Habe ich in der letzten Woche noch darüber geschrieben, wie unkonventionell die Fast & Furious-Filme daher kommen, so muss ich heute ordentlich zurückrudern und doch tatsächlich die Biederkeit und Konventionalität betrachten. Grund ist der fulminante Erfolg des Abspanntitels See You Again, der doch wirklich gerade dank des Filmstarts des siebten Streifens einen Chartrekord aufgestellt hat.
Es ist dieser Song, der die Schlussszene des Films untermalt. Zwei Freunde trennen sich. Der eine wählt das wilde Leben, die Freiheit, den ständigen Kick, der andere fährt in seine Zukunft als Familienvater mit Einfamilienhaus, Garten und Pool. Wie bieder.
Auch sonst zitiert der Film erstaunlich oft spießbürgerliches Mittelmaß. Da muss ich nicht mal die bis zum Erbrechen ausgewalzten Rollenklischees zitieren, die zwar als besonders tough und aufmüpfig inszeniert sind, aber im Grunde nur das abbilden, was sich jeder Vorstadtopa in seiner Gartenlaube sabbernd als Gesellschaftsbild zusammenfantasiert. Da gibt es also wenig bis gar keine Differenz zu den gängigen Lebensentwürfen.
Und auch mit der ungebändigten Lust nach Abenteuer und Spaß ist es verhältnismäßig schnell vorbei. Alle Protagonisten sind zum Beginn der Handlung irgendwie in glücklichen Beziehungen gelandet, machen es sich auf den Kanarischen Inseln oder ähnlich hübschen Orten gemütlich und üben sich in mehr oder weniger luxuriösem Nestbau. Hauptsache immer schön an der Mainstream-Idylle der Kleinfamilie entlang. Vom einstigen testosterongeschwängerten Brunftgeschrei mit der steten Chance auf doch noch was Besseres ist kaum was übrig. "Lebe den Moment" ist offenbar doch schneller vorbei als man alt werden kann.
Richtig kitschig und sentimental wird es dann mit dem Ende des Lebens. Darsteller Paul Walker verunglückte tödlich während der Dreharbeiten, was für die Serie tatsächlich ein herber Verlust ist. Dass so ein Einschnitt nicht spurlos am Film-Team vorbei geht, ist klar. Dass es trotzdem ein Weitermachen gibt, beweist Stärke und einen guten Umgang mit dem Leben. Und auch die Verbeugung vor dem Toten, die öffentlich gezeigte Trauer ist ein starkes Zeichen. See You Again ist Paul Walker gewidmet, ohne den Fast & Furious nicht das geworden wäre, was es ist. Und genau deshalb ist es am Ende des Filmes gut und richtig platziert.
Einigermaßen erschreckend finde ich, dass ausgerechnet dieser Abschiedssong so durchschnittlich geraten ist und nun für die Filmreihe steht, die mehr als zehn Jahre lang ein genau konträres Bild zelebriert hat. Wiz Khalifa, den ich schnoddrig und dreckig kenne, der lässt sich hier gerade noch zu ein paar sentimentalen Rhymes hinreißen. Der Rest des Songs wird bestimmt durch den weinerlichen Gesang des Jüngelchen Charlie Puth (Wo haben sie den denn ausgegraben? - Idols?). Und die Instrumentierung erinnert eher an einen Schmachtfetzen von OneRepublic als an einen ordentlich fulminanten Abschied von Kerlen in der Art eines Vin Diesel.
Ist das wirklich die Art, wie die Macker der Neuzeit ihre Freunde begraben? Die Typen, welche die ganze Zeit herumprotzen, dass sie keine Angst vor dem Tod haben, die sich ständig mit Stunts und Action in Lebensgefahr begeben, die sind plötzlich zu Tränen gerührt, wenn dann doch mal einer drauf geht?
Schräge Nummer.
Ich weiß, im Jahr 2015 geht eine Menge zusammen an Dingen, die sich vor 20 oder 30 Jahren noch spinnefeind waren. Motorradrocker fahren zu Gottesdiensten in Autobahnkirchen, toughe Stuntmen und Auftragsfahrer wie Ryan Gosling in Drive sind gleichzeitig kinderliebende Fast-Familienväter. Und Vin Diesel + Freunde können eben nicht anders als pathetisch Kitschsauce verschütten, wenn es dann doch mal existenziell wird.
Dass dieser Umgang mit dem Tod einer ganz großen, weinerlichen Mehrheit gefällt, die ja sowieso ständig vor allem Angst hat und sich bedroht fühlt, das ist nicht besonders verwunderlich. Für eine eiskalte Gang mit Vorliebe für gefährlich schnelle Autos, die sich zudem unbesiegbar und gottgleich überheblich benimmt, ist es eher ein ungewolltes Eingeständnis ihrer doch endlichen Menschlichkeit.
Da hat Nicolas Winding Refn doch mehr Arsch in der Hose wenn er seine Superhelden genauso brutal wie sie leben in den (Film-)Tod schickt.
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