Freitag, 1. Mai 2015

Felix Jaehn Feat. Jasmine Thompson:
Ain't Nobody (Loves Me Better)

Ist das die neue Generation von Pop-Produzenten? Werden uns Felix Jaehn und vielleicht auch Jasmine Thompson in den kommenden Jahren begleiten?

Ein bisschen fühlt es sich so an, wenn man Ain't Nobody (Loves Me Better) hört. Das ist so schön unbeschwert, sorglos und irgendwie auch romantisch. Das ist perfekter Pop: Erzählt mir eine Geschichte, ein bisschen verträumt, mit einer Leichtigkeit als gäbe es nichts Böses auf dieser Welt. Aber so einfach ist es ja dann doch nicht. Die Liebe zu finden ist durchaus kompliziert.

Im Video dauert es tatsächlich ganze vier Minuten bis er, Skateboard fahrend und ziemlich cool, sie, Balletttänzerin mit ganz viel Sehnsucht, auf einer Dachgartenparty in seine Arme nimmt.

Ein hübsches Märchen. – Und auch ein bisschen erschreckend wie normal und alltäglich. Das muss ja gar nicht schlimm sein, aber es tut spätestens dann weh, wenn ich auf die ältesten Rollenklischees stoße. Wollen junge Frauen 2015 immer noch vor allem Ballett-Tänzerin und Prima Ballerina werden? Das ist ja eher noch schlimmer und strikter als Supermodell. – Und als Ausgleich für ihr eigentlich unerträglich geschundenes und durchgeplantes Leben sehnen sie sich nach dem ungezügelten und freien Jungen von der Straße, dessen ganzes Glück das Skateboard ist.

Die Jugend von 2015 präsentiert sich so angepasst wie selten zuvor. Sie leben die Träume ihrer Großeltern und fühlen sich dabei individuell, selbstentfaltet und wahrscheinlich sogar glücklich.
Wie spannend wäre es gewesen, die Geschichte genau rollenvertauscht zu erzählen? Oder einfach so, dass sie die Initiative ergreift und den Jungen ganz offensiv von seinem Skateboard schmeißt. Und warum muss es der Dachgarten als Partyort sein, statt der Küche im Wohnblock?

Wir befinden uns hier ganz ausdrücklich in einer gut situierten und finanziell nicht schlecht ausgestatteten Gesellschaft. Zu der es auch gehört, dass nicht zu viele der althergebrachten Werte und Rollen befragt werden. Das macht die Geschichte dann doch ein bisschen langweilig. Auch wenn die Protagonisten allesamt nicht zu glattgebürstet hübsch aussehen und im Großen und Ganzen recht authentisch daher kommen. Ich nehme Ihnen Ihre Unbeschwertheit tatsächlich ab.
Und fast möchte ich ein bisschen neidisch auf sie schauen, dass ihnen das bisschen Selbstbezogenheit wirklich reicht zum glücklich sein.

Ähnlich geht es mir mit der Produktion des Titels. Die Komposition ist erwiesenermaßen großartig. So viele verschiedene Interpret*innen haben sich daran versucht und den Song in den vergangenen 30 Jahren immer wieder zu Gehör gebracht. Darunter Versionen mit recht freier und eigenwilliger Herangehensweise. LL Cool Jay gehört ebenso zu den Interpreten wie Knorkator oder die Hermes House Band. Nicht alle Varianten sind immer auch gelungen – so manch eine, wie etwa die von Scooter, vergisst man lieber sofort wieder.

Mit der aktuellen Produktion gesellt sich eine entspannte Deep House-Version in den bunten Stil-Reigen. Im Vergleich zum doch recht synthetisch klingenden Original von 1983 besticht die Version 2015 durch eine künstliche Natürlichkeit, der ich gar nicht so direkt anhöre, dass sie aus dem Computer kommt. Das ist nahezu organisch, kein bisschen ausgedacht oder aufgezwungen. Leider dadurch auch um Einiges weniger mitreißend. Da wo vor 30 Jahren noch der Funk herrschte, gilt heute das eher zurückhaltende Mitwippen. Das ist durchaus auch eine ungewöhnliche Entscheidung, wo doch gerade Funk eine Renaissance erlebt (hat).

Die Mittelstandsjugend von heute übt sich eher in Zurückhaltung als in wilder körperlicher Exstase. In Zeiten von Neokonservatismus und Normcore keine Überraschung. Ungewöhnlich ist da eher mit welcher Selbstverständlichkeit Normalität inszeniert wird. Da gibt es keine Sekunde lang einen Zweifel an der Richtigkeit und irgendwie auch Zwangsläufigkeit des eigenen Tuns. So wie Felix Jaehn die Soundsamples aneinanderreiht komme ich gar nicht auf die Idee, dass es noch andere Möglichkeiten gäbe. Das spricht dafür, dass wir hier einen kleinen Blick auf etwas haben, das man aktuelles Lebensgefühl nennen könnte.

Wie lange dieses gültig ist und für eine große Menge stimmt, ist nicht absehbar. In der Dauerbeschallungsschleife erreicht Ain't Nobody (Loves Me Better) jedenfalls dann doch auch einen gewissen Langweiligkeitsfaktor. Vielleicht sind die beiden dann doch nur die Stars von 2015 und in einem Jahr feiern wir schon wieder andere Held*innen.


Zum Vergleich an dieser Stelle auch das Original von Rufus & Chaka Khan aus dem Jahr 1983 (in dieser Version übrigens nie zu einem Charthit in Deutschland geworden)


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