eben der Sinnfreiheit hingeben und die Silvesterparty damit auffüllen, was mit Sicherheit genügend Leute getan haben. Und tanzbar ist der Beat ja in jedem Fall.

Das gab es tatsächlich schon immer. Irgendein Komiker kopiert gängige Produktions- oder Kompositionstechniken, packt einen möglichst infantilen Text drüber – und eine große Menge an Menschen liebt es. Ob es dabei darum geht, wie sich der Fuchs äußert, oder um ein kleines Krokodil oder nur um Ketchup … das spielt alles keine Rolle.

Mit sehr großer Wahrscheinlichkeit werden wir von AronChupa auch nie wieder etwas hören, auch wenn der wikipedia-Artikel uns weismachen möchte, dass Herr Ekberg hinter dem Projekt ein ernsthafter House- und HipHop-Produzent ist. Mit einem Hit à la I'm An Albatraoz im Gepäck kann er komplett vergessen, von irgendjemandem noch ernst genommen zu werden. Es sei denn, er beschließt tatsächlich zu einem Karneval- und Après Ski-Star zu werden und schmerzfrei die Debilität seiner Produktionen ins Unendliche zu steigern.

Warum könnte uns der Albatraoz-Hit trotzdem eine Winzigkeit mehr erzählen, außer von der grenzenlos sinnfreien Vergnügungssucht der Menschen?
Weil das Video und die Inszenierung doch anders daherkommt als die üblichen Knaller-Produktionen. Da wird mit ziemlicher Ernsthaftigkeit der ganze Quatsch inszeniert. Statt roter Papphüte und debiler Tanzchoreographien sehe ich einen Pianisten im Lichtspot, ich sehe ein Bläserchor, ein kleines Ballett, dass sich so aufführt als wäre es in einer klassischen Inszenierung, und der DJ hinter dem Pult benimmt sich genauso wie die Helden der Klasse AVICII und Calvin Harris: Mitwippen und die Masse anheizen, aber mit versteinerter Mine. Unterhaltung und erst recht Spaß ist keine lustige Sache.



Irgendwie gefällt mir das auch. Statt mir ständig vorzumachen, dass es sich hier um kompletten Nonsens handelt, muss ich das eben doch selber rauskriegen. Oder eben auch selber entscheiden, wie lustig ich das finde. Da bin ich nicht automatisch der Trottel, wenn ich nicht mitlache. – Das macht den ganzen Hit natürlich keinen Deut besser, aber es demonstriert eine Haltung, die mich als Person ein bisschen ernster nimmt. Es geht nicht davon aus, dass alle Menschen komplette Volltrottel sind.

Bevor ihr jetzt glaubt ich würde AronChupa gleich in den blauen Himmel loben: Die beschriebene Herangehensweise behält Aron Ekberg keineswegs durchgängig bei. Da muss man nur mal in Copacabana reinhören oder Animaniacs – das ist dann wirklich nur noch Klamotte. So wie der Tatortreiniger bei Mord mit Aussicht auch eine Menge seines trockenen Humors weglässt. Das muss alles deshalb nicht weniger (oder mehr) lustig sein, ist nur eben einfach bisschen grobschlächtiger. Weil mit jeder Sekunde verlangt wird: Lach' jetzt endlich! Das ist lustig!

Damit ich mich nicht komplett um Kopf und Kragen schreibe – das mit dem erklärten Humor ist ja immer enormes Glatteis – deshalb gucke ich mir jetzt doch lieber nochmal das Video an und freu mich, wie Sertac Yildizhan versucht mit ihren Armen einen graziösen Vogel nachzumachen und nebenbei zeigt mir der DJ, dass eben auch die großen der Szene nur alberne Komiker sind. Das ist jetzt aber wirklich fast schon gut.


Und hier noch ein Link zu einem Versuch meinerseits, debile Musik zu beschreiben: TACABRO mit Tacatá

Sonntag, 4. Januar 2015

Andreas Bourani: Auf anderen Wegen

Dieser Titel hat ganz schön lange gebraucht um sich so richtig durchzusetzen. Zumal wenn man bedenkt, dass Andreas Bourani gerade mit Auf uns einen satten Nummer 1-Hit einfahren konnte. Aber das hat noch nicht ganz gereicht. Da brauchte es erst die Teilnahme am Bundesvision Song Contest – zumindest war das schonmal ein Meilenstein. Aber eigentlich war es doch jetzt erst die Unterstützung durch Helene Fischer und ihre Weihnachtsshow, die Auf anderen Wegen auch wirklich bis in den letzten Haushalt gebracht hat.

Nun ist er also wirklich angekommen in der deutschen Popglitzer- und Glamourwelt. Und es gefällt ihm sichtlich. Er hat weder Probleme bei Campinos eher rock-orientiertem Band Aid 30-Projekt mitzumachen, noch im ZDF zur besten Sendezeit für die deutsche Rest-Familie aufzutreten.

Das ist ihm natürlich alles nicht zu verdenken – wer würde nicht seinen Erfolg auskosten?
Ehrlich gesagt, fallen mir dann doch die einen oder anderen Namen ein, die sich jetzt nicht unbedingt so bedenkenlos an alles verschenken, was sich so anbietet. Ist also Andreas Bourani nichts weiter als populärer Schlager, nur mit nicht ganz so flachen Texten?

Einiges spricht dafür. Bei Auf uns war schon ein gehöriger Hang zur Verkürzung und Massenkompatibiltät festzustellen, Auf anderen Wegen verzichtet wohltuenderweise auf solche Momente. Und ist dennoch ein schnell eingängiges Lied.
Es erzählt die Geschichte eines Paares, das sich auseinander gelebt hat. So etwas kommt vor. Das stellt auch Andreas Bourani fest. Es ist nichts Schlimmes dabei, auch wenn es traurig ist. Sich gegenseitig den Raum zu geben, den man zum Leben benötigt, das zeugt von Respekt und Liebe. Und so behält er die schönen Zeiten im Herzen ohne mit Gewalt an Vergangenem festzuhalten. – Eine sehr schöne, anrührende und auch kluge Geschichte.

Das passt nun aber gar nicht ins Schlagergeschäft. Und ich möchte fast schon die Versöhnungspfeife ausgraben und ihm seinen Auf uns-Ausrutscher vergeben. Er kann es doch: Klug und poetisch sein, eingängig und trotzdem einfühlsam, Pop mit etwas mehr Grips.

Aber dann gucke ich mir das Video zum Lied an und die Zweifel erwachen wieder. Ist er wirklich so toll, dieser Mann?
Er kann es sich leisten, sein Video auf Island zu drehen. An einem der schönsten Orte der Insel in Vík. Aber warum muss es dort sein? Weil die Landschaft so schön ist? Weil sich die Reynisdrangar so gut im Hintergrund machen? Weil die Wellen so hervorragend dramatisch an den schwarzen Lavastrand schlagen?
Das hat alles nichts mit seinem Lied zu tun. Das alte Fischerdorf in dem er als Tourist einem Tischler bei seinem Handwerk hilft als Gleichnis für den melancholischen Neubeginn nach einer beendeten Beziehung? Uiuiui…



Mag sein, dass es nach einer erfüllten und glücklichen Beziehung erstmal gut ist, sein Leben aufzuräumen, quasi von vorn und neu zu beginnen. Aber was wird das bewirken? Dass einem nicht noch einmal so ein Verlust, so ein Schmerz passiert? – Vermutlich kaum.

Ich bin also ratlos angesichts der Kombination dieser Bilder – auch wenn sie wirklich wunderschön sind und Kim Frank einmal mehr sein Gespür für eindrucksvolle Einstellungen bewiesen hat. Für mich ist diese Zusammenstellung beliebig. Das kann man jetzt postmodern nennen. Aber auch diese schöne (und irgendwie auch schon ordentlich altertümlich klingende) Beschreibung ändert nichts daran, dass dieses Nebeneinander all das stört, was an Poesie in den Einzelteilen vorhanden ist.

Einem ernstzunehmenden Künstler sollte das eigentlich nicht passieren.
Insofern sind die immer wieder auftretenden Ungereimtheiten bei Andreas Bourani vielleicht doch ein Zeichen dafür, dass er noch nicht wirklich seinen Weg gefunden hat. Das muss nicht zwingend schlimm sein: Ob nun das Video 100% passt oder nicht – egal. Ob nun Helene Fischer ein Duett mit ihm singt oder nicht – ist doch auch witzig, man muss nicht alles so verbissen sehen. Der Andreas führt einfach schön vor, was heute alles möglich ist und geht…
Aber es könnte gut sein, dass morgen auf der Welle des Erfolgs Frei.Wild anruft und eine Tourneebegleitung ucht, oder Heino hat mal wieder die Idee zu einem nächsten Cover-Ausflug, oder Bushido möchte gern einen Werbeclip für die Bundeswehr drehen und sucht einen Partner ... wird Andreas Bourani dann auch – bedenkenlos wie er sich bislang präsentiert – einfach dabei sein?