Ich hätte nicht geglaubt, dass mich ein Deep House Track wirklich derartig umhauen könnte. Frustriert von dem belanglosen und kindergarteninspirierten Kram französischer Jung-DJs war ich vor gut einem Jahr komplett auf Anti gebürstet und bekam regelmäßig das Kotzen beim nächsten neuen Act. Und dann kam The Avener, der mich mit seinem Remix von Phoebe Killdeers Fade Out Lines ziemlich überzeugte. Und seit einigen Wochen gehört FEDER zu meinen absoluten Lieblingen.
Goodbye ist für meine Begriffe derartig cool – wann gab es das denn das letzte Mal? Ich meine cool im Sinne von faszinierend, überwältigend und doch wirr genug, dass es einen lasziven Abstand behält. Ich versuche permanent in diesen Song reinzukriechen und bleibe bei aller Hingabe doch fast immer draußen, rutsche ab an der abweisenden Oberfläche und Kälte. Nur in Trance und Besinnungslosigkeit bin ich mal kurz Teil des Ganzen – genauso schnell aber wieder draußen.
Das liegt vermutlich an der insgesamt eher schroffen Kombination gezupfte Sitarh-Hookline plus E-Gitarren-Tonfolge. Die beiden im Zusammenspiel sind so verquer, da sehe ich mich sofort in einem Film von Ryan Gosling. Das ist alles real, handgemacht, aber so schräg und grausam, dass es eigentlich nicht wahr sein kann. Vielleicht ein wirrer Traum.
Hadrien Federiconi aka FEDER hat genau diesen Zugriff und schafft es deshalb mich zu verführen. Das was er hier und in anderen Produktionen zelebriert (zum Beispiel >Lordly) ist Deep House für Erwachsene: Kein ironisch verspielter Zirkus, keine jugendlich verirrte Romantik sondern knallharter Clubsound aus dem prallen Leben gegriffen, mit allen Ecken und Kanten.
Und so ist auch das Video. Verstörend, unscharf, aber genau die Situationen zeigend, die ich kenne. So sieht Verletztheit aus. Oder Verzweiflung, Schmerz. Das ist manchmal nahe am Wahnsinn. Und obwohl ich das alles wiedererkenne erklärt es mir doch nichts, weil es sich so direkt in die Gefühlswelt hinein begibt.
Krass an Goodbye finde ich die Erfolgsgeschichte. Diese irre Trennungsstory hat nicht ihren Weg über einen coolen Soundtrack gefunden, sondern über die Dancefloors und Clubs der Türkei, Bulgariens und Rumäniens. Erst danach kam auch der Erfolg in Frankreich. Und in dem Moment, da ich das lese, denke ich: Wundert mich gar nicht. Bei aller Coolness und Abgedrehtheit ist der Track auch cheesy genug um mich im billigsten Unterhaltungswahn zu erwischen. In Gesellschaften, in denen es nicht so schön satt und prall gefüttert zugeht wie in Deutschland, funktioniert das Spiel mit den krassen Schrägheiten nochmal ganz anders. (Club)Musik ist nicht einfach nur ein Konsumgut sondern ernsthaft eine Sphäre, in der ich mich ausleben kann, eine Parallelrealität. Da darf es dann eben auch schon mal etwas existenzieller zur Sache gehen.
Dass der Song dann doch auch in Deutschland funktioniert, gefällt mir gut. Es ist hier vielleicht doch noch nicht alles nur glatt und abgeklärt. Wenn es nach mir ginge, wäre Goodbye der Song, der uns durch diesen Sommer begleitet. Konkurrenzlos.
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