Es findet gerade ein Wettrennen statt: Wer ist wohl der erfolgreichere Deep House DJ aus Deutschland?
Und dieser Wettkampf tut den beiden beteiligten Protagonisten richtig gut. Als alleiniger Shootingstar und Platzhirsch verließ sich Robin Schulz im letzten Jahr nämlich doch allzu oft auf bekannte Rezepte und immer das Gleiche. Seitdem aber spätestens zu Beginn diesen Jahres der Hamburger Felix Jaehn sehr erfolgreich, aber um Längen abwechslungsreicher, ebenfalls die populären Deep House Gewässer abzufischen begann, war es mit dem unangefochtenen Platz an der Sonne vorbei.
Ob es nun tatsächlich an der Konkurrenz direkt vor der Haustür liegt oder auch an den neuen Möglichkeiten für globale Kooperationen nach den ersten großen Hits, das was Robin Schulz mit Headlights vorlegt, das ist ernsthaft eine Überraschung. Klar bedient es nach wie vor den sehr beliebten Lounge-Sound, aber es verzichtet beispielsweise nahezu komplett auf das gern genutzte Instrumentalsample, das bislang als Wiedererkennungsmelodie herhalten musste. Kein Saxophon, kein permanent dudelndes Gitarrenfragment – ein paar sanfte Streicher im Hintergrund, die mich ein wenig an Bittersweet Symphony von The Verve erinnern, aber wirklich nur als vage Ahnung. Ein paar Pianotöne. Und vor allem eine Stimme, die wunderbar kratzig und prägnant lebensnah klingt. Keine glattgebügelte Schönheit, keine hübsche, spiegelblanke Oberfläche, keine völlige Melancholie-Sauce. Hier darf es endlich auch mal ein wenig knarzen, hier darf auch mal was im Unklaren bleiben.
Ich habe das Gefühl, dass Sängerin Ilsey Juber ganz wesentlich für diesen Einfluss zuständig ist. Als Komponistin ist sie seit knapp einem Jahr unterwegs, war an Pitbull's Fireball beteiligt – auch das ein Song, der zwar immer noch sehr typisch Pitbull war, aber mit TexMex-Sound eine hübsche ungewohnte Note hinzufügte. Ebenso schrieb sie für JLO und Mariah Carey – aber am überzeugendsten find ich dann doch, wenn sie selbst das Mikro in die Hand nimmt. Zum Beispiel in der Kolaboration mit Paris Blohm: Ein irgendwie arg kindlich-naives Stimmchen, das ich erstmal gar nicht ernst nehme, das sich dann aber zu einer ordentlichen Euphorie steigert und im überdrehten Elektrosound zum wunderbaren Sample wird.
Ähnlich funktioniert Headlights: Zunächst redet mir diese Stimme gut zu – ich weiß wie du drauf bist, ich kenne deine Sehnsüchte, alles klar – und dann kommt der leicht verruchte Moment – aber jetzt versuch' mal mit mir mitzuhalten, schaffst du das? im verschwimmenden Gebiet von Wachheit und Trance? – und schließlich hängt diese Stimme sogar noch einen Jubelgesang dran, der aber nicht einfach nur fröhlich und glücklich ist, sondern genauso auch unwirklich und unerreichbar. So schwingt Headlights also verführerisch zwischen dem Gewohnten und einer phantastischen Einbildung.
Das Video nimmt genau dieses Spiel auf. Wir befinden uns in einem Freibad voller Menschen, die dem nachgehen, was man so in einem Schwimmbad machen kann: Wasserspringen, Sonnenbaden, Verliebt sein, unter der Dusche stehen, Wassergymnastik. Alles völlig bekannte Szenen. Die skurril und überzeichnet werden, weil nirgends Wasser zu sehen ist. Maximal Sand kommt aus der Brause. Die Sonnenbräune ist so unecht, dass die beiden alten Ladies locker als geifernde Hexen durchgehen. Und zwischen diesem Panoptikum an Freaks versuchen zwei junge Menschen einen ersten zaghaften Kuss.
In dieser Kombination kann ich all die Hippie-Hipster-Deep-House-Zeichen gut ertragen. Die romantische Weltvergessenheit und die in sich gekehrte, melancholische Selbstgenügsamkeit im gleißenden Gegenlicht steht hier höchstens als ein möglicher Umgang mit der durchaus schrägen Welt. Und zeigt mir gleichzeitig, dass dadurch die Welt nicht wirklich schöner wird. Höchstens erträglicher. Oder auch lustiger. Und darum vielleicht doch auch ein wenig lebenswerter.
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