Tot Gesagte leben länger. Siehe Mark Ronson.
Vor gut 10 Jahren war er wesentlich mit dafür verantwortlich, dass Soul dauerhaft revitalisiert wurde. Mit Amy Winehouse etablierte er als Produzent sogar einen richtigen Star. Und im Grunde legte er damit den Grundstein für das, was auch im Moment noch ganz hübsch als Soul-Fusionen erblüht. Dann verschwand er unerwartet doch irgendwie aus dem Fokus des Mainstreams.
Nun ist er wieder da. Nun also mit Funk. Wobei Mark Ronson dieses Mal – zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung – eher auf einen Zug aufspringt, der spätestens seit Justin Timberlakes 20/20 Experience ordentlich rollt. Aber wer hier nun warum welche Stilrichtung für sich entdeckt oder gerade bedient, finde ich recht irrelevant. Spannender ist doch die Frage, was macht so einer wie Mark Ronson, wenn er sich dem Funk widmet.
Feststellung Nummer 1: Er bedient das Genre unglaublich originalgetreu. Ist das wirklich eine Produktion aus dem Jahr 2014? – Da findet sich kaum ein Hinweis. 1982 hätte es mindestens genauso geklungen. Selbst ältere Produktionen klingen – abgesehen von der wesentlich rauheren Aufnahmetechnik – noch verdammt ähnlich.
Dieses Phänomen lässt sich für seine erste Erfolgswelle in den 2000ern schon genauso beschreiben. Das war ein Sound, der durchaus auch schon 40 Jahre zuvor hätte produziert werden können. Einzig die Texte waren moderner, kaputter, vielleicht auch zynisch.
Wie ist das bei Uptown Funk? Sänger Bruno Mars feiert sich selbst. Dabei benutzt er ein Vokabular, welches tatsächlich noch nicht so lange gängig ist. Das ist explizit und ich möchte schon sagen: ordentlich rüde.
Da hat sich in den vergangenen 50 Jahren also tatsächlich einiges geändert. Wo es früher darum ging, die Angebetete des Moments zu verführen, zu umgarnen, zum tanzen zu animieren, da herrscht heute selbstverliebte Eitelkeit. In den 60er und sogar noch zwei Jahrzehnte danach war das Uptown Girl die Unerreichbare, Angebetete, die es irgendwie rumzukriegen galt. 2015 sind die Positionen vertauscht. Der singende Junge ist jetzt Uptown - oder fühlt sich so. Popstars müssen sich nach nichts mehr sehnen. Sie sitzen bereits in der Sonne: Ich bin der Heißeste, der Beste, der Schönste! Schau mich an, Schlampe, ich zeig dir wie's geht… Proletarisierter Luxus und Rap-Posing total.
Dass sich diese Haltung trifft mit der beinahe originalen Re-Interpretation des Genres, erschreckt mich ein bisschen. Denn genau besehen ist das ordentlich konservativ, affirmativ und in seinen Aussagen sogar beinahe schon menschenfeindlich.
Der mitreißende Groove des Sounds steht hier in scharfem Kontrast zu dem, was an Wertgefüge alles mitgeliefert wird. Wir tanzen und feiern uns entzückt in eine festgezurrte Welt aus unsozialen Werten. Liegt die Vermutung nahe, dass nicht alle an unserer Party teilhaben dürfen. Grundbedingung ist, den King auf der Bühne als solchen anzuerkennen und ihm ja nicht zu nahe kommen. Das scheint nicht viel zu sein – schränkt aber den Spaß, den ich haben darf doch schon gehörig ein. Es sei denn, ich liebe es, permanent das untergeordnete Fußvolk zu sein. Oder ja, ich habe es auch geschafft, ich bin Teil des Superstar-Rummels. Wenn auch nur für einen Moment, für diese Nacht.
Und diese Haltung macht, dass Uptown Funk ziemlich genau den Nerv des Moments trifft. Der Song macht Spaß, reißt mit, lässt vergessen. Mark Ronson weiß also ziemlich genau, wo unsere Sehnsüchte liegen.
Und wir? Wir haben es entweder schon perfekt gelernt über alles hinwegzuhören und zu sehen was problematisch sein könnte. Oder unser Leben ist dermaßen verzweifelt, dass nur noch der Tanz auf dem Vulkan eine Existenz überhaupt ermöglicht. Beides ist mehr oder weniger eine Flucht vor der Realität. Eine infektiöse und eine, die keine Pause zulässt.
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