Man muss sich nur die Bilder anschauen, die bei der Fotosuche nach Charli XCX angezeigt werden, und man weiß schon eine Menge. Da inszeniert sich eine junge Frau als freche Göre, als aufmüpfiges Biest, als Luder. Und klar – die aktuelle Single heißt dann auch folgerichtig Break The Rules.
Damit schließt Charli XCX nahtlos an I Love It an, den Hit der vor zwei Jahren das schwedische Duo Icona Pop als One Hit Wonder versenkte, aber die britische Jungkünstlerin tatsächlich einem breiteren Publikum bekannt machte.
Anders als zusammen mit Icona Pop ist das Ganze jetzt allerdings ordentlich sexuell aufgeladen und überhöht. Ich weiß gar nicht die wievielte Version von Lolita das jetzt eigentlich ist. Und das ist ein bisschen auch das Manko von Break The Rules. Was genau ist jetzt hier nochmal das Neue und Aufregende? – Eigentlich gar nichts.
Das macht den Titel erstmal ein bisschen langweilig. Was aber nicht heißt, dass er nicht funktioniert. Schon in den 70ern konnte sich der hundertste Aufguss von Schulmädchenreport immer noch einer anständigen Schar von geifernden Fans gewiss sein. Und auch 2015 versprühen aufmüpfige Mädchen auf Bussen noch immer den Charme des ... nunja, wenigstens Unanständigen.
Hoffentlich hat sich Charli XCX im Gegensatz zu den Softporno-Darstellerinnen in den 70ern ihre Rolle selbst ausgesucht und bestimmt selbst wie sexy und kurz ihr Rock und wie rot ihr Mund sein soll. So viel Emanzipation würde ich ihr wünschen, auch wenn ich meine Zweifel daran habe. Nicht umsonst wird sie mit Atlantic/BMG bei einem Major Label vertrieben und vermarktet, das ziemlich genau weiß, welche Instinkte zu bedienen sind um verkaufsträchtig zu sein.
Nun feiert also Charli XCX ihren Ungehorsam. Mit 22 sei ihr das vergönnt. Da gibt es noch genug Grund sich gegen alle möglichen Vorgaben und Anforderungen der erwachsenen Welt zu streuben und zu wehren. Dass diese Rebellion dann immer noch nach Elektro-Punk klingt, nun das liegt eventuell daran, dass aktiver Protest gar nicht mehr so das allgemein verbindende von jungen Menschen ist. Lieber chillt man und interessiert sich eher für gar nichts. Konsumwelt, Luxus, Dauerunterhaltung – alles supergeil. Wenn jemand wirklich schockieren will, dann wird er oder sie Nazi – bzw. seit neuestem ja eher Dschihadist.
Charli XCX hat also vermutlich gar nicht wirklich vor, die Welt umzukrempeln. Sie möchte ihre Jugend ausleben. Sie hat Bock auf Party - zusammen mit ihren Freundinnen. Sie will sich verkleiden und aufbrezeln. Sie will eigentlich nur spielen.
In einer gerade wieder enorm spießig werdenden Welt voller Regeln und No Go's ist so ein explizit geschildertes Verlangen tatsächlich schon fast wieder ein Tabubruch. Auch wenn es gar nichts gar nichts gar nichts verlangt, was nicht auch schon zu Hauf gelebt werden würde. Das ist die Tragik der Charli XCX – ich gucke nur ein bisschen neben dem Mainstream und ich entdecke junge Frauen, die eben genau das machen, was sie wollen. Nur viel viel konsequenter und eigener. Die müssen nicht mehr spießige Parties stören sondern haben sich ihre Freiräume geschaffen und leben ihren Stil.
Das könnte Charli XCX eventuell ein bisschen zu weit gehen. Das würde nämlich unter Umständen auch bedeuten, dass man seinen Song nicht einfach an das Dschungelcamp als Titelmusik verkauft / verkaufen lässt. Denn der Deal ist immer so: sobald du dich mit dem System einlässt, musst du ihm entsprechen. Da gibt es kein Zurück mehr. Ich fürchte Charli XCX hat hier schon fast die Zügel zu ihrer Karriere und ihrem Leben nicht mehr in den eigenen Händen.
Und so kommt es, dass der Tiesto-Remix auf der CD wesentlich mehr Power ausstrahlt als die Originalaufnahme. Der DJ macht aus dem eher mittelmäßigen Hit immerhin noch eine anständig stampfende Dancefloornummer. Ich hätte nicht gedacht, dass so etwas noch möglich ist.
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