Freitag, 16. März 2012

die ärzte: zeiDverschwÄndung


Gerade hatte man sie vergessen. Gerade war’s so, als hätten sie sich (mal wieder) aufgelöst. Da erscheint eine neue EP und es ist so, als wären die ärzte niemals auch nur eine Sekunde weg gewesen. Dabei ist ihr letztes Album Jazz ist anders tatsächlich schon viereinhalb Jahre alt. Im schnelllebigen Musikgeschäft eine Ewigkeit. Für Ausdauer dürften die ärzte mittlerweile allerdings mehr als bekannt sein. Seit nunmehr fast dreißig Jahren existieren sie nämlich. Und bis zu ihrem ersten nennenswerten kommerziellen Erfolg dauerte es beinahe fünf Jahre. Der Rest ist überall nachzulesen …

Das Phänomen des Trios besteht wohl hauptsächlich darin, dass sie es über die Jahre hinweg immer wieder konsequent geschafft haben, zwischen allen möglichen Zuschreibungen zu existieren. Mainstream genauso wie unangepasst, Teenie-Revoltierende genauso wie arrivierte Rocker, Kultur-TV genauso wie halblegale Videoplattform, Kindergartenpunk mindestens ebenso wie Weltverbesserersound … Und trotzdem gibt es kaum jemanden, der sich ganz bewusst und explizit von ihnen abgewandt hätte (zumindest kenne ich keinen, was am Ende gar nichts beweist). Mittlerweile dürften sich wohl gut und gerne drei Generationen (oder mehr) von Fans um die Band scharen. Und mit dem neuen Werk zeiDverschwÄndung könnte nochmal der eine oder andere dazu kommen. Denn das, was da auf der EP zu hören ist, ist für vier Titel schon reichlich vielfältig. Vielleicht auch ungewohnt. Da bin ich mir nicht sicher, ob es jetzt eine Rückbesinnung auf alte Konzepte aus den Mitt-Achtzigern ist oder eher eine neue Coolness-Haltung wie sie auch The BossHoss zelebrieren. Bei beidem könnte man jetzt schnell was von kommerziellem Ausverkauf herbeizitieren. Und Massenorientierung. Ein Vorwurf, den die Ärzte schon seit Jahren kennen. Aber so einfach ist es dann vielleicht gar nicht. Vielleicht auch doch.

Nicht mögen kann man die Ärzte für vieles. Muss man nur oben in die Liste schauen: Infantilität, Gutmenschentum, zu unüberlegt-spontan, zu rockig, zu sehr Mainstream … Und bei jedem Vorwurf gibt es mindestens einszweidrei Gegenbeispiele, um zu beweisen, dass sie all das eben nicht sind. Jedenfalls nicht nur. Wenn man die Ärzte aber mögen will, dann sollte auf jeden Fall dies ein Grund sein: sie nehmen sich irgendwie nie total ernst , sie können sich supergut selbst auf die Schippe nehmen und damit natürlich auch ihre Fans, und in diesem Hin und Her aus Ironie und (natürlich auch) Selbstherrlichkeit steckt dann die ganze Wahrheit. Und das macht die Ärzte schonmal besser und aufrichtiger als die Masse aller existierenden Bands.

Zum Spaß an diesem ganzen Unsinn gehört natürlich auch ein fleißiges sich Selbst-Zitieren und Verramschen. Wer jetzt also im Video alle Zitate zu älteren Ärzte-Hits rausfindet, der/die muss bei der nächsten Tournee garantiert immer ganz vorn neben der Box stehen.



Zu einer EP gehören natürlich mehrere Titel. Mindestens zu empfehlen, weil – für meine Ohren – am weitesten weg vom bekannten Ärzte-Sound, Quadrophenia. Die wikipedia hält fest, dass es hier ganz direkte Bezüge zur Rockmusik der 60er und 70er gäbe. Ok – an dieser Stelle widerspreche ich sicher nicht sondern ergänze nur: wenn das Retro und Revival ist, dann geht das völlig in Ordnung. Im übrigen ist es für mich überhaupt einer der ersten schlüssigen Erklärungen, warum sich alle Welt zurückwünscht in eine bessere Vergangenheit und dann auch noch genauso kleidet oder benimmt. Großartige Leistung!



Und ganz zum Schluss noch ein Lob: allein dafür, dass die Ärzte dafür sorgen ihre Videos und ihre Songs überall verfügbar zu machen, gehört ihnen ein extra Danke! Da wirds nicht irgendeinem großen Label oder einer Verwertungsgesellschaft überlassen per Verknappung eine große Nachfrage zu erzeugen. Stattdessen umgekehrte Taktik: möglichst viel auf den Markt werfen um möglichst viele Zugriffe zu generieren, die am Ende auch zu mehr Sympathisanten und später dann auch Konzertbesuchern und Sammlern führt. Und die Umsätze im Tonträgergeschäft stimmen seltsamerweise auch. Das geht schwer in Ordnung.

Mutig / Will dich zurück




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