Und hier kommt also das andere Nordamerika.
Nachdem ich in der letzten Woche ein bisschen auf einer Entwicklung herumgeklopft habe, die vielleicht auch aus einem neuen Selbstverständnis eigene Wege geht, muss ich heute hinzufügen: und es gibt natürlich auch immer noch das bekannte, seit Jahren durchexerzierte Modell von Kultur und Gesellschaft. Hier also das Modell Casting-Girlgroup. Allerdings auch in den USA mittlerweile mit ein paar Abnutzungserscheinungen.
Fifth Harmony heißt das aktuelle Erfolgsprojekt, das 2012 mit X-Factor zusammengeworfen wurde, dort den dritten Platz belegte und drei Jahre später die einzigen Teilnehmer der Show sind, die überhaupt noch irgendeine Art Medienpräsenz haben. Man muss auch dazu sagen: eine wachsende. Das mag daran liegen, dass an der Inszenierung noch ein paar Kleinigkeiten geändert wurden um dem Geschmack der 2010er etwas mehr zu entsprechen. Dazu gleich mehr. Vorher noch dieser Satz: die Pussycat Dolls als letzte große Girlgroup waren wesentlich schneller On Top. Mittlerweile reicht es also nicht eine Fernsehshow auszustrahlen und fünf junge Mädchen als musikalische Hoffnungsträger hochzuinszenieren.
Bei der ersten Begegnung mit Fifth Harmony – in Europa dürfte das bei den meisten irgendwann im Sommer letzten Jahres der Fall gewesen sein – erschrickt man ein bisschen: Ups, das geht wirklich immer noch? Fünf junge Frauen geben den Backgroudn ab für einen Rapper wie Kid Ink, sind sich dabei nichtmal zu blöd aufs rein sexuell-attraktive Beiwerk reduziert zu werden. OK, Worth It war sogar catchy und mitreißend, insgesamt eine gute Produktion. Die Rollenbilder und -stereotype wollte man da aber lieber nicht so genau angucken.
Jetzt mit Work From Home gibt's noch einen drauf. Ja, das geht. Director X traut sich im Video tatsächlich die Bauerbeiter-Fantasie wieder rauszuholen. Ist das jetzt ernsthaft eine Verbeugung vor den 70ern? Das letzte Mal habe ich dieses Thema in bulgarischen Travestie-Videos für schwule Männer gesehen – das war sogar lustig in seiner Überdrehtheit. Von der ist Work From Home ganz schön weit weg und sieht deshalb überhaupt nicht ironisch aus sondern doch schon ganz schön nah am feuchten Traum eines MIttdreißigers. Oder will mir Director X jetzt erzählen, dass das hier die Fantasien junger Frauen sind?
Gut, jede entscheidet selbst, worauf sie steht und was ihr erotisch gefällt. Ich bin hier raus.
Im Text sind die Damen wesentlich selbstbestimmter. Sie beschweren sich darüber, dass der Kerl ständig beim Job ist – nie zu Hause. Dabei würden sie jetzt so gern ... Also schicken sie sexy Bildchen von sich um dem Typen zu zeigen, was ihm alles entgeht: Zu Hause wartet auch Arbeit auf dich.
Das ist am Ende auch nicht sehr weit weg von der Schlüpfrigkeit und den Träumen des eher konservativen Mainstreams: Die Damen langweilen sich zu Hause und haben überhaupt keine Idee, was sie anfangen könnten ohne ihren Mann, der das Geld verdient, für den Luxus sorgt. Im Jahr 2016 sollten sexuell vernachlässigte Frauen andere Möglichkeiten haben, ihren Kerl zurückzuerobern, als nur erotische Nachrichten zu verschicken. Zumal das ja auch nicht wirklich zu funktionieren scheint.
Auch hier gilt natürlich: die fünf Ladies dürfen gern für sich selbst entscheiden, wie sie sich definieren, welche Rolle sie spielen. Wenn es ihnen gefällt als verlassene sexy Lady zu Hause ausgehalten zu werden … bitte sehr. Schlimm bis gefährlich finde ich es, dieses ordentlich dämliche und einfältige Rollenbild popmäßig zu glorifizieren. Das sieht nämlich schnell danach aus, dass das der ultimative Lebensentwurf sein könnte. Barbie lässt grüßen.
Von dem überraschend Authentischen, das ihre ersten Auftritte noch hatten, ist in der neuen Version der Fifth Harmonies gar nichts mehr übrig – hat sich ja auch nicht so wahnsinnig verkauft. Stattdessen packt man auch hier mit Ty Dolla $ign einen ordentlichen Bad Boy dazu, denn was nützt schon alle Sexyness, wenn man die Unterwürfigkeit nur allein behauptet. Mit so einem Macho von der Straße wird das Spiel mit Verlangen und (männlicher) Triebbefriedigung doch sehr viel anschaulicher.
Am Ende bleibt also ein cooler Beat, der sich auch ein bisschen an Rihanna's Work orientiert – bewusst oder zufällig ist dabei egal –, dann aber doch nur ein eher ödes Abziehbild von Sexualität wiederholt. Hätte auch anders laufen können.
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