Sonntag, 9. August 2015

Namika: Lieblingsmensch

Nachdem in den vergangenen dreivier Jahren junge, deutschsprachige Pop-Liedermacher sehr massiv an Sichtbarkeit gewonnen haben und ein neues, junges Publikum begeistern konnten, sind es nun offenbar die Frauen, die nachziehen. Gerade noch feierte Sarah Connor ihren Einstand in den deutschsprachigen Pop und legte damit ein unglaubliches Comeback hin, auch Yvonne Catterfield kehrte in diesem Jahr beeindruckend von den Toten zurück. Und nun haben wir mit Namika tatsächlich einen ersten neuen Namen auf der Bildfläche. Die 24-Jährige schlägt mit ihrer Debütsingle Lieblingsmensch allerdings keine wirklich neuen Töne an.

Im Gegenteil bin ich erstmal überrascht, wie eingängig und irgendwie auch altbekannt ihr Song klingt. Das ist natürlich alles andere als verwunderlich, denn auch hinter Namika steht ein Produzententeam, das nicht ganz unbeleckt ist. Die Beatgees haben schon ein paar Jahre Erfahrung und auch Erfolg, wikipedia listet hier als Clienten solche Namen auf wie Culcha Candela, Flo Mega, MoTrip und einige andere mehr – diese drei hier mal zitiert um das Umfeld zu beschreiben, in dem wir uns bewegen. Künstler und Projekte, die sich mehr oder weniger im HipHop-Bereich verorten.

Das ist dann auch der Link, über den Namika zu den vier Jungs gestoßen ist. Oder umgekehrt, weiß man nicht so genau. Namika wird nämlich gern eine Orientierung am HipHop nachgesagt. Wenn man nur Lieblingsmensch kennt, würde man das zwar nicht so unterschreiben, aber glücklicherweise gibt es ja noch einiges mehr von ihr zu entdecken: NA-MI-KA zum Beispiel, oder Nador. Gerade ist ja auch sehr erfolgreich ihr Album veröffentlicht worden, da kann man dann schon mal die Bandbreite von Namika entdecken.

Auf dem Album und für mich besonders in den erwähnten Tracks wird sehr viel prägnanter deutlich, wofür Namika steht, wohin sie sich bewegt. Und es drängelt sich beim Hören ihrer Produktionen ein Name immer wieder auf, der als Referenz/Vorbild/Schablone herhalten kann: Sabrina Setlur. Namika steht also auch für den Frankfurt Sound (wenn man mal von der Dance- und Techno-Tradition der Main-City absieht).

Dass beide Frauen im Mainstream zunächst durch softe Beziehungsliedchen Fuß fassen kann zweierlei bedeuten: Die Masse ist eben nur über Kitsch-Sauce zu erreichen – die Singleauskopplung also ein durchdachter Marketing-Griff. Oder dass Frauen nach wie vor noch für die Gefühlskiste herhalten müssen, weil ihnen andere Themen nicht zugetraut werden.

Die zweite Vermutung lässt sich glücklicherweise dann doch recht fix entkräften. Zum einen haben die gern romantischen und ich-bezogenen bis introvertierten Songschreiber von Philipp Dittberner und Philipp Poisel über Wincent Weiss bis hin zu Mark Forster oder auch Andreas Bourani mit genügend Material in den letzten Jahren bewiesen, dass ihre gefühlslastigen Ergüsse sehr gut ankommen, offenbar also genügend glaubhaft rüberkommen. Emotion, Beziehungsdrama – das ist keine Frauendomäne mehr.

Und umgekehrt gilt: Während Sabrina Setlur sich noch sehr deutlich als starke Frau (Feminsitin?) positionieren musste über Hits wie Ja, klar oder Du liebst mich nicht, kann Namika ganz selbstbewusst über ihre Beziehung singen und sehr eigene Beschreibungen und Gründe finden, warum es eben ok ist, sich mit dem Lieblingsmenschen ein Stück Leben zu teilen ohne völlig abhängig von diesem zu sein oder lebensfremd verklärt.



Allerdings schliddert Lieblingsmensch mit Akustik-Gitarre zu den Strophen und breiten Streichern im Refrain ganz schön zwischen Liedermacher-Romantik-Soße und Schubidu hin und her. Und genauso ist es auch mit den Werbeauftritten für ihr Album Nador. Da sitzt die junge Frau und erzählt ihren Fans ganz lieb und nett, worum es in den Songs geht. Im Werbetext wird ihre Schönheit gepriesen... Und plötzlich erscheinen mir auch die Songs auf Nador gar nicht mehr so vielfältig und eigenständig.

Ein paar stärkere Brüche und etwas weniger Fokus auf den Mainstream würde ich mir wünschen. Die Zerissenheit, die sie in ihren Texten beschreibt würde ich gern auch musikalisch erleben oder an ihrem Auftreten in ihrer Inszenierung erkennen. Ich fürchte, dass sie all die Konflikte des modernen Lebens, die sie ja kennt, in der auf Erfolg getrimmten Marketing-Maschinerie zum dekorativen Beiwerk glattschleift. Übrig bleibt ein Pop-Abziehbild mit großstädtisch-multikulturellen Versatzstücken das niemandem weh tut.

Zum Ende des Sommers hat Namika beim Bundesvision Song Contest ja die Gelegenheit zu beweisen, ob sie mehr ist. Mit Hellwach wird sie Hessen vertreten. Und eigentlich würde es ihr gut tun, dort auf alles andere als auf Gewinn zu spielen.

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