Freitag, 24. April 2015

MADCON Ray Dalton: Don't Worry

Ein wenig verwundert bin ich schon darüber, wie viele Good Mood Songs uns doch in den letzten Monaten heimgesucht haben. Vergiß das Schlechte, das dir den Tag versaut, und freu' dich auf die unbeschwerte Nacht – das ist immer wieder die Botschaft. Angesichts der Zustände die uns global umgeben, könnte man das glatt als Durchhalteparolen wahrnehmen. Schau dich bloß nicht um, hör nicht so genau hin, der Spaß könnte sonst schnell ein Ende haben.

Nun gab und gibt es die hedonistischen Feiersongs zu jeder Zeit. Und Kriege, Auseinandersetzungen, menschliches Elend gab es auch jederzeit. Selbst in den allerschlimmsten und hoffnungslosesten Zeiten haben sich Menschen unterhalten und von den Grausamkeiten dieser Welt abgelenkt. Ein Urinstinkt also und nichts Schlimmes dabei. Warum aber ist dann trotzdem der eine Song für mich der richtige Spaß zur rechten Zeit, während der andere in seinem Zynismus unübertroffen scheint? – Was ist der Unterschied zwischen Can't Hold Us und Don't Worry?

Für beide Tracks hat Ray Dalton seine Stimme geliehen. In dem einen feiert er mit Macklemore & Ryan Lewis die Lust am eigenen Weg, an der Selbstverwirklichung trotz aller miesen Rahmenbedingungen, im anderen dagegen gibt es kein Davor und Danach, es geht um's gleichgeschaltete Draufmachen als gäb's kein Ende. Der eine Track feiert die Lust am Selbst und reißt dadurch automatisch mit, der andere versucht eine unendlich gelangweilte Gesellschaft mit viel Aufwand und Außerirdischen-Zauber aus ihrer Lethargie zu reißen. Der eine hat Spaß und weiß, dass dieses Feiern, so introvertiert und selbstvergessen es sein mag, auch eine politische Seite hat, der andere negiert alle gesellschaftlichen oder sozialen Zusammenhänge und spielt Kindergarten mit Ketchup und Konfetti.



Bei Don't Worry feiert sich also (erneut) eine europäisch-nordamerikanische Connection – das was auf TTIP- und CETA-Ebene noch scharf kritisiert wird, passiert im Kulturgeschäft schon lange. Und erfolgreich. Allerdings auch mit genau den Folgen, die beim Freihandels- bzw. Dienstleistungsabkommen befürchtet werden: ungemeine Einfältigkeit und vorhersehbar bins ins kleinste Detail. Da gibt es Vocoder-Einsatz, der seit mindestens fünf Jahren doch lieber nicht mehr genommen werden sollte, wenn es um coolen Sound geht. Da geht es im Eurovision-Stil nicht nur eingängig, sondern gleich auch noch Servicewellenkompatibel zu. Da wird getanzt was das Zeug hält, aber das reicht nicht, sondern es muss entweder gleich noch besonders albern oder mindestens aufreizend sexy sein. Eine spießige Gesellschaft wird hier aufgemischt – oder feiert sich selbst. Nun ja.

Irgendwie habe ich das Gefühl, dass MADCON eigentlich schon immer nichts anderes waren als die lustigen Klassenclowns. Sicher Don't Worry funktioniert vermutlich genauso wie Glow. Das hatte aber wenigstens noch den FlashMob-Effekt, also den Link zu einer Aktion, die vielleicht etwas dämlich war, aber dann doch genügend Kraft entwickelte um einige Tausend mitzureißen und für einen winzigen Moment ein Gemeinschaftsgefühl herzustellen.
Bei Don't Worry weiß ich nicht, was das Verbindende sein soll, außer dass der Song niemandem weh tut und deshalb vermurtlich bei allen Radiostationen hoch und runter laufen kann.

Da wär ich dann bei der Quintessenz angekommen: Don't Worry ist so langweilig, weil es erstmal schier gar keinen Eindruck hinterlässt. Erst nach pausenloser Dauerbeschallung sitzt es im Kopf (hat der Selbsttest bestätigt) – wirklich cool ist der Song aber trotzdem nicht. Zum Beispiel auch, weil jeder andere Retortenact den Titel mindestens genauso hätte aufnehmen können. Mit einem identischen Ergebnis.

Um nochmal ins Detail zu gehen: die Bläser bei Don't Worry sind so schön brav hookline-mäßig eingesetzt, das hätten Chicago in ihrer Endphase nicht anders gemacht. Ein Poptrack, der ein bisschen auf Discofunk macht. In den 70ern etabliert – noch heute gültig. Und bloß keine eigene, songtragende Funktion für irgendeines der Instrumente – das wäre dann doch zu viel Funk.

Bei Can't Hold Us fetzen die Bläser dagegen einfach rein in den Song – ich hab' das Gefühl, diese Instrumente hab' ich noch nie so gehört: choral-orchestral und trotzdem disco. Ein Gestaltungsmittel, gleichberechtigt eingesetzt zu Beat, Rhyme und gesungenem Refrain. Schade, dass sich MADCON das nicht trauen.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen