Freitag, 11. September 2020

Bonez MC:
Fuckst mich nur ab

Die Tracks von Bonez MC sind in der Regel echt langweilig. Kann man sich drüber aufregen. Lässt man jedoch besser bleiben. Fuckst mich nur ab ist da schon anders. Denn Bonez steigt hier hinunter ins Beziehungskistendurcheinander. Ausgerechnet der Typ, der maximal zu seinen Jungs so etwas wie ein soziales Bändchen zulassen würde, beschäftigt sich nun mit Zwischenmenschlichem.

Klaro ist der Leitsatz darüber eine Abrechnung. Ich hab genug von dir, du kannst mich mal, scher dich... Interessant find ich, dass in der Rückschau eine ganze Menge Beschreibungen des Miteinanders auftauchen. Da ging schon ne Menge. Auch interessant, dass das alles in vorwurfsvollem Ton vorgetragen wird. Du hast nichts mitgekriegt, schade, das du so dämlich bist, irgendwann wirst du schnallen, was du verloren hast ...

Da gibt es keinen Moment der Brücken baut. Muss auch nicht. Denn Bonez + Freunde gehen davon aus, dass ihre Sicht die einzig gültige ist. Dass jemand nicht sofort komplett schnallt wie Bonez tickt, ist eigentlich nicht möglich. Wie kann jemand nur so blöd sein?

Leider ist die Welt ja eher voll mit solchen Mißverständnissen. Wenn mir jemand die ganze Zeit nur den Baseballschläger hinhälr, nur rumgrölt und seine Grillz blinken lässt - wie soll ich bei so einem Typen schnallen, dass dasein Mensch ist? Der vielleicht sogar Kumpel sein kann, großer Bruder, Freund?

Mir scheint, dass derzeit eine Menge Leute nicht mehr wissen, dass sie so wahrgenommen werden, wie sie sich geben. Und dass man sich eben manchmal auch ein bisschen erklären muss. Bisschen raus aus dem Ich-Bezug. Bisschen Empathie haben.

Empathie - was für ein schreckliches Wort. Mit mir hat ja auch niemand Mitgefühl. Das ist die vorherschende Meinung. Also schreien wir noch ein bisschen rum. Auf Demos, in sozialen Netzwerken, in Popsongs. Ich ich ich .... alle andern sind Scheiße. Bonez MC liefert den Soundtrack dazu.

Um einiges krasser und konsequenter ist Shaho Casado, der Verantwortliche für den Videoclip. Während Bonez MC als Ausweg aus der verkorksten Beziehung auf "ich verlass diese Stadt" kommt, begibt sich der Bildermacher direkt in die Autopsiehalle. Eiskalt wird da das Miteinander seziert. Wenn wir schon nicht miteinander reden können, dann lass uns gleich die Skalpelle ziehen. Eiskalt. Gnadenlos. Das nenne ich mal richtig bis zum Ende gegangen.

Auffällig an dem Clip ist auch, dass Bonez mal wirklich Gesicht zeigt. Nicht bloß eine schnelle Aufnahme im Schlachtgetümmel - richtig drauf. Und aushalten. Da kann ich plötzlich sogar Nuancen erkennen. Ist nicht alles nur Wut und Gewalt.

Und richtig gut: Es bleibt sehr schön offen, wer da unter dem Leichentuch liegt. Weiße Rosen auf dem Sarg. Ist das nun die Bandenfreundschaft seit Kindertagen oder doch die Geliebte? Schön, dass der Abschied in beiden Fällen gleich schmerzhaft ist. Auch wenn Bonez ja offenbar selbst den Trennungsschnitt verursacht hat. Cool sein ist eben nicht immer ohne Selbstverletzung zu haben.

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