Es hat dann doch recht lange gedauert, bis Major Lazer die Aufmerksamkeit und den Erfolg bekamen, der ihnen zusteht.
Bereits im Jahr 2009, nach ihrem großartigen Pon de Floor-Hit, war klar: Das sind die neuen Master. Und: Das wird gut. Aber mit ihren schrillen Remixen und lauten Videos, gern vollgepflastert mit Booty shakin' und Twerkin' war es für die Massen wohl doch zu sperrig. Da brauchte es dann erst eine Umbesetzung und das sehr lauschige (und trotzdem schöne) Get Free, bis sich auch die BRAVO-Compilation traute Major Lazer unter die Menschen zu bringen.
Auch das ist nun schon gute zwei Jahre her und zwischendurch hat es eine ordentliche Trap-Welle gegeben, die doch auch den Mainstream hierzulande einigermaßen aufmischte. Gute Voraussetzungen für Diplo und Co.
Warum es tatsächlich Trap war, der sich im eher bräsigen Deutschland durchsetzen konnte, während es solche Dinge wie Dubstep oder Grime zuvor nie wirklich schafften ... ich schiebe das mal auf den größeren Einfluss der US-amerikanischen Pop-Kultur. Die Briten sind da immer etwas zu schnell, auch zu differenziert und kleinteilig. Nicht umsonst gibt es dort vermutlich die lebendigste Independent-Szene der Welt, die alle acht Wochen einen neuen Star hervorbringt und zweimal im Jahr völlig neue musikalische Trends gebiert.
In den wesentlich größeren USA geht es etwas behäbiger zu. Ein Stil braucht erstmal enorm lange, bis er sich durchsetzt, aber wenn er dann da ist, dann gibt es kein Halten mehr. Und so hatte Trap in den vergangenen zwei Jahren ordentlich Rückendeckung durch Mega-Stars wie Katy Perry. Die lieferte mit Dark Horse gleich mal eine ihrer Singles der neuen Mode aus. Erfolgreich.
Diese Mainstream-Adaption war vielleicht so etwas wie die Krönung einer Entwicklung, die sich über mehrere Jahre hinzog. Ganz gut ablesbar an der Fast & Furious-Reihe. Seit 2001 erscheint in Abständen von zwei bis drei Jahren eine neue Folge und der Erfolg stieg, bis er mit den letzten drei Sequels den Höhepunkt erreichte. Die in den Filmen propagierte (Proleten)kultur schert sich um nichts mehr und bricht so ziemlich alle Tabus der Politischen Korrektheit. Allerdings weniger als ein politisches Statement oder direktes Aufbegehren, sondern eher aus einem naiven Trotz heraus. Leckt uns doch alle mal–wir machen sowieso was wir wollen.
Mit dieser Haltung und im Fahrwasser der Filme wurden vor allem in den letzten drei vier Jahren Rapper wie Kid Ink, Tyga und Wiz Khalifa zunehmend salonfähig. Die schreiben zwar die Geschichte der alten Gangsta-Haudegen weiter, aber sorgen sich insgesamt doch viel weniger um ihre Coolness und Außenwahrnehmung. Streetfight war gestern – heute ist eher entspanntes Kiffen.
Und noch einen wesentlichen Unterschied zum HipHop der Jahrtausendwende gibt es: Die neuen Stars sind ganz Kinder der 2000er und haben keine Angst mehr vor dem Elektro-Schredder. So gehören zum guten Ton in der Welt der schnellen Autos und leicht bekleideten Frauen auch Musiker wie Skrillex, DJ Mustard oder DJ Snake. Respektlos und im besten Fall auch ohne Angst vor Genregrenzen nehmen sie sich alles was ihnen unter die Finger kommt und zermüllern es hübsch in seine Einzelteile um es mit viel Krach wieder neu zusammenzukleben. Und diese neue Kombination ist eine wesentliche Grundlage für den Erfolg der zweiten Trap-Welle.
Der Mainstream-Erfolg von Trap hat logischerweise zur Folge, dass Diplo und DJ Snake schon eine ganze Reihe Mainstream-Produktionen auf ihrem Konto haben. DJ Snake startete dabei ein paar Jahre später ins große Business, weshalb er auch etwas schneller zu Popularität kam als sein Kollege Diplo. Was nun passiert, wenn sich zwei der tonangebenden Protagonisten der Szene zusammen ins Studio begeben, das lässt sich seit vergangenem Jahr erleben. Seit 2014 erscheinen DJ Snakes eigene Veröffentlichungen nämlcih auf Diplos Mad Decent-Label. Und offenbar haben die beiden auch gemeinsam im Studio ganz gehörig Spaß. Lean On ist das erste offizielle Ergebnis dieser Partnerschaft.
Nachdem das Video durch ist, dürfte klar sein, dass diese Kolaboration sich einen Dreck kümmert um Einordnungen und Klassifizierungen. Da ist der orientalisch-arabische Moombathon, den DJ Snake als Franzose mit multikulturellem Background gern bedient, genauso hervorgezerrt, wie die Ragga-Dancehall-Umgebung der Major Lazers, der Grafitti-Straßenstil hat hier ebenso Platz wie die Luxuspalast-Fantasie. Da treffen sich Europa (hier noch zu nennen die dänische Sängerin Mø) und Nordamerika genauso wie erste, zweite und dritte Welt, westliche Kleidung steht mitten in orientalischem Traditionalismus...
Wir befinden uns mitten im globalen Zitaten- und Kulturenmix des 21. Jahrhunderts. Ist das Weltmusik 3.0? Ist das der Partybeat des Südens? Auf jeden Fall ist es für mich der tonangebende Sound für das laufende Jahrzehnt. Vergesst alles andere!
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