Freitag, 29. Mai 2015

Måns Zelmerlöw: Heroes

Und da ist er nun, der aktuelle Eurovision-Gewinner: Måns Zelmerlöw. Bereits im Vorfeld war er einer der Favoriten und mal ehrlich, eine Produktion, die sich so offensichtlich an den erfolgreichen Rezepten von AVICII und David Guetta bedient, wie soll die eigentlich nicht gewinnen? Spannend war die Abstimmung dann trotzdem – vorausgesetzt man kann sich auf das Spektakel und Theater einlassen und betrachtet das Ganze nicht ohnehin zynisch abgeklärt wie der deutsche Langzeit-Kommentator Peter Urban. Der weiß vor jedem Auftritt schon wie Scheiße das jetzt gleich wird (und eigentlich ist aus seiner Sicht fast alles Mist), da kann man sich das Abstimmen auch sparen.

Interessanterweise ist genau das, der Unterschied zwischen der Meinung der "Experten" und der Zuschauenden, in diesem Jahr ernsthaft entscheidend gewesen. Denn der ordentlich am Massengeschmack entlang produzierte Siegertitel Heroes ist keineswegs durch das Televoting der Gewinner geworden . Nein nein, hier hat das Jury-Urteil ordentlich nachgeholfen. Laut Abstimmung per Telefon wären eher die Italiener Il Volo oder vielleicht auch die Russin Polina Gagarina ganz vorn gelandet. Måns Zelmerlöw rangiert da gerade mal auf Rang drei. Offenbar haben die Menschen mittlerweile doch nicht immer nur auf das Gleiche und die Wiederholung Lust. Die Fachmenschen dagegen schon.

Was hat denn nun die Jury bewogen, Heroes so uneingeschränkt zu lieben? Countrygitarre gekoppelt mit Eurodance-Sound und emotionalem Refrain? Wie gesagt, alles schon da gewesen, alles schon Erfolg gehabt. Und trotzdem besser?

Für mich war und ist es wesentlich auch die Live-Inszenierung, die Titel und Sänger hilft, im Gedächtnis zu bleiben und letztlich auch zu überzeugen. Das Spiel zwischen Lichtprojektion, Musik und Mensch auf der Bühne war zumindest auf dem Fernsehschirm auch beim dritten Mal noch umwerfend. In der Halle bei vollem Druck des Sounds und überbordendem Scheinwerfereinsatz wahrscheinlich noch viel mehr. Da konnten nicht viele andere Kandidaten mithalten: Aminata aus Lettland oder Loic Nottet aus Belgien vielleicht. Und eventuell auch John Karayiannis aus Zypern durch den totalen Verzicht auf alles.



Beim Song Contest geht es wohl oder übel schon lange nicht mehr nur um gute Songs. Meine Mutter findet das jedes Jahr wieder total blöd. Aber sie hat sich von Popmusik schon vor gefühlten 50 Jahren verabschiedet. Ihr Pop ist der Dudelfunk der Klassik-Wellen. Und selbst in dem Bereich geht es mehr und mehr um Inszenierung und Vermarktung.

Ich weiß nun nicht genau, ob die Wiedereinführung der Juries vor ein paar Jahren auch damit zu tun hatte, dass man von der Bewertung der Äußerlichkeiten wieder etwas weg wollte. Song Contest ganz traditionell als Wettbewerb des Liedes. Es würde mich zumindest nicht wundern, wenn es so gewesen wäre. Angesichts der Ausgabe 2015 könnte man allerdings bestreiten, dass jetzt vor allem die musikalische Qualität ausschlaggebend gewesen wäre.

Genaugenommen ist diese Diskussion ohnehin Schnee von vorvorgestern. Pop wirkt und funktioniert immer mit allen Sinnen, auf allen Kanälen, in jedem Medium. Nochmal so richtig aufgeschrieben und festgelegt hat das Diedrich Diedrichsen vor einszweidrei Jahren in seinem Popmusik-Buch. Insofern ist die Konzentration bei der Bewertung und Einordnung auf einen Aspekt meist sehr sehr zu kurz gegriffen. (Da kann Peter Urban dann 1000x über die mangelhaften sängerischen Leistungen lästern, damit beweist er maximal, dass er eben nicht begriffen hat, worum es bei der Eurovision-Party geht. Definitiv nicht um guten Gesang.) Und da hat Heroes eben tatsächlich einiges mehr zu bieten, als eine eingängige Melodie. Nämlich eine perfekte Inszenierung, einen unglaublich smarten Helden und eine sehr universelle Botschaft: Warte nicht auf den Helden, der dich rettet. Geh' raus und mach' selbst was aus deinem Leben. Egal ob du schlechte Zeiten erlebt hast und egal was dich für Sorgen plagen.

Konsequenterweise ruft Måns Zelmerlöw nach seinem Sieg auch allen zu: Ihr seid die Helden, egal wen ihr liebt und wie ihr lebt. Kann ein Eurovision-Sieger eine bessere Botschaft haben?

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