Ein wenig verwundert bin ich schon darüber, wie viele Good Mood Songs uns doch in den letzten Monaten heimgesucht haben. Vergiß das Schlechte, das dir den Tag versaut, und freu' dich auf die unbeschwerte Nacht – das ist immer wieder die Botschaft. Angesichts der Zustände die uns global umgeben, könnte man das glatt als Durchhalteparolen wahrnehmen. Schau dich bloß nicht um, hör nicht so genau hin, der Spaß könnte sonst schnell ein Ende haben.
Nun gab und gibt es die hedonistischen Feiersongs zu jeder Zeit. Und Kriege, Auseinandersetzungen, menschliches Elend gab es auch jederzeit. Selbst in den allerschlimmsten und hoffnungslosesten Zeiten haben sich Menschen unterhalten und von den Grausamkeiten dieser Welt abgelenkt. Ein Urinstinkt also und nichts Schlimmes dabei. Warum aber ist dann trotzdem der eine Song für mich der richtige Spaß zur rechten Zeit, während der andere in seinem Zynismus unübertroffen scheint? – Was ist der Unterschied zwischen Can't Hold Us und Don't Worry?
Für beide Tracks hat Ray Dalton seine Stimme geliehen. In dem einen feiert er mit Macklemore & Ryan Lewis die Lust am eigenen Weg, an der Selbstverwirklichung trotz aller miesen Rahmenbedingungen, im anderen dagegen gibt es kein Davor und Danach, es geht um's gleichgeschaltete Draufmachen als gäb's kein Ende. Der eine Track feiert die Lust am Selbst und reißt dadurch automatisch mit, der andere versucht eine unendlich gelangweilte Gesellschaft mit viel Aufwand und Außerirdischen-Zauber aus ihrer Lethargie zu reißen. Der eine hat Spaß und weiß, dass dieses Feiern, so introvertiert und selbstvergessen es sein mag, auch eine politische Seite hat, der andere negiert alle gesellschaftlichen oder sozialen Zusammenhänge und spielt Kindergarten mit Ketchup und Konfetti.
Bei Don't Worry feiert sich also (erneut) eine europäisch-nordamerikanische Connection – das was auf TTIP- und CETA-Ebene noch scharf kritisiert wird, passiert im Kulturgeschäft schon lange. Und erfolgreich. Allerdings auch mit genau den Folgen, die beim Freihandels- bzw. Dienstleistungsabkommen befürchtet werden: ungemeine Einfältigkeit und vorhersehbar bins ins kleinste Detail. Da gibt es Vocoder-Einsatz, der seit mindestens fünf Jahren doch lieber nicht mehr genommen werden sollte, wenn es um coolen Sound geht. Da geht es im Eurovision-Stil nicht nur eingängig, sondern gleich auch noch Servicewellenkompatibel zu. Da wird getanzt was das Zeug hält, aber das reicht nicht, sondern es muss entweder gleich noch besonders albern oder mindestens aufreizend sexy sein. Eine spießige Gesellschaft wird hier aufgemischt – oder feiert sich selbst. Nun ja.
Irgendwie habe ich das Gefühl, dass MADCON eigentlich schon immer nichts anderes waren als die lustigen Klassenclowns. Sicher Don't Worry funktioniert vermutlich genauso wie Glow. Das hatte aber wenigstens noch den FlashMob-Effekt, also den Link zu einer Aktion, die vielleicht etwas dämlich war, aber dann doch genügend Kraft entwickelte um einige Tausend mitzureißen und für einen winzigen Moment ein Gemeinschaftsgefühl herzustellen.
Bei Don't Worry weiß ich nicht, was das Verbindende sein soll, außer dass der Song niemandem weh tut und deshalb vermurtlich bei allen Radiostationen hoch und runter laufen kann.
Da wär ich dann bei der Quintessenz angekommen: Don't Worry ist so langweilig, weil es erstmal schier gar keinen Eindruck hinterlässt. Erst nach pausenloser Dauerbeschallung sitzt es im Kopf (hat der Selbsttest bestätigt) – wirklich cool ist der Song aber trotzdem nicht. Zum Beispiel auch, weil jeder andere Retortenact den Titel mindestens genauso hätte aufnehmen können. Mit einem identischen Ergebnis.
Um nochmal ins Detail zu gehen: die Bläser bei Don't Worry sind so schön brav hookline-mäßig eingesetzt, das hätten Chicago in ihrer Endphase nicht anders gemacht. Ein Poptrack, der ein bisschen auf Discofunk macht. In den 70ern etabliert – noch heute gültig. Und bloß keine eigene, songtragende Funktion für irgendeines der Instrumente – das wäre dann doch zu viel Funk.
Bei Can't Hold Us fetzen die Bläser dagegen einfach rein in den Song – ich hab' das Gefühl, diese Instrumente hab' ich noch nie so gehört: choral-orchestral und trotzdem disco. Ein Gestaltungsmittel, gleichberechtigt eingesetzt zu Beat, Rhyme und gesungenem Refrain. Schade, dass sich MADCON das nicht trauen.
Freitag, 24. April 2015
Freitag, 17. April 2015
Wiz Khalifa Featuring Charlie Puth: See You Again
Habe ich in der letzten Woche noch darüber geschrieben, wie unkonventionell die Fast & Furious-Filme daher kommen, so muss ich heute ordentlich zurückrudern und doch tatsächlich die Biederkeit und Konventionalität betrachten. Grund ist der fulminante Erfolg des Abspanntitels See You Again, der doch wirklich gerade dank des Filmstarts des siebten Streifens einen Chartrekord aufgestellt hat.
Es ist dieser Song, der die Schlussszene des Films untermalt. Zwei Freunde trennen sich. Der eine wählt das wilde Leben, die Freiheit, den ständigen Kick, der andere fährt in seine Zukunft als Familienvater mit Einfamilienhaus, Garten und Pool. Wie bieder.
Auch sonst zitiert der Film erstaunlich oft spießbürgerliches Mittelmaß. Da muss ich nicht mal die bis zum Erbrechen ausgewalzten Rollenklischees zitieren, die zwar als besonders tough und aufmüpfig inszeniert sind, aber im Grunde nur das abbilden, was sich jeder Vorstadtopa in seiner Gartenlaube sabbernd als Gesellschaftsbild zusammenfantasiert. Da gibt es also wenig bis gar keine Differenz zu den gängigen Lebensentwürfen.
Und auch mit der ungebändigten Lust nach Abenteuer und Spaß ist es verhältnismäßig schnell vorbei. Alle Protagonisten sind zum Beginn der Handlung irgendwie in glücklichen Beziehungen gelandet, machen es sich auf den Kanarischen Inseln oder ähnlich hübschen Orten gemütlich und üben sich in mehr oder weniger luxuriösem Nestbau. Hauptsache immer schön an der Mainstream-Idylle der Kleinfamilie entlang. Vom einstigen testosterongeschwängerten Brunftgeschrei mit der steten Chance auf doch noch was Besseres ist kaum was übrig. "Lebe den Moment" ist offenbar doch schneller vorbei als man alt werden kann.
Richtig kitschig und sentimental wird es dann mit dem Ende des Lebens. Darsteller Paul Walker verunglückte tödlich während der Dreharbeiten, was für die Serie tatsächlich ein herber Verlust ist. Dass so ein Einschnitt nicht spurlos am Film-Team vorbei geht, ist klar. Dass es trotzdem ein Weitermachen gibt, beweist Stärke und einen guten Umgang mit dem Leben. Und auch die Verbeugung vor dem Toten, die öffentlich gezeigte Trauer ist ein starkes Zeichen. See You Again ist Paul Walker gewidmet, ohne den Fast & Furious nicht das geworden wäre, was es ist. Und genau deshalb ist es am Ende des Filmes gut und richtig platziert.
Einigermaßen erschreckend finde ich, dass ausgerechnet dieser Abschiedssong so durchschnittlich geraten ist und nun für die Filmreihe steht, die mehr als zehn Jahre lang ein genau konträres Bild zelebriert hat. Wiz Khalifa, den ich schnoddrig und dreckig kenne, der lässt sich hier gerade noch zu ein paar sentimentalen Rhymes hinreißen. Der Rest des Songs wird bestimmt durch den weinerlichen Gesang des Jüngelchen Charlie Puth (Wo haben sie den denn ausgegraben? - Idols?). Und die Instrumentierung erinnert eher an einen Schmachtfetzen von OneRepublic als an einen ordentlich fulminanten Abschied von Kerlen in der Art eines Vin Diesel.
Ist das wirklich die Art, wie die Macker der Neuzeit ihre Freunde begraben? Die Typen, welche die ganze Zeit herumprotzen, dass sie keine Angst vor dem Tod haben, die sich ständig mit Stunts und Action in Lebensgefahr begeben, die sind plötzlich zu Tränen gerührt, wenn dann doch mal einer drauf geht?
Schräge Nummer.
Ich weiß, im Jahr 2015 geht eine Menge zusammen an Dingen, die sich vor 20 oder 30 Jahren noch spinnefeind waren. Motorradrocker fahren zu Gottesdiensten in Autobahnkirchen, toughe Stuntmen und Auftragsfahrer wie Ryan Gosling in Drive sind gleichzeitig kinderliebende Fast-Familienväter. Und Vin Diesel + Freunde können eben nicht anders als pathetisch Kitschsauce verschütten, wenn es dann doch mal existenziell wird.
Dass dieser Umgang mit dem Tod einer ganz großen, weinerlichen Mehrheit gefällt, die ja sowieso ständig vor allem Angst hat und sich bedroht fühlt, das ist nicht besonders verwunderlich. Für eine eiskalte Gang mit Vorliebe für gefährlich schnelle Autos, die sich zudem unbesiegbar und gottgleich überheblich benimmt, ist es eher ein ungewolltes Eingeständnis ihrer doch endlichen Menschlichkeit.
Da hat Nicolas Winding Refn doch mehr Arsch in der Hose wenn er seine Superhelden genauso brutal wie sie leben in den (Film-)Tod schickt.
Es ist dieser Song, der die Schlussszene des Films untermalt. Zwei Freunde trennen sich. Der eine wählt das wilde Leben, die Freiheit, den ständigen Kick, der andere fährt in seine Zukunft als Familienvater mit Einfamilienhaus, Garten und Pool. Wie bieder.
Auch sonst zitiert der Film erstaunlich oft spießbürgerliches Mittelmaß. Da muss ich nicht mal die bis zum Erbrechen ausgewalzten Rollenklischees zitieren, die zwar als besonders tough und aufmüpfig inszeniert sind, aber im Grunde nur das abbilden, was sich jeder Vorstadtopa in seiner Gartenlaube sabbernd als Gesellschaftsbild zusammenfantasiert. Da gibt es also wenig bis gar keine Differenz zu den gängigen Lebensentwürfen.
Und auch mit der ungebändigten Lust nach Abenteuer und Spaß ist es verhältnismäßig schnell vorbei. Alle Protagonisten sind zum Beginn der Handlung irgendwie in glücklichen Beziehungen gelandet, machen es sich auf den Kanarischen Inseln oder ähnlich hübschen Orten gemütlich und üben sich in mehr oder weniger luxuriösem Nestbau. Hauptsache immer schön an der Mainstream-Idylle der Kleinfamilie entlang. Vom einstigen testosterongeschwängerten Brunftgeschrei mit der steten Chance auf doch noch was Besseres ist kaum was übrig. "Lebe den Moment" ist offenbar doch schneller vorbei als man alt werden kann.
Richtig kitschig und sentimental wird es dann mit dem Ende des Lebens. Darsteller Paul Walker verunglückte tödlich während der Dreharbeiten, was für die Serie tatsächlich ein herber Verlust ist. Dass so ein Einschnitt nicht spurlos am Film-Team vorbei geht, ist klar. Dass es trotzdem ein Weitermachen gibt, beweist Stärke und einen guten Umgang mit dem Leben. Und auch die Verbeugung vor dem Toten, die öffentlich gezeigte Trauer ist ein starkes Zeichen. See You Again ist Paul Walker gewidmet, ohne den Fast & Furious nicht das geworden wäre, was es ist. Und genau deshalb ist es am Ende des Filmes gut und richtig platziert.
Einigermaßen erschreckend finde ich, dass ausgerechnet dieser Abschiedssong so durchschnittlich geraten ist und nun für die Filmreihe steht, die mehr als zehn Jahre lang ein genau konträres Bild zelebriert hat. Wiz Khalifa, den ich schnoddrig und dreckig kenne, der lässt sich hier gerade noch zu ein paar sentimentalen Rhymes hinreißen. Der Rest des Songs wird bestimmt durch den weinerlichen Gesang des Jüngelchen Charlie Puth (Wo haben sie den denn ausgegraben? - Idols?). Und die Instrumentierung erinnert eher an einen Schmachtfetzen von OneRepublic als an einen ordentlich fulminanten Abschied von Kerlen in der Art eines Vin Diesel.
Ist das wirklich die Art, wie die Macker der Neuzeit ihre Freunde begraben? Die Typen, welche die ganze Zeit herumprotzen, dass sie keine Angst vor dem Tod haben, die sich ständig mit Stunts und Action in Lebensgefahr begeben, die sind plötzlich zu Tränen gerührt, wenn dann doch mal einer drauf geht?
Schräge Nummer.
Ich weiß, im Jahr 2015 geht eine Menge zusammen an Dingen, die sich vor 20 oder 30 Jahren noch spinnefeind waren. Motorradrocker fahren zu Gottesdiensten in Autobahnkirchen, toughe Stuntmen und Auftragsfahrer wie Ryan Gosling in Drive sind gleichzeitig kinderliebende Fast-Familienväter. Und Vin Diesel + Freunde können eben nicht anders als pathetisch Kitschsauce verschütten, wenn es dann doch mal existenziell wird.
Dass dieser Umgang mit dem Tod einer ganz großen, weinerlichen Mehrheit gefällt, die ja sowieso ständig vor allem Angst hat und sich bedroht fühlt, das ist nicht besonders verwunderlich. Für eine eiskalte Gang mit Vorliebe für gefährlich schnelle Autos, die sich zudem unbesiegbar und gottgleich überheblich benimmt, ist es eher ein ungewolltes Eingeständnis ihrer doch endlichen Menschlichkeit.
Da hat Nicolas Winding Refn doch mehr Arsch in der Hose wenn er seine Superhelden genauso brutal wie sie leben in den (Film-)Tod schickt.
Freitag, 10. April 2015
Major Lazer X DJ Snake Feat. MØ:Lean On
Es hat dann doch recht lange gedauert, bis Major Lazer die Aufmerksamkeit und den Erfolg bekamen, der ihnen zusteht.
Bereits im Jahr 2009, nach ihrem großartigen Pon de Floor-Hit, war klar: Das sind die neuen Master. Und: Das wird gut. Aber mit ihren schrillen Remixen und lauten Videos, gern vollgepflastert mit Booty shakin' und Twerkin' war es für die Massen wohl doch zu sperrig. Da brauchte es dann erst eine Umbesetzung und das sehr lauschige (und trotzdem schöne) Get Free, bis sich auch die BRAVO-Compilation traute Major Lazer unter die Menschen zu bringen.
Auch das ist nun schon gute zwei Jahre her und zwischendurch hat es eine ordentliche Trap-Welle gegeben, die doch auch den Mainstream hierzulande einigermaßen aufmischte. Gute Voraussetzungen für Diplo und Co.
Warum es tatsächlich Trap war, der sich im eher bräsigen Deutschland durchsetzen konnte, während es solche Dinge wie Dubstep oder Grime zuvor nie wirklich schafften ... ich schiebe das mal auf den größeren Einfluss der US-amerikanischen Pop-Kultur. Die Briten sind da immer etwas zu schnell, auch zu differenziert und kleinteilig. Nicht umsonst gibt es dort vermutlich die lebendigste Independent-Szene der Welt, die alle acht Wochen einen neuen Star hervorbringt und zweimal im Jahr völlig neue musikalische Trends gebiert.
In den wesentlich größeren USA geht es etwas behäbiger zu. Ein Stil braucht erstmal enorm lange, bis er sich durchsetzt, aber wenn er dann da ist, dann gibt es kein Halten mehr. Und so hatte Trap in den vergangenen zwei Jahren ordentlich Rückendeckung durch Mega-Stars wie Katy Perry. Die lieferte mit Dark Horse gleich mal eine ihrer Singles der neuen Mode aus. Erfolgreich.
Diese Mainstream-Adaption war vielleicht so etwas wie die Krönung einer Entwicklung, die sich über mehrere Jahre hinzog. Ganz gut ablesbar an der Fast & Furious-Reihe. Seit 2001 erscheint in Abständen von zwei bis drei Jahren eine neue Folge und der Erfolg stieg, bis er mit den letzten drei Sequels den Höhepunkt erreichte. Die in den Filmen propagierte (Proleten)kultur schert sich um nichts mehr und bricht so ziemlich alle Tabus der Politischen Korrektheit. Allerdings weniger als ein politisches Statement oder direktes Aufbegehren, sondern eher aus einem naiven Trotz heraus. Leckt uns doch alle mal–wir machen sowieso was wir wollen.
Mit dieser Haltung und im Fahrwasser der Filme wurden vor allem in den letzten drei vier Jahren Rapper wie Kid Ink, Tyga und Wiz Khalifa zunehmend salonfähig. Die schreiben zwar die Geschichte der alten Gangsta-Haudegen weiter, aber sorgen sich insgesamt doch viel weniger um ihre Coolness und Außenwahrnehmung. Streetfight war gestern – heute ist eher entspanntes Kiffen.
Und noch einen wesentlichen Unterschied zum HipHop der Jahrtausendwende gibt es: Die neuen Stars sind ganz Kinder der 2000er und haben keine Angst mehr vor dem Elektro-Schredder. So gehören zum guten Ton in der Welt der schnellen Autos und leicht bekleideten Frauen auch Musiker wie Skrillex, DJ Mustard oder DJ Snake. Respektlos und im besten Fall auch ohne Angst vor Genregrenzen nehmen sie sich alles was ihnen unter die Finger kommt und zermüllern es hübsch in seine Einzelteile um es mit viel Krach wieder neu zusammenzukleben. Und diese neue Kombination ist eine wesentliche Grundlage für den Erfolg der zweiten Trap-Welle.
Der Mainstream-Erfolg von Trap hat logischerweise zur Folge, dass Diplo und DJ Snake schon eine ganze Reihe Mainstream-Produktionen auf ihrem Konto haben. DJ Snake startete dabei ein paar Jahre später ins große Business, weshalb er auch etwas schneller zu Popularität kam als sein Kollege Diplo. Was nun passiert, wenn sich zwei der tonangebenden Protagonisten der Szene zusammen ins Studio begeben, das lässt sich seit vergangenem Jahr erleben. Seit 2014 erscheinen DJ Snakes eigene Veröffentlichungen nämlcih auf Diplos Mad Decent-Label. Und offenbar haben die beiden auch gemeinsam im Studio ganz gehörig Spaß. Lean On ist das erste offizielle Ergebnis dieser Partnerschaft.
Nachdem das Video durch ist, dürfte klar sein, dass diese Kolaboration sich einen Dreck kümmert um Einordnungen und Klassifizierungen. Da ist der orientalisch-arabische Moombathon, den DJ Snake als Franzose mit multikulturellem Background gern bedient, genauso hervorgezerrt, wie die Ragga-Dancehall-Umgebung der Major Lazers, der Grafitti-Straßenstil hat hier ebenso Platz wie die Luxuspalast-Fantasie. Da treffen sich Europa (hier noch zu nennen die dänische Sängerin Mø) und Nordamerika genauso wie erste, zweite und dritte Welt, westliche Kleidung steht mitten in orientalischem Traditionalismus...
Wir befinden uns mitten im globalen Zitaten- und Kulturenmix des 21. Jahrhunderts. Ist das Weltmusik 3.0? Ist das der Partybeat des Südens? Auf jeden Fall ist es für mich der tonangebende Sound für das laufende Jahrzehnt. Vergesst alles andere!
Bereits im Jahr 2009, nach ihrem großartigen Pon de Floor-Hit, war klar: Das sind die neuen Master. Und: Das wird gut. Aber mit ihren schrillen Remixen und lauten Videos, gern vollgepflastert mit Booty shakin' und Twerkin' war es für die Massen wohl doch zu sperrig. Da brauchte es dann erst eine Umbesetzung und das sehr lauschige (und trotzdem schöne) Get Free, bis sich auch die BRAVO-Compilation traute Major Lazer unter die Menschen zu bringen.
Auch das ist nun schon gute zwei Jahre her und zwischendurch hat es eine ordentliche Trap-Welle gegeben, die doch auch den Mainstream hierzulande einigermaßen aufmischte. Gute Voraussetzungen für Diplo und Co.
Warum es tatsächlich Trap war, der sich im eher bräsigen Deutschland durchsetzen konnte, während es solche Dinge wie Dubstep oder Grime zuvor nie wirklich schafften ... ich schiebe das mal auf den größeren Einfluss der US-amerikanischen Pop-Kultur. Die Briten sind da immer etwas zu schnell, auch zu differenziert und kleinteilig. Nicht umsonst gibt es dort vermutlich die lebendigste Independent-Szene der Welt, die alle acht Wochen einen neuen Star hervorbringt und zweimal im Jahr völlig neue musikalische Trends gebiert.
In den wesentlich größeren USA geht es etwas behäbiger zu. Ein Stil braucht erstmal enorm lange, bis er sich durchsetzt, aber wenn er dann da ist, dann gibt es kein Halten mehr. Und so hatte Trap in den vergangenen zwei Jahren ordentlich Rückendeckung durch Mega-Stars wie Katy Perry. Die lieferte mit Dark Horse gleich mal eine ihrer Singles der neuen Mode aus. Erfolgreich.
Diese Mainstream-Adaption war vielleicht so etwas wie die Krönung einer Entwicklung, die sich über mehrere Jahre hinzog. Ganz gut ablesbar an der Fast & Furious-Reihe. Seit 2001 erscheint in Abständen von zwei bis drei Jahren eine neue Folge und der Erfolg stieg, bis er mit den letzten drei Sequels den Höhepunkt erreichte. Die in den Filmen propagierte (Proleten)kultur schert sich um nichts mehr und bricht so ziemlich alle Tabus der Politischen Korrektheit. Allerdings weniger als ein politisches Statement oder direktes Aufbegehren, sondern eher aus einem naiven Trotz heraus. Leckt uns doch alle mal–wir machen sowieso was wir wollen.
Mit dieser Haltung und im Fahrwasser der Filme wurden vor allem in den letzten drei vier Jahren Rapper wie Kid Ink, Tyga und Wiz Khalifa zunehmend salonfähig. Die schreiben zwar die Geschichte der alten Gangsta-Haudegen weiter, aber sorgen sich insgesamt doch viel weniger um ihre Coolness und Außenwahrnehmung. Streetfight war gestern – heute ist eher entspanntes Kiffen.
Und noch einen wesentlichen Unterschied zum HipHop der Jahrtausendwende gibt es: Die neuen Stars sind ganz Kinder der 2000er und haben keine Angst mehr vor dem Elektro-Schredder. So gehören zum guten Ton in der Welt der schnellen Autos und leicht bekleideten Frauen auch Musiker wie Skrillex, DJ Mustard oder DJ Snake. Respektlos und im besten Fall auch ohne Angst vor Genregrenzen nehmen sie sich alles was ihnen unter die Finger kommt und zermüllern es hübsch in seine Einzelteile um es mit viel Krach wieder neu zusammenzukleben. Und diese neue Kombination ist eine wesentliche Grundlage für den Erfolg der zweiten Trap-Welle.
Der Mainstream-Erfolg von Trap hat logischerweise zur Folge, dass Diplo und DJ Snake schon eine ganze Reihe Mainstream-Produktionen auf ihrem Konto haben. DJ Snake startete dabei ein paar Jahre später ins große Business, weshalb er auch etwas schneller zu Popularität kam als sein Kollege Diplo. Was nun passiert, wenn sich zwei der tonangebenden Protagonisten der Szene zusammen ins Studio begeben, das lässt sich seit vergangenem Jahr erleben. Seit 2014 erscheinen DJ Snakes eigene Veröffentlichungen nämlcih auf Diplos Mad Decent-Label. Und offenbar haben die beiden auch gemeinsam im Studio ganz gehörig Spaß. Lean On ist das erste offizielle Ergebnis dieser Partnerschaft.
Nachdem das Video durch ist, dürfte klar sein, dass diese Kolaboration sich einen Dreck kümmert um Einordnungen und Klassifizierungen. Da ist der orientalisch-arabische Moombathon, den DJ Snake als Franzose mit multikulturellem Background gern bedient, genauso hervorgezerrt, wie die Ragga-Dancehall-Umgebung der Major Lazers, der Grafitti-Straßenstil hat hier ebenso Platz wie die Luxuspalast-Fantasie. Da treffen sich Europa (hier noch zu nennen die dänische Sängerin Mø) und Nordamerika genauso wie erste, zweite und dritte Welt, westliche Kleidung steht mitten in orientalischem Traditionalismus...
Wir befinden uns mitten im globalen Zitaten- und Kulturenmix des 21. Jahrhunderts. Ist das Weltmusik 3.0? Ist das der Partybeat des Südens? Auf jeden Fall ist es für mich der tonangebende Sound für das laufende Jahrzehnt. Vergesst alles andere!
Freitag, 3. April 2015
Philipp Dittberner & Marv: Wolke 4
Nun erobert also die Generation Youtube den Mainstream.
Dass Teenager mit ihren selbstgebastelten Kanälen eine ganz gehörige Anzahl von Abonennten und Fans um sich scharen, dürfte seit einigen Jahren weithin bekannt sein. Ob Schminktipps, Rezensionen von Online-Games, Beschimpfungen des treuen Publikums oder eben möglichst witzige Coverversionen von Hits – Woche für Woche stehen unzählige neue Folgen im Netz bereit und werden geschaut, gemocht und geteilt.
Vor drei-vier Jahren begannen dann die ersten Stars ihre Produkte auch in bare Münze umzusetzen, indem sie nicht einfach nur auf Abonenntenzahlen und Werbeeinnahmen setzten, sondern ihre Songs direkt zum Kauf anboten. DieLochis, ApeCrime, Y-Titty waren die ersten Komiker, die dann auch in den Charts auftauchten. Mit ordentlichen Verkaufszahlen, die in ihren besten Zeiten sogar Top 10-Status erreichten. Aber getreu dem schnelllebigen Internet auch binnen Wochenfrist in den meisten Fällen wieder uninteressant und verschwunden waren.
Es folgten, die ernsthafteren Sänger und Liedermacher (lustigerweise auch hier alles nur Jungs oder junge Männer): LionT, KayEf und zuletzt richtig bodenständig Joel Brandenstein. Insgesamt sehr viel massenkompatibler, aber offenbar immer noch zu sehr mit der Internet-Meute verflochten. Kurze Chartausflüge ja – Einsätze im Radio nein. Zu schwerfällig und konservativ ist da doch das bestehende Airplay-System. Die Musikauswahlroboter greifen eben immer noch vor allem auf das zurück, was ihnen die Promo-Maschinerie der großen Label vor die Füße wirft.
Und nun ist mit Philipp Dittberner einer auf der Bildfläche erschienen, der es doch tatsächlich in die Radio-Rotation geschafft hat und mit Wolke 4 einen echten Hit gelandet hat. So sehr gefragt, dass es seit Ende März den Titel sogar als CD-Single zu erwerben gibt. Das ist im Jahr 2015 wirklich eine Ehre und alles andere als selbstverständlich.
Was macht Philipp Dittberner anders als seine Vorgänger? Zum einen hat sein Song mit dem Remix durch den Hannoveraner Marvin Webb eine enorm trendige Überarbeitung im DeepHouse-Stil erfahren. Das passt hervorragend in das, was uns mit Mr. Probz, Milky Chance und Lost Frequencies seit etwas mehr als eineinhalb Jahren geradezu permanent zududelt.
Dann gab es für Philipp Dittberner eben doch diesen Moment, der ihn über seine treuen Internet-Fans nochmal einem breiteren Publikum vorstellte. In diesem Fall war es ein Musikwettbewerb für Newcomer innerhalb der Berlin Music Week. Da saßen dann die Redakteur*innen von Fritz (denn dort gibt es ja die richtig gute Musik zu entdecken, nicht im Netz) - und waren begeistert.
Tja, und dann kommt bei dem jungen Songschreiber noch hinzu, dass er anders als (fast) alle seine Vorgänger eben sehr sehr geerdet daher kommt. Er ist eben nicht mit einem Youtube-Kanal präsent, sondern seit etwas mehr als zwei Jahren auf Soundcloud. Und damit bei einer komplett anderen Sorte von Musikliebhabenden. So kam auch der viel bessere Kontakt zu Marv zustande. Auf youtube gibt es kaum gute Remixe. Weil sich dort zumeist nicht die Cracks der Szene rumtreiben. Sondern eher die, die schnellen Spaß (und Erfolg) wollen.
Auch in der Vermarktung bleibt Philipp Dittberner ordentlich zurückhaltend. Sein Interview auf couch.fm liest sich wie das eines Menschen, der jahrelang im Business unterwegs war. Verzicht auf den schnellen Euro, Bewusstsein über die Kurzlebigkeit des Erfolgs und ein grundsätzliches Nachdenken darüber, wie die Liebe zur Musik tatsächlich eine Lebensgrundlage sein kann ohne sich zu verkaufen. Deshalb hat er sich auch nicht bei einem großen Label unter Vertrag begeben, sondern lässt sich hübsch besonnen von Grönland Records vertreiben. Alle Achtung!
Bei so viel Selbstbewusstsein und Genauigkeit ist es geradezu natürlich, dass auch die Textwelten von Philipp Dittberner alles andere als das kurze Glück beschreiben. Wolke 4 holt das reale Leben in den Pop. – Ohne dabei unpoetisch zu sein.
Vor drei Jahren war es noch Wolke 7, also das Höchste, das Nonplusultra, das es zu erstreben und zu besingen galt. Darunter ging gar nichts.
Mittlerweile gab es eine Rückbesinnung auf die Normalität und jetzt stellen wir fest: Wolke 4 ist eben auch schon großartig. Da muss man sich gar nicht langweilen.
Ein bisschen ist dieser Song die finale Absage an den überbordenden Luxuswahn der 00er, der uns ja bis heute noch immer mal wieder heimsucht: siehe die Eskapaden von David Guetta und Calvin Harris. Glück sind nicht nur schnelle Autos und Champagner, Glück kann auch das Frühstück morgens zu zweit sein. Oder der gemeinsam erlebte Nachmittag. Oder auch die Fähigkeit, sich nicht im Alltag gegenseitig fertig zu machen. – Sehr hübsch, diese Einstellung. Und in ihrer Normalität eher ungewöhnlich.
Jetzt muss Philipp Dittberner eigentlich nur noch sein Ausdrucksrepertoire etwas erweitern oder besser ausschöpfen. Im Vergleich seiner veröffentlichten Songs untereinander bleibt er sich nämlich bislang noch etwas zu sehr treu. Das könnte dann doch recht schnell wieder das Ende darstellen für seine Musikkarriere.
Dass Teenager mit ihren selbstgebastelten Kanälen eine ganz gehörige Anzahl von Abonennten und Fans um sich scharen, dürfte seit einigen Jahren weithin bekannt sein. Ob Schminktipps, Rezensionen von Online-Games, Beschimpfungen des treuen Publikums oder eben möglichst witzige Coverversionen von Hits – Woche für Woche stehen unzählige neue Folgen im Netz bereit und werden geschaut, gemocht und geteilt.
Vor drei-vier Jahren begannen dann die ersten Stars ihre Produkte auch in bare Münze umzusetzen, indem sie nicht einfach nur auf Abonenntenzahlen und Werbeeinnahmen setzten, sondern ihre Songs direkt zum Kauf anboten. DieLochis, ApeCrime, Y-Titty waren die ersten Komiker, die dann auch in den Charts auftauchten. Mit ordentlichen Verkaufszahlen, die in ihren besten Zeiten sogar Top 10-Status erreichten. Aber getreu dem schnelllebigen Internet auch binnen Wochenfrist in den meisten Fällen wieder uninteressant und verschwunden waren.
Es folgten, die ernsthafteren Sänger und Liedermacher (lustigerweise auch hier alles nur Jungs oder junge Männer): LionT, KayEf und zuletzt richtig bodenständig Joel Brandenstein. Insgesamt sehr viel massenkompatibler, aber offenbar immer noch zu sehr mit der Internet-Meute verflochten. Kurze Chartausflüge ja – Einsätze im Radio nein. Zu schwerfällig und konservativ ist da doch das bestehende Airplay-System. Die Musikauswahlroboter greifen eben immer noch vor allem auf das zurück, was ihnen die Promo-Maschinerie der großen Label vor die Füße wirft.
Und nun ist mit Philipp Dittberner einer auf der Bildfläche erschienen, der es doch tatsächlich in die Radio-Rotation geschafft hat und mit Wolke 4 einen echten Hit gelandet hat. So sehr gefragt, dass es seit Ende März den Titel sogar als CD-Single zu erwerben gibt. Das ist im Jahr 2015 wirklich eine Ehre und alles andere als selbstverständlich.
Was macht Philipp Dittberner anders als seine Vorgänger? Zum einen hat sein Song mit dem Remix durch den Hannoveraner Marvin Webb eine enorm trendige Überarbeitung im DeepHouse-Stil erfahren. Das passt hervorragend in das, was uns mit Mr. Probz, Milky Chance und Lost Frequencies seit etwas mehr als eineinhalb Jahren geradezu permanent zududelt.
Dann gab es für Philipp Dittberner eben doch diesen Moment, der ihn über seine treuen Internet-Fans nochmal einem breiteren Publikum vorstellte. In diesem Fall war es ein Musikwettbewerb für Newcomer innerhalb der Berlin Music Week. Da saßen dann die Redakteur*innen von Fritz (denn dort gibt es ja die richtig gute Musik zu entdecken, nicht im Netz) - und waren begeistert.
Tja, und dann kommt bei dem jungen Songschreiber noch hinzu, dass er anders als (fast) alle seine Vorgänger eben sehr sehr geerdet daher kommt. Er ist eben nicht mit einem Youtube-Kanal präsent, sondern seit etwas mehr als zwei Jahren auf Soundcloud. Und damit bei einer komplett anderen Sorte von Musikliebhabenden. So kam auch der viel bessere Kontakt zu Marv zustande. Auf youtube gibt es kaum gute Remixe. Weil sich dort zumeist nicht die Cracks der Szene rumtreiben. Sondern eher die, die schnellen Spaß (und Erfolg) wollen.
Auch in der Vermarktung bleibt Philipp Dittberner ordentlich zurückhaltend. Sein Interview auf couch.fm liest sich wie das eines Menschen, der jahrelang im Business unterwegs war. Verzicht auf den schnellen Euro, Bewusstsein über die Kurzlebigkeit des Erfolgs und ein grundsätzliches Nachdenken darüber, wie die Liebe zur Musik tatsächlich eine Lebensgrundlage sein kann ohne sich zu verkaufen. Deshalb hat er sich auch nicht bei einem großen Label unter Vertrag begeben, sondern lässt sich hübsch besonnen von Grönland Records vertreiben. Alle Achtung!
Bei so viel Selbstbewusstsein und Genauigkeit ist es geradezu natürlich, dass auch die Textwelten von Philipp Dittberner alles andere als das kurze Glück beschreiben. Wolke 4 holt das reale Leben in den Pop. – Ohne dabei unpoetisch zu sein.
Vor drei Jahren war es noch Wolke 7, also das Höchste, das Nonplusultra, das es zu erstreben und zu besingen galt. Darunter ging gar nichts.
Mittlerweile gab es eine Rückbesinnung auf die Normalität und jetzt stellen wir fest: Wolke 4 ist eben auch schon großartig. Da muss man sich gar nicht langweilen.
Ein bisschen ist dieser Song die finale Absage an den überbordenden Luxuswahn der 00er, der uns ja bis heute noch immer mal wieder heimsucht: siehe die Eskapaden von David Guetta und Calvin Harris. Glück sind nicht nur schnelle Autos und Champagner, Glück kann auch das Frühstück morgens zu zweit sein. Oder der gemeinsam erlebte Nachmittag. Oder auch die Fähigkeit, sich nicht im Alltag gegenseitig fertig zu machen. – Sehr hübsch, diese Einstellung. Und in ihrer Normalität eher ungewöhnlich.
Jetzt muss Philipp Dittberner eigentlich nur noch sein Ausdrucksrepertoire etwas erweitern oder besser ausschöpfen. Im Vergleich seiner veröffentlichten Songs untereinander bleibt er sich nämlich bislang noch etwas zu sehr treu. Das könnte dann doch recht schnell wieder das Ende darstellen für seine Musikkarriere.
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