Freitag, 1. April 2016

G-Eazy X Bebe Rexha: Me, Myself & I



Wieviel Individualismus verträgt diese Welt? Oder wieviel Fremdbestimmung wollen wir zulassen? Und muss man zwangsläufig einsam sein, wenn man einen eigenen Willen hat, seinen eigenen Plan verfolgt? – In den USA werden diese Fragen dann doch recht häufig mit einem Aufbäumen beantwortet: Bleibt mir vom Hals mit eurer gutgemeinten Gesellschaft! Ich will erstmal für mich sein.

Eine der direkteren Formulierungen dieser Aussage liefern derzeit G-Eazy & Bebe Rexha, zwei Jungstars die sich offenbar gerade anschicken den Musikmarkt ein bisschen aufzumöbeln. Schnoddrig und laut schleudern sie uns ihre Weltsicht entgegen. Das hat gehörig was von den frühen 2000ern. EMINEM hätte es vermutlich ähnlich hingereimt – vielleicht noch einen Tick aggressiver. Auch das Video sieht auf den ersten Blick ganz schön 2000er poliert aus: Schnelle Autos, chices Penthouse, cool herumhängende Partygäste.



Aber so ganz stimmt das Bild nicht. Wir sind nicht mehr im Jahr 2000. G-Eazy kann sich plötzlich teilen und ganz viele Sichtweisen einnehmen. Auch wenn er den Zustand hasst, weiß er doch, dass er ihn selbst heraufbeschworen hat. Er hätte ja kein erfolgreicher Rapper werden müssen. – Das ist der Unterschied zu den Gangstern der letzten Dekaden: Hier hat sich nicht einer gegen die Widrigkeiten der Welt durchgesetzt und ist King, hier ist jemand ganz oben und trotzdem nicht zufrieden. Denn dieser ganze Fame und die Dauer-Party sind einfach nur laaaaangweilig. Was genau war nochmal der Kick am Macker sein?

Auch Bebe Rexha hat ein anderes Selbstverständnis. Das Selbstverliebte der 2000er brauchte immer noch ein Gegenüber um sich zu spiegeln. Frau war immer nur dann vollständig, wenn Mann sie geil fand. Wie selbstbestimmt diese Rolle auch immer war – ganz ohne Typ gings nicht.
2016 reicht dann aber doch ein cooler Beat und die eigene Party kann beginnen. Da brauch ich nichtmal mehr meine Facebook-Freunde. Vielleicht ist das der konsequenteste, der finale Narzissmus.

Das mag als Gesellschaftsutopie ganz schön gruselig klingen: Lauter selbstbezogene Individuen, die völlig angenervt vom sozialen Dasein sich selbst genügen. Diese Menschen sind zwar offenbar mit sich im Reinen und ganz schön unabhängig vom ständigen Online-Getue. Wo es kein Verlangen nach sozialer Anerkennung gibt, da gibt es vermutlich auch keinen Neid. Das klingt dann sogar schon fast utopisch-buddhistisch. Sei bei dir und das ganze Drumrum wird unwichtig.
Am Ende gibt aber auch G-Eazy zu: so richtig der Hit ist das mit dem ständig allein sein auch nicht. Wenn man so kalt ist, dass einen gar nichts mehr berührt, dann kann das eventuell doch ganz schön einsam werden.

Mehr oder weniger deklinieren das auch andere Künstler aus Nordamerika/Australien grad durch: SIA feiert sich ziemlich autark durch die Clubs, die neue Rihanna stilisiert sich als unnahbar kalte Stil-Ikone, die twentyøne piløts haben sowieso völlig ihren eigenen Film laufen und irgendwie lotet selbst TheWeeknd die Tiefen der modernen Ent-Beziehung aus. Da gibt es offenbar ein großes Thema: Wie geht man damit um, wenn Gemeinschaft zur Einschränkung des Ich wird?

Me, Myself & I könnte hier als "Fuck Off!" verstanden werden. Eine Protestäußerung, eine Unabhängigkeitserklärung. Die es aber weniger darauf anlegt, die Umgebung zu ändern. Hier geht es eher darum einfach etwas anderes zu leben. Oder zumindest den Versuch dazu zu starten.

Funktioniert alles natürlich nur, wenn man es sich leisten kann. Unabhängig ein eigenes (Aussteiger-)Leben durchziehen, das ist schon eher die abgesicherte Generation Bausparvertrag, die das Einfamilienhaus in der Vorstadt zwar ablehnt, aber immer noch als Absicherung in der Hinterhand hat.
Das mag in Nordamerika auch das Attraktive sein. So viel Abgesichertheit besitzen, dass man es sich leisten kann, sein eigenes Ding durchzuziehen.

Auch von Europa aus gesehen, besitzen diese Versuche, Visionen und Ansätze durchaus Attraktivität. Hier allerdings eher als ein Gegenpol zu den popmedial erfolgreich inszenierten Sehnsüchten, die sich vor allem um solche Werte wie Freundschaft, Gemeinschaft oder Schutz vor der Einsamkeit ranken. Ich erinnere nur an die Biederkeitshymne von Glasperlenspiel. Was da alles schon nicht mal mehr gedacht werden kann, weil überall Entwurzelung droht und Verlust der Identität. Ich kann doch nur vollständig sein innerhalb von Beziehungen oder wenigstens Netzwerken...

Und schon haben wir den tagesaktuellen Schlamassel schön auf dem Präsentierteller: Europa das will so gern zusammen gehören, das möchte gern eine Gemeinschaft sein. Gleichzeitig geht das aber alles nicht, denn wo bleibt denn sonst der Einzelne (Staat)? Das bin ich doch alles gar nicht mehr. Das ist doch nur noch ein wirres Durcheinander. Was ist bloß passiert mit meiner schönen gewohnten Ordnung?

Nordamerika ist da irgendwie cooler. Klar gibt es dort auch Probleme und Fragen und Ängste. G-Eazy bringt es ziemlich deutlich auf den Punkt. Das heißt aber noch lange nicht, dass man an sich selbst zweifeln muss. Eher umgekehrt: Erstmal steht da ein Ich, ein Eigeninteresse, ein Individuum. Und dann kann man mal gucken, was noch so rundrum passiert. Und wenn die andern nicht mitmachen wollen oder nerven, na dann zieht man eben allein los. Das muss man erstmal so unverschämt hinkriegen.

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