Samstag, 27. Juni 2015

FEDER Ft. LYSE: Goodbye

Ich hätte nicht geglaubt, dass mich ein Deep House Track wirklich derartig umhauen könnte. Frustriert von dem belanglosen und kindergarteninspirierten Kram französischer Jung-DJs war ich vor gut einem Jahr komplett auf Anti gebürstet und bekam regelmäßig das Kotzen beim nächsten neuen Act. Und dann kam The Avener, der mich mit seinem Remix von Phoebe Killdeers Fade Out Lines ziemlich überzeugte. Und seit einigen Wochen gehört FEDER zu meinen absoluten Lieblingen.

Goodbye ist für meine Begriffe derartig cool – wann gab es das denn das letzte Mal? Ich meine cool im Sinne von faszinierend, überwältigend und doch wirr genug, dass es einen lasziven Abstand behält. Ich versuche permanent in diesen Song reinzukriechen und bleibe bei aller Hingabe doch fast immer draußen, rutsche ab an der abweisenden Oberfläche und Kälte. Nur in Trance und Besinnungslosigkeit bin ich mal kurz Teil des Ganzen – genauso schnell aber wieder draußen.

Das liegt vermutlich an der insgesamt eher schroffen Kombination gezupfte Sitarh-Hookline plus E-Gitarren-Tonfolge. Die beiden im Zusammenspiel sind so verquer, da sehe ich mich sofort in einem Film von Ryan Gosling. Das ist alles real, handgemacht, aber so schräg und grausam, dass es eigentlich nicht wahr sein kann. Vielleicht ein wirrer Traum.

Hadrien Federiconi aka FEDER hat genau diesen Zugriff und schafft es deshalb mich zu verführen. Das was er hier und in anderen Produktionen zelebriert (zum Beispiel >Lordly) ist Deep House für Erwachsene: Kein ironisch verspielter Zirkus, keine jugendlich verirrte Romantik sondern knallharter Clubsound aus dem prallen Leben gegriffen, mit allen Ecken und Kanten.

Und so ist auch das Video. Verstörend, unscharf, aber genau die Situationen zeigend, die ich kenne. So sieht Verletztheit aus. Oder Verzweiflung, Schmerz. Das ist manchmal nahe am Wahnsinn. Und obwohl ich das alles wiedererkenne erklärt es mir doch nichts, weil es sich so direkt in die Gefühlswelt hinein begibt.



Krass an Goodbye finde ich die Erfolgsgeschichte. Diese irre Trennungsstory hat nicht ihren Weg über einen coolen Soundtrack gefunden, sondern über die Dancefloors und Clubs der Türkei, Bulgariens und Rumäniens. Erst danach kam auch der Erfolg in Frankreich. Und in dem Moment, da ich das lese, denke ich: Wundert mich gar nicht. Bei aller Coolness und Abgedrehtheit ist der Track auch cheesy genug um mich im billigsten Unterhaltungswahn zu erwischen. In Gesellschaften, in denen es nicht so schön satt und prall gefüttert zugeht wie in Deutschland, funktioniert das Spiel mit den krassen Schrägheiten nochmal ganz anders. (Club)Musik ist nicht einfach nur ein Konsumgut sondern ernsthaft eine Sphäre, in der ich mich ausleben kann, eine Parallelrealität. Da darf es dann eben auch schon mal etwas existenzieller zur Sache gehen.

Dass der Song dann doch auch in Deutschland funktioniert, gefällt mir gut. Es ist hier vielleicht doch noch nicht alles nur glatt und abgeklärt. Wenn es nach mir ginge, wäre Goodbye der Song, der uns durch diesen Sommer begleitet. Konkurrenzlos.

Samstag, 20. Juni 2015

Anna Naklab feat. Alle Farben & YouNotUs:
supergirl

Da wird in Irland über die Öffnung der Ehe für Homosexuelle positiv abgestimmt und schon ist das Thema in allen Medien. Und den Soundtrack dazu liefert die deutsche Sängerin Anna Naklab. Mit ihrem Cover des Reamonn-Hits Supergirl aus dem Jahr 2000 hat sie einen Track aufgenommen, der zur Hymne der kommenden CSD-Paraden werden könnte. Denn anders als die meisten Interpret*innen, die fremde Hits nochmal aufnehmen, ändert sie nicht das Geschlecht der besungenen Person, sondern lässt alles so wie es Rea Garvey schon im Original gesungen hat. Und himmelt also ihr Supergirl an, das irre Dinge tut, lacht, weint und das Leben in vollen Zügen genießt.

Das Video zu der Neuaufnahme bebildert diese Geschichte genau so. Und fast könnt ich glauben: Alles in Ordnung in Deutschland, wo der Titel sich tatsächlich ganz oben in den Hitparaden platziert. Gleichgeschlechtliche Geschichten sind derartig Mainstream geworden und in der Mitte aller Medien angekommen – worüber wird da eigentlich in der Politik noch gestritten?



Paul Schulz kommt bei der der Beobachtung von Fernsehserien im Sissy-Magazin gerade zu einem ähnlichen Ergebnis und ruft schonmal das "Golden Age of Queer Television" aus. Passiert im Musikvideo genau dasselbe? Take Me To Church von Hozier, insgesamt zwar eher unangenehm, aber zumindest das Video zu Auf uns von Andreas Bourani mit gleichgeschlechtlichem Paar, und natürlich Addicted To You von AVICII – das sind die Beispiele aus den letzten 12 bis 15 Monaten, die es mit homosexuellen Bildern zu Konsens-Hits geschafft haben. Eine ordentlich Ausbeute, die vor 10 Jahren noch ganz anders ausgesehen hätte.

Anders als im TV vermisse ich bei den Musikvideos allerdings die Normalität. Gerade mal Kim Frank (Video zu Auf uns) oder auch Kraftclub schaffen es, zwei sich küssende Jungs zu zeigen ohne großes Drama. Bei Take Me To Church wird noch gegen Homophobie gekämpft (oder zumindest eine Haltung dazu gesucht) und bei Addicted To You wie auch bei Supergirl kommen ganz schön platte Klischees der lesbischen Beziehung zum Tragen:

Wenn sich zwei Frauen lieben, dann müssen das schon Supergirls sein, die ihr Leben ganz allein meistern. Autos reparieren? Kein Problem. Die große Freiheit auf dem Highway durch die Wüste spüren? Yeah! Tankstelle oder Bank überfallen um an Kohle ranzukommen? Na klar! – So sehr ich diese Besetzung ehemals männlicher Domänen durch Frauen mag und großartig finde, in der Version Thelma & Louise hat mir das wesentlich besser gefallen. Wenn das Ganze zusätzlich mit einer Outing-Geschichte vermischt wird … naja, das hat durchaus auch einen nicht ganz so klasse Beigeschmack. Denn was hier erzählt wird ist ja auch: Frau, gerade noch mit einem Typen zusammen, findet in einer anderen Frau endlich das, was sie gesucht hat, traut sich in dieser neuen Konstellation alles und erkennt plötzlich keine moralischen oder ethischen Werte mehr an. Die große, freie Liebe führt sie direkt hinein ins Verbrecherinnenleben. Lesbisch sein ist eben nichts Normales.

Das erzählt uns das Video von Supergirl also auch. Zumal es am Ende der verlassene Typ ist, der die Frau wieder zur Vernunft bringt und (vielleicht) von einer total bescheuerten Tat abhält. Da bereut sie es ja fast schon ein bisschen, dass sie sich wirklich mit einer anderen Frau eingelassen hat, nur wegen eines kleinen Streits...

Mit den wirklich emanzipierten nicht-heterosexuellen Geschichten ist es dann doch noch nicht ganz so einfach.

Man muss die Version von Anna Naklab deshalb nicht grundlegend blöd finden. Immerhin hat sie mit dem DJ Alle Farben und einem Projekt namens YouNotUs den Reamonn-Song tatsächlich auf den Stand von 2015 gebracht. Flockiger Deep-House-Sound statt handgemachter Pop-Rock – Synthesizer und Gitarren-Sample statt echte E-Gitarre und Schlagzeug. In den letzten 15 Jahren hat sich mit den Verteilungswegen von Musik auch der Sound grundlegend gewandelt. Seit die großen Musikfirmen nicht mehr komplett bestimmen können, welche Art von Sound zum Hit wird, hat es die rockorientierte Produktion schwer. Selbst Coldplay lassen sich sicherheitshalber mal von Tim Bergling produzieren.

Mit dem Sound wechselt auch die Stimmung des Liedes. War es bei Reamonn eine irgendwie traurige bis verzweifelte Geschichte: Was soll der Kerl mit der Gitarre mit so einer Frau anfangen, die selbstbestimmt ihr Leben lebt, da fehlt ihm ja völlig die Rolle? – so ist es nun bei Anna Naklab eher eine verträumte und hoffnungsvolle Ode: Supergirls können alles schaffen und wenn man dann einem nahe kommt, dann springt eine Menge von dieser Kraft und diesem Vermögen über.

Das find ich eine gar nicht so verkehrte Botschaft für das Jahr 2015. Jetzt wär es halt nur noch schön, wenn sich auch die Kerle über starke Superfrauen freuen könnten und sich von denen mitreißen lassen würden.

Samstag, 13. Juni 2015

Gestört aber geil & Koby Funk Feat. Wincent Weiss:
Unter Meiner Haut

Wenn ein Sound so richtig populär wird, dann passiert es unweigerlich, dass mit der massenhaften Verbreitung auch eine ordentliche Verflachung und Vereinheitlichung zum Schlagerbrei passiert. Wenn es sich dabei um elektronischen Sound handelt, dann kommt zu dieser Tendenz noch hinzu, dass aus den Kinderzimmern jedes Dorfes neue Tracks in die Welt geworfen werden. Zur einfältigen Herangehensweise gesellt sich dann oft auch noch handwerkliches Laientum.

Bei Deep House war der Verflachungsgrad zu Beginn seiner kommerziellen Popularisierung vor zweidrei Jahren schon ordentlich weit fortgeschritten. Natürlich war dieser Sound immer schon anfällig für solche Tendenzen, denn erklärtermaßen hatte Deep House nie etwas anderes im Sinn als leichte Unterhaltung zu sein. Schlimm wurde das Ganze, als sich zu der Suche nach besonders lauschigen Sound- und Rhythmusstrukturen eine Welthaltung gesellte, die nur noch auf sich selbst bezogen blieb und alles andere rundherum für völlig egal und irrelevant erklärte. Der Riesenerfolg von Klingande stellt hier eine deutliche Marke dar. Irgendwie auch einen Tiefpunkt der Weltabgewandtheit und des Selbstvergessens. Danach waren den furchtbaren Selbstmitleids- und Kindergartenspaß-Hymnen alle Wege geebnet und ich hatte den Eindruck, hier läuft grad der Wettbewerb: Wer kann es noch schlimmer.

Die deutsche (und zu Großen Teilen auch kontinentaleuropäische) Mehrheitsgesellschaft konnte mit dem Sound und der Verweigerung jeglicher Bezüge zum realen Leben sehr viel anfangen. Endlich nicht mehr Probleme wälzen, endlich den Alltagsballast, die Zwänge vergessen und abwerfen, nur noch selbstvergessen in kleiner überschaubarer Gemeinschaft feiern feiern feiern (oder wahlweise auch abhängen und chillen). Mit diesem Desinteresse an allem wird das Leben tatsächlich einfacher, das Glück liegt einem in der Hand und scheinbar nichts kann einen mehr beunruhigen. Außer die doofen Eltern und die Ständig-Engagierten, diejenigen die so negativ drauf sind.

Nun ist Glück etwas, dass jede*r anstrebt und haben will. Wenigstens ein bisschen. Es ist auch akzeptabel, dass es da verschiedene Versionen von Glück gibt: Was die einen in den siebten Himmel hebt, lässt die anderen kotzen. Und genau hier wird das Lebensmodell Deep House problematisch. Wenn neben mir im Club der Nazi oder der Rassist oder der Homphobe genauso Spaß haben kann wie ich und ich das einfach hinnehme (weil ich es nicht weiß und mich das auch nicht interessiert), dann kann es mit dem Glück auch ganz schnell vorbei sein. Wenn der nämlich plötzlich schlecht drauf ist und findet dass im Ausland produzierte Musik nicht in deutsche Clubs gehört und die deutsche Tanzveranstaltung bitte den Weißen vorbehalten bleiben soll und Männer die miteinander rummachen, womöglich noch auf der Tanzfläche, das geht ja gar nicht, dann könnte es sein, dass ich auf einmal eine ganze Menge aufgeben muss. Und dann sind wir möglicherweise ganz schnell wieder bei nur noch Marschmusik.

Ich höre dauernd die Ausrede von Leuten: Ich bin weder rechts noch links – ich bin unpolitisch. Leider kommt mir genau bei diesem Satz genauso regelmäßig das Kotzen, denn das, was da als Unpolitisch und Verweigerung beschrieben wird ist genau das Gegenteil. Es macht nämlich erst möglich, dass "die da oben" machen können, was sie wollen, dass Industriekonzerne und Bankeninteressen unser Leben bestimmen, dass wir verseuchtes Gen-Food essen und nicht nur Plastikbestandteile sondern auch Pestizidreste in unserem Blut haben, die Allergien auslösen oder unser Hormone durcheinander bringen...

Noch einmal: Es darf und soll jede*r selbst entscheiden, ob und wieviel er/sie sich mit Alltag/Gesellschaft/Politik beschäftigt. Selbst der Ausstieg und die Flucht in die Parallelwelt ist legitim – aber bitte: Jammert nicht, wenn dann alles hier den Bach runtergegangen ist, sagt nicht, ihr hättet das alles nicht gewusst. Wir alle sind schuld, wenn es mit dem Leben auf dieser Erde nichts wird.

Solche Gedanken sind mir durch den Kopf gegangen, als ich den Remix des DJ-Duos Gestört aber geil von Unter meiner Haut das erste Mal hörte. Da sind also diese beiden Jungs aus Sangerhausen, die nichts anderes als Musik machen wollen. Das machen sie nicht mal schlecht. Wie oben beschrieben gibt es eine ganze Menge wesentlich schlimmerer und wirklich unerträglicher Produktionen. Dagegen ist das, was die beiden abliefern sogar richtig gut. Oder eigentlich verstehen sie sich wahrscheinlich auch viel mehr als die DJs, die mit ihrem Set schöne Stimmungen aufbauen können und den Leuten im rechten Moment ordentlich anheizen.

Trotzdem fühle ich mich auf solchen Veranstaltungen zunehmend unwohler. Weil ich eben auch immer mehr hirnverbrannte Partygänger erlebe, die sich wunderbar abschießen um dann danach Häuser anzuzünden, Menschen verprügeln, irgendwas zerschlagen oder Zeug klauen. Ich habe keinen Bock auf solche kaputten Typen, die meist auch im Club schon reichlich aggro und para drauf sind. Und ich finde, das auch die Veranstalter und eben auch DJs hier eine gewisse Verantwortung haben. Einfach zu sagen: Ich kann nicht beeinflussen, wer da in den Club kommt. Das ist mir zu wenig.

Auch als DJ und Produzent kann man Menschen beeinflussen. Zum Beispiel bei der Wahl der Songs, die ich für einen Remix auswähle. Da finde ich Unter meiner Haut schon eher eine mutige Wahl. Im Original von Popstar-Kandidatin Elif (Demirezer) eine beinahe fürchterlich pathetische Nummer. Die Angst vor Trennung und Verlust wird hier zugekippt mit einer unsäglichen Kinoleinwandstreichersauce und ein bisschen Trommeln. Und Elif selbst zelebriert mit ihrer Stimme vor allem fehlerfrei vorgetragenen Gesang, der erst ganz am Ende so etwas wie Verzweiflung oder Leben zulässt. Schwierige Mischung.



Gestört aber Geil sind dann auch nicht über das Original gestolpert, sondern über die Bootleg-Variante von Koby Funk und Wincent Weiss. Auch wenn ich mit dem Sänger und seiner seltsam melancholischen und jammerigen Art genügend Schwierigkeiten hab, hier höre ich zumindest, dass es ihm um etwas geht. Hier höre ich die Angst und Verzweiflung, die der Text beschreibt, auch in der Stimme.



So heult sich der Junge Wincent Weiss also durch seine Unfähigkeit, die richtige Entscheidung zu treffen, und das DJ-Duo macht daraus einen hübschen flockigen Hit. Das ist ordentlich vielschichtig: Es feiert den Moment, die Hoffnung, es huldigt dem Gefühl, dass es nur wenig braucht zum Glück, und es verharmlost den Schmerz auch, denn so lange wir auf der Tanzfläche unser Selbst finden brauchen wir keine Angst haben vor Verlust, zumal wir alle doch reichlich abgesichert sind.

Auch wenn Unter meiner Haut definitiv nicht meinen Geschmack trifft, es beschreibt sehr schön den aktuellen Zustand vieler junger Menschen von heute: Glücksversessen, unschlüssig, ein bisschen angstvoll, aber eigentlich ohne Gefahr völlig aus der Gesellschaft rauszufallen und trotz aller Feierlaune immer auch ordentlich passiv abwartend.

Sonntag, 7. Juni 2015

KYGO Feat. Parson James: Stole The Show

Die Deep House Acts, die nicht aus Deutschland kommen, haben es irgendwie schwer sich tatsächlich hierzulande zu etablieren. Ob nun The Avener oder Klingande oder Faul & Wad Ad oder gar Klangkarussell – so richtig wurde es nach ihren einmaligen Riesenerfolgen nichts mehr mit eingängen Sounds und Melodien. Ein wenig Aufmerksamkeit von den ganz fanatischen Lounge-Abhängern und das war's.

Mit dem Norweger KYGO scheint es tatsächlich etwas anders zu laufen. Gerade noch war er mit Firestone einer derjenigen, die die kalten Wintertage vergessen ließen, schon legt er nach mit beinahe identischem Konzept und schafft es doch wieder sich ganz vorn in die Gunst der Musikkaufenden zu bringen.

Stole The Show heißt das aktuelle Werk, das derzeit aus doch recht vielen Lautsprecherboxen schallt. Und irgendwie ist es auch eine clevere Mischung aus dem musikalischen Einstieg in das Gewinnerlied des Eurovision Song Contests und dem Panflöten-Vorgänger von KYGO selbst. Bedeutet positiv ausgedrückt: Der Produzent bleibt sich treu. Mit böser Zunge könnt ich auch schreiben: Dem fällt grad nichts Neues ein.

Ja - diesen Eindruck werde ich nicht los. Zumal ich den Einsatz von Panflötenklängen beim ersten Mal zwar noch ungewöhnlich und anders empfand. Je mehr ich diesen jedoch ausgesetzt bin umso unangenehmer wird es. Der Klang liefert doch immer auch eine ganze Menge an Bedeutungen mit sich, die ich jetzt nicht so 100% im Jahr 2015 gut finden will: Die unberührte, ursprüngliche Natürlichkeit des Klangs, irgendwie ja auch eine gewisse Sorglosigkeit und Naivität. Immerhin steht dieser Sound in totalem Kontrast zum Text. Da geht es um den Abschied, die Angst vor der Zeit nach dem Ruhm, dem Spaß. Das Ganze gepackt in einen Vergleich mit Theater oder Kino: Gerade war es alles noch Superheld und Glamour, aber jetzt ist der Punkt gekommen, wo die Zuschauer den Saal verlassen, die Masken fallen und die kalte Wirklichkeit sich zeigt, die alles andere als glamourös ist.

Auch eine recht fatalistische Weltsicht, die sich hier eröffnet. Genieße diesen letzten Moment des Erfolgs, des Glanzes – immerhin: Für dieses eine Mal haben wir es gerockt.

Wie schon am Anfang beschrieben, KYGO scheint es ja mehr als einmal hinzukriegen, insofern ist diese Geschichte alles andere als autobiographisch. Jetzt können sich all die Superstars von heute also ganz fix mal einen Rat bei dem DJ und Produzenten abholen, wie man das so macht, mit dem Ruhm umgehen ohne zu sehr darauf zu vertrauen. Vielleicht ist es genau diese Herangehensweise, diese irgendwie auch demütige Art, die das Überleben im Pop-Geschäft ermöglicht. Nichts und niemand kann den Erfolg garantieren, nach jedem Auftritt im gleißenden Scheinwerferlicht beginnt es wieder bei 0. Wer kümmert sich schon um die Hits von gestern?

Das alles aufs Leben bezogen könnte einem ganz schön Angst machen. Oder auch verdeutlichen, das Erfolg und Ruhm nur Momente sind, die sicher schön und erstrebenswert scheinen, aber alles andere als der einzige Sinn des Daseins sind. Eine Art Hinweis auf die Normalität und Banalität des Alltags. Und das ist dann vielleicht auch der Punkt, an dem die arglos naiven Panflöten eine komplett andere Form von Glück versinnbildlichen. Ergib dich in die Situation, in die du gerade hineingeworfen wurdest. Woanders ist auch doof.

Für mich keine Option, die ich in Betracht ziehen möchte – ein Leben ohne den ganzen Folklore-Kram von "So war das schon immer und so wird es immer sein" gefällt mir eindeutig besser. Aber das dürfen natürlich alle selbst entscheiden, in welchem Kontext sie sich wohler fühlen.