Freitag, 29. Mai 2020

Bonez MC: Roadrunner



Sein letztes Lebenszeichen im April sorgte für ein paar Diskussionen. Hat er sich gut in Szene gesetzt und zurück ins Gedächtnis gebracht mit ein paar wohl kalkulierten Grenzüberschreitungen. Hier kommt die Ernte.

Wobei ich auch bei Roadrunner fragen kann: Warum macht jemand 2020 noch solche Tracks? - Inhaltlich ist das eher Aufguss 1573. Nichts Neues im Ghetto.

Aber halt! Mit Roadrunner - vor allem mit dem dazugehörigen Videoclip - zeigt Bonez MC ganz deutlich, dass es ihm verdammt verbissen um richtig großen Erfolg geht. Vom einst gefürchteten und wilden Rapper ist hier gerade mal ein Comic-Abbild übrig. Inklusive dämlich-kindlichem "Miep miep".



Ist der Bonez also doch zuallererst mal ein groß gebliebenes Kind. Irgendwie direkt sympathisch. Wenn ich ihn also durch die Pseudo-Kulissen tanzen sehe in Videospiel-Manier, dann habe ich direkt so ein "niedlich"-Gefühl: Der Junge spielt mit seiner Knarre rum und macht auf ganz dicken Cowboy. Was der für eine Fantasie hat!

Nun ist das ja schon klar, dass eine ganze Menge dieser Ghetto-Rapper vor allem eines wollen: Nicht erwachsen werden! - Schnelle Autos, Para, Drogen ... alles unbedingt und ungezählt. Wenn man dann aber mal nicht gleich der ganz große King ist oder die Mama mit dem Brei ein paar Minuten zu spät kommt, dann schalten sie schnell auf bockig um. Ist unter Umständen auch ein Lebensmodell.

Wir müssen hier nicht lange philosophieren, wie sinnvoll das ist und welche Perspektiven es für solche Menschen gibt. Die Welt ist voll von erfolgreichen Role Modells dieser Art. - Verrückt finde ich, dass diese großen Kinder so viel Aufmerksamkeit für ihren Terror erhalten.

Also warum nochmal schaue ich Bonez zu, wenn er sich selbstherrlich geriert? - Weil ich weiß, dass das alles nur hübsches Theater ist. Und ich auf diese Weise gut durchdeklinieren kann, wie sich der Tabubruch anfühlen würde ... hätte ich den Mumm dazu.
Es ist ja auch eine Genugtuung zu sehen, dass es offenbar auch ganz anders funktionieren könnte. Hat schon auch was vom unvorhersehbaren Spiel mit dem Feuer.

Ängstlich sind nur die Kinder, die sich schonmal ordentlich die Finger verbrannt haben. Oder von anderen verfeuert wurden. - Die wissen, dass sich auch ein Spiel verdammt echt anfühlen kann. Und können gar nicht lachen, wenn die Draufgänger den ganzen Tag ungeniert und ungezügelt Scheiß machen. Die finden das alberne Video eher nicht so lustig. Aber gut - die Erfahrung hat nicht jede*r. Muss auch nicht sein. Traurig wird es höchstens, wenn am Ende gar keiner mehr mit einem spielt.

Bonez hat erstmal noch eine ganze Menge Spaß. Seine Freunde aus dem 187-Stall dürfen im Video auch mit Gastauftritten glänzen. Das gehört sich so in der Familie. Und ist auch nett anzusehen.

Ein bisschen peinlich ist vielleicht, dass ich denke: Shirin David hätte es vermutlich nicht anders gemacht. Das ist dann nicht nur kein Kompliment, sondern auch die Feststellung, dass die eiskalte Coolness, mit der sich Bonez & Co. sonst so inszenierten, bloß eine Show war. Nichts von alldem gilt wirklich. Wenn die Welt Videospiel will, dann kriegt sie eben Videospiel.


Angesichts dieses Videoclips revidiere ich meine Aussage aus der letzten Woche: Die harten Brutalo-Rapper kotzen nicht über die neue Generation von Lifestyle-HipHoppern. Sie sind ziemlich neidisch auf die. Weil die einfach so Spaß haben, den auch zeigen und tatsächlich damit Geld machen. Da sind die Grenzen im GangstaRap schon um einiges enger.

Bonez probiert es hier also mal aus wie es sich anfühlt, wenn man jetzt wirklich mal auf Popstar macht. Ich hoffe sehr, das endet nicht in der Superstar-Jury. Erfolg und Geld haben schon ganz andere umgedreht.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen