Freitag, 26. Juni 2020

Bonez: Big Body Benz



Werbeclip + -song Nummer 2 für die Karrosse aus Stuttgart. Hat Bonez da eigentlich irgendeinen Werbevertrag laufen? So viel Promotion für unbezahlt ... wenn das wirklich so wäre, dann müsste ich dem Gangsta an dieser Stelle enorme Dummheit bescheinigen. Deshalb geh' ich mal davon aus, dass es sich bei der beschriebenen Beziehung um eine geschäftliche handelt. Damit ist es dann wohl auch in Ordnung.

Auffällig auch: Zielgruppe sind Kinder bis maximal 10 Jahren. So viele Teddybären in Videoclips wie ich sie in den vergangenen Wochen bei Deutschrappern gesehen habe, gab es wohl noch nie in angesagten Pop-Videos. Wäre natürlich auch erstmal zu überprüfen ob die Teenie-Stars der 1980er und 90er sich nicht auch schon gern mit Kuscheltieren haben ablichten lassen.
Klar ist damit vor allem, dass die Charts nur einen ganz engen Ausschnitt der Gesellschaft abbilden.



Und dieser Teil steht unglaublich auf Räuberpistolen, Gangsterstories und - Achtung, plötzliche Wendung am Ende - Zombiefilme. Quentin Tarantino hätte wahrscheinlich seine wahre Freude an dem Video von Shaho Casado. Blutlachen, richtig böse Orgien bis zum Exzess und jede Menge verruchteste Settings ... Geil!

Eltern haben vor solchen Filmen natürlich Angst. Und Kinder lieben es, ihre Ollen so zu schocken. - Und alle paar Monate zieht wieder die Diskussion durch Print- und Linear-TV-Medien, was das alles zu bedeuten hat. Und wo das nur hinführt.

OK - lass ma die andern sich die Köppe heiß reden. Das ist nicht der spannende Punkt an Big Body benz. Eher der Fakt, dass sich die Straßenbande doch tatsächlich abknallen lässt. Jaja - anders wird man nicht zum Zombie. Und wenn man schon böse sein will, dann ist das der unvermeidliche Schritt. Beschwören sie im Grunde ja schon seit sie die musikalische Bildfläche betreten haben. Immer schön am Limit. Gern auch dabei drauf gehen. - Und dann geht die Party richtig los.

Wer jetzt Parallelen zu Paradies-Erzählungen und Geschichten über Himmel und Hölle wittert, derdie hat vermutlich gar nicht mal so unrecht. Das gesamte System Straßenbande baut auf nichts anderem auf als diesen Schwarzweißerzählungen. Und im Fall von Big Body Benz sogar der Verheißung, dass nach dem Tod das nächste Level wartet. Das natürlich noch eine Nummer geiler und schwarzer ist als das vorhergehende.

Das ist schon ein hübsch krasser Move. Änder einfach die Spielregeln. Am Leben bleiben ist so was von oldschool. Nur wer sich traut die Regeln zu brechen, kommt weiter. - Auch das eine uralte Erzählung im Pop-Business. Da muss man nicht mal die 100. Wiederholung der Enterprise gucken.

Und damit bin ich auch beim Punkt, warum trotz aller perfekten Inszenierung und 1A Produktion Big Body Benz (wie eigentlich die Mehrheit der Produktionen von Bonez & Co. nicht erst in den letzten Wochen) im Grunde so langweilig ist. Das macht genau 10 Sekunden lang Spaß. Ja, das zieh ich mir auch ein zweites und drittes Mal rein. Aber dann hab ich es wirklich gesehen und brauche den nächsten Clip. Neuheitswert in der Tendenz eher 0. Gerade mal, dass ich das Styling und die Klamotten ein bisschen ändere. Das isses dann auch schon.

Die in ihren Tracks gepredigte Missachtung von allen Regeln trauen sich die Bandenmitglieder beim Geschäfte-Machen irgendwie nicht zu. Da wird schön an Regeln entlang gesegelt, die clevere Jungs vor vielen Jahrzehnten schon rausgefunden haben. Eigentlich schade.
Vor allem, weil doch unsere bösen Rapper aus Hamburg vor ziemlich langer Zeit mal mit ganz anderen Prämissen angetreten sind. Da ging es noch darum der Welt (und vor allem den Spießern) den Stinkefinger zu zeigen...

Hmmm ... ich bin jetzt eher enttäuscht. Bin ich aber auch einer von ganz wenigen.

Freitag, 19. Juni 2020

UFO III IIIIII I (Celine):
Emotions (2.0)

Wann gab es das zum letzten Mal? Ein Track geht nach 7 Wochen in den Top 10 erst auf die 1! - Is nich schwer zu ermitteln: Es war zum Jahresende 2019 als Maria Carey mit ihrem jährlichen Weihnachtslied nach 25 Jahren und 68 Chartwochen erstmals die Spitze erklomm. So viel zur Statistik.

Bei UFO 361 ist der Grund für den verspäteten Thron ein Remix, oder sagen wir besser eine Duett-Version seines Tracks Emotions. Vor gut zwei Monaten verwehrten ihm noch Shirin David und danach Capi Bra + Loredana den Goldplatz. Beides schon ganz schöne Gewichte im Business. Trotzdem hat sich UFO wahrscheinlich geärgert und dann zu einem Trick gegriffen, der schon bei ganz anderen (zum Beispiel Ed Sheeran) funktioniert hat: Nimm einfach dein altes Material und hol dir noch jemanden ins Studio.

Denn genau genommen ist bei Emotions 2.0 nicht wirklich etwas anders als bei Emotions. Halt Celines Stimme. Die offenbar genug Leute animiert, den Track wieder in ihre Playlists zu hieven. Ein wenig hab ich Angst, dass dieses Prinzip jetzt Mode werden könnte und uns jede Menge Nicht-ganz-Nummer-1-Hits zurück bringt.

OK, Emotions 2.0 funktioniert wahrscheinlich genau deshalb, weil eben Emotions schon gute zwei Monate zu den meistgehörten Tracks zählte. Das ist momentan durchaus schon eine Besonderheit. Gerade mal Apache 207 schafft das aktuell mit schöner Regelmäßigkeit. Bei allen anderen DeutschRap-Produktionen handelt es sich in den meisten Fällen um Strohfeuer.

Emotions repräsentiert eine Haltung, die von Trendforschern als mittlerweile sehr vorbei gebrandmarkt wird. Luxusprotz ist demnach lediglich was für stillose Aufsteiger. Menschen, die glauben, sie müssten aller Welt zeigen, dass sie es sich leisten können. Die wirklich coolen (und exorbitant teuren) Label und Marken machen derweil auf Understatement. Wer weiß, was die unscheinbaren Zeichen bedeuten, der gehört dazu. Die anderen sind es nicht wert.

UFO gehört also eher zu denen, die gern raushängen lassen, was sie sich so gönnen. Davon erzählen seine Lyrics. Und sein Video genauso.



Eine ganze Reihe von Menschen steht darauf zu hören, dass es Typen gibt, die all ihren Reichtum hingeben würden. Für die Angebetete.
Was verbindet diese Menschen eigentlich mit solch einem Traum? Heißt das nicht auch, dass sie sich in jedem Fall kaufen lassen würden? Geld beruhigt so unglaublich, da verzichtet schon mal auf das eigentliche Glück.

Ich kenne tatsächlich eine Menge Menschen, die genau so drauf sind. Das sind nicht mal die unsympathischsten. Und irgendwie wirken sie trotzdem traurig und gehetzt. Weil es jeder Moment sein könnte, der einer das große Para bringt. Und es könnte genauso schnell zerfließen. Also hält man es fest. Mit aller Macht und viel Krampf.

Nach Jahrzehnten entfesselter Marktwirtschaft und der entsprechenden Gehirnwäsche durch Werbung auf allen Medienkanälen ist es klar, dass Money making als einziger Sinn des Daseins funkelt. Könnte aber auch sein, dass dieses Strahlen unecht ist. Weiß man derzeit noch nicht. Glücklich macht es jedenfalls nicht mit Sicherheit. Dafür gibt es zu viele unglückliche und seelenkranke Milliardäre auf dieser Welt.

Man könnte UFO's Track natürlich auch als puren Zynismus lesen. Dom Perignon als Grundvoraussetzung für Gefühle. Zuneigung nur möglich im Rausch. Egal ob Droge oder Konsum. Was bleibt da eigentlich übrig?
Und weil diese Welt genau so funktioniert, kann man nur einstimmen in den Refrain. Und schmerzverzerrt mitheulen. Gut, dass Alkohol in erreichbaren Dosen vergessen lässt. Und alles etwas erträglicher macht. - Ob teurer Champagner da nachhaltiger wirkt, weiß ich nicht.


Freitag, 12. Juni 2020

Apache 207: Boot



Jetzt macht Apache also auf Unterwäschemodell. Auch nicht schlecht. Trauen sich auch andere Rapper - die meisten sind ja eher stolz auf ihren Körper. Auch wenn er nun nicht gerade Muckibudengestählt ist. Wampe oder Wohlstandsspeck sind durchaus angesagt. Oder zumindest kein Ausschlusskriterium. - Die positive Deutung: Lookism is mal richtig out. Niemand muss sich seines Körpers schämen.
Die schlechte: Anschauen will sich dann trotzdem nicht wirklich jemand. Oder etwa doch?
Warum also zeig ich in einem Videoclip mein Unförmigkeit? - Neue Form von Realismus? Oder weil meine Fans alle ähnlich aussehen? Und schwups etablieren wir einen neuen Standard.

Bei Apache is das mal ein bisschen anders. Der weiß schon ziemlich genau, das er gut aussieht. Und die Mädels und Jungs zumindest ein bisschen sabbernd zurück lässt.
Auch, wenn sein Strip dennoch zumindest eine Winzigkeit zusammenzucken lässt. Macht er das wirklich? Und warum?

Apache hat ziemlich genau raus, wie weit er gehen kann, um bei den Biedermännern als sozial anstößig durchzugehen und trotzdem ganz genau den Geschmack der sich abgrenzenden Kreise zu treffen. Seine Videos sind durchaus der Ersatz für eine coole Modezeitschrift. Man muss allerdings die Zeichen lesen können. Einfach so eine 90er-Jahre-Eurosport-Schnellfickerhose drüberstreifen is nich. Muss schon mindestens Adidas sein. (oder noch teurer?)

Ja - mit Selbstverständlichkeit Hässliches neu beleben und dadurch cool machen. Apache kann das sehr gekonnt. Da turnen sich seine Rap-Kollegen häufig ziemlich bemüht ein Bein ab - und schaffen es doch nicht. RIN in seiner Aufsteigerzeit mal explizit ausgenommen.



Nun ist Apache natürlich alles andere als Straßensound. Das ist Eliten-Pop. Ähnlich wie Pashanim. Deshalb verbietet es sich das eine mit dem anderen zu vergleichen. Auch wenn beide Sounds sich gerade regelmäßig an der Spitze der Charts ablösen und mit Sicherheit Schnittmengen unter den Konsumenten haben. Vielleicht ist es angebrachter, mal auf die übrige deutsche Popgeschichte zu schauen? - Und sofort fällt mir Haus am See von Peter Fox ein. Warum eigentlich? Ist es nur das Wasser, das offenbar dazu gehört, wenn wir von Sehnsuchtsorten träumen?

Zumindest schwelgt Apache auch ganz schön in (Kindheits-)Erinnerungen. Das alte Boot, das nicht mehr da ist. Auch wenn es ohnehin nicht genügt hat. Verlassen wegen zu kleiner Segel (Was für ein Bild). Und trotzdem immer noch wartend.
Der Apache ist eine treue Seele - das sagt er immer wieder. Und irgendwie nehm ich ihm das sogar ab. Finde es niedlich. Obwohl ich diese Jammerbackenhaltung sonst eher ziemlich langweilig finde. Da hat er mich also schon um den Finger gewickelt.

Hängt natürlich garantiert mit dem einlullenden Sound zusammen. Der auch nahe am Sentimentalschleim entlang schliddert. Chris Rea mit On the Beach wartet schon um die Ecke. Wie gesagt: derzeit schafft es Apache stilsicher, sich nicht in den totalen Kitsch-Strudel ziehen zu lassen. Auch wenn er ordentlich in Gefühligkeiten plündern geht. Das spricht für eine handfeste Bodenständigkeit.

Und damit bin ich wieder zurück beim Stil und Markenbewusstsein. Anders als ein Großteil der Popstars und Rapper hat Apache verstanden, dass Coolness und Style nicht nur etwas mit Geld und Protz zu tun haben. Ein Candlelight-Dinner kann eben auch auf der Wiese mit Holzbank richtig stylish sein. Es braucht nicht den Kronleuchter oder die Yacht. Es reicht der kleine Teich, das Ruderboot mit handgeschriebenem Namen und eine Wiese. Das was zählt, ist die Haltung. Die macht Dinge, Beziehungen, Menschen wertvoll. - So kann Apache noch ein bisschen weiter machen.

Freitag, 5. Juni 2020

AK Ausserkontrolle x Bonez MC:
In meinem Benz



Auch diese Woche gehört den Hamburger Holzhackern. Ok ok ok - ich weiß auch, dass AK Ausserkontrolle aus Berlin kommt. Trotzdem ist der Sound, für den er steht, mittlerweile mehr mit Hamburg verknüpft als mit der Hauptstadt. Dank der 187 Straßenbande und nicht zuletzt auch Bonez MC. Das wissen alle längst.

Also nochmal anders: Auch in dieser Woche ist es der richtig böse Sound, der als beliebtester Track durchgeht. Noch mehr und wahrscheinlich sogar ein bisschen spektakulärer: es ist auch die zweite Woche in Folge, dass der Capi mit einer Neuveröffentlichung nicht auf die 1 geht. In dieser Woche ist es sogar nur ein ernüchternder Platz 10. Schlechter als Shirin David.

So weit zum Umfeld, in dem In meinem Benz spielt. Zum Track selber:
Nach wie vor ist der Benz das Statussymbol, das angehimmelt wird. Das war schon vor 10 Jahren nicht anders - nur wurde das Objekt da noch mit wesentlich mehr Augenzwinkern verlangt. Kann man sich ja mal Miss Platnum geben und vergleichen, was sich so in 12 Jahren getan hat.



Na ist schon klar: die Lady aus Rumänien war immer noch am Träumen. Sie hätte gern einen Benz gehabt. - AK Ausserkontrolle und Bonez MC haben den schon lange unterm Hintern. Und lassen ihr Glück ordentlich raushängen.

Das kann man jetzt auch als Treue lesen. Denn die richtig modebewussten und tonangebenden Rapstars sind schon vor einer ganzen Weile auf ganz andere Marken umgestiegen. Mit mehr Style und Eleganz. Wenn man in den Modeblog will, muss man sich eben immer wieder neu erfinden.

Die beiden lassen sich davon aber nicht irre machen und feiern fleißig weiter gute deutsche Wertarbeit. Sind Bonez und Ausserkontrolle also eher die konservativen Verteidiger langsam sterbender Werte?
Die Antwort fällt leicht. Da brauch ich nicht diesen Track, um die rückwärtsgewandte bis spießige Haltung der beiden Rapper mitzukriegen. Da muss ich auch nicht erklären, dass LV und Fendi jetzt eher so die Marken für die nicht ganz so hippen ist. Protzig bis zum Abwinken - und mittlerweile in jeder mittelgroßen, deutschen Stadt auf den Haken der Boutiquen zu finden. Das ist alles irgendwie nicht so richtig Luxus. Zumindest keiner, der einen Unterschied macht. Immerhin kostet er noch einigermaßen Geld, so dass nicht jeder Verkäufer sich das leisten kann. Das reicht als Unterschied. Und bestätigt auch nur das, was sonst ganz gern mit durchgegeben wird. Der Härtere/Stärkere oder eben einfach der mit dem größeren Bankkonto darf sagen, wo es lang geht. Punkt. Gesellschaftliche Abmachungen sind langweilig. Erst recht Regulierungen, die von einem anonymen Staatsapparat angewiesene wurden. Da pfeifen die beiden drauf. Und mit ihnen die Fans. Die freuen sich immer wieder, dass mal jemand sagt, wie es sein soll. - Kennen wir ja auch aus genügend anderen Kontexten. Der feige Mob braucht immer Helden, die ohne Scheu aussprechen, was sie zwar denken, aber nie sagen würden.
Erfahrungsgemäß sind diese Typen es auch, die sehr wohl wissen, was sie so vom Amt zu kriegen haben. Oder was doch bitte die da oben jetzt mal zu unternehmen haben, damit die gute deutsche Automobilindustrie nicht krachen geht.

Wahrscheinlich ist es nur Zufall, dass In meinem Benz genau zu dem Zeitpunkt erscheint und zum Hit wird, da sich in anderen, bildungselitären Kreisen ordentlich gestritten wird, wie denn nun die Kaufanreize für veraltete Karossen auszusehen haben. Der Track, der eigentlich als ausgestreckter Finger an alle gemeint ist, wird plötzlich zur Werbebotschaft für den deutschen Mittelstand.

Da hat das Management der beiden offenbar nicht gut aufgepasst. Ist schon auch ein bisschen Mist, wenn man sich für nichts anderes interessiert als für seinen eigenen Schwanz. Allerdings - die beiden merken es ja nicht, was sie da anstellen. Und es ist ihnen sehr sehr wahrscheinlich auch völlig egal. Würde ich jetzt mal so in den Raum stellen.