Freitag, 2. März 2012

Roman Lob: Standing Still

Und das ist jetzt also Unser Star Für Baku. Seltsamerweise – oder vielleicht doch eher: wie zu erwarten war – interessierten sich dann gar nicht sooo viele Menschen für das nächste Casting im TV-Reigen.Woran’s gelegen hat bleibt Spekulation.Sind Thomas D., Stefan Raab und Alina Süggeler weniger cool als NENA & Co.? Oder war es das ungewohnte Live-Voting? Oder war das Auswahlverfahren dann doch zu langweilig wie es schon einige Permanentzuschauer festgestellt haben?

Auch das ist ein bezeichnendes Indiz: statt über den Titel oder den Sänger zu sprechen, rede ich erstmal über die Umstände, wie er zu seinem Erfolg kam. Das zumindest dürfte den meisten Casting-Stars passieren, denn ohne breite TV-Präsenz wären sie nicht die Stars, die sich für mehr oder weniger lang im Licht des Ruhmes bewegen dürfen. Roman Lob könnte zumindest ein klein wenig länger die Chance haben im Rampenlicht zu stehen. Immerhin wird er gewähltermaßen am 26. Mai Deutschland beim Eurovision Song Contest vertreten. Und sehr wahrscheinlich folgt in der Zwischenzeit und auch danach eine ganze Menge TV-Präsenz über das Stefan Raab-Fernsehimperium.

Zum Titel selbst: Standing Still ist eine recht kraftvolle Pop-Ballade. Und aus eigener Erfahrung behaupte ich, sie hat tatsächlich Hitpotenzial. Während mir der Titel das erste Mal begegnete dachte ich noch, nun, ob das wirklich reicht, sich zum Beispiel gegen pompös inszenierten Trash aus sonstwo durchzusetzen? Aber danach hatte ich die Melodie tatsächlich im Ohr – trotz weiterer Musik, die dazwischen lief. Irgendwas ist da also vorhanden an Eingängigkeit. Und dabei klingt es gar nicht mal so sehr anbiedernd. Vielleicht schon etwas gefühlsduselig – und warum muss es denn ausgerechnet schon wieder eine Ballade sein, die da gewinnt? (Ok, die letzten beiden Jahre waren richtige Popsongs mit Rhythmus und Schwung und so) Ballade hin oder her – ganz ehrlich: da haben wir doch schon wesentlich schlimmere Ergebnisse gehört und gesehen.



Dass Roman Lob, der Kuschelbär, auf Romantik und mehr oder weniger Schmusekurs abonniert ist, zeigen die beiden anderen Titel, mit denen er ins Rennen ging: Conflicted und Alone bedienen ziemlich genau das gleiche Genre, obwohl sie von komplett anderen Autoren stammen. Auch während der verschiedenen Casting-Stufen hat’s ihn immer wieder in die Richtung getrieben. Das kann er halt ganz gut bedienen. Und nicht umsonst ist er gern auch mal der Sänger mit den Rehaugen.“ Auf Romantik abonniert würd ich das mal nennen. Oder warum lässt sich jemand aus Liebe zur Musik ein farbiges Mikrofon auf die Brust tätowieren. Wie weltfern und verklärt sind denn junge Menschen heute eigentlich?

Wie schon bei Ivy Quainoo würd ich auch den Wunsch äußern nach einem komplett anderen Stil. Vielleicht mal was Lebensfrohes? Aber Roman Lob fühlt sich pudelwohl in seiner Ecke und alles andere wäre für ihn aufgesetzt und unglaubwürdig. Ob die Romantik-Kuschel-Schiene aber auf Dauer aushaltbar bleibt und vor allem wie aufregend das wirklich wird, das kann man eigentlich schon jetzt beantworten.

Weil das Lied nun als der deutsche Beitrag beim immerhin größten europäischen Song-Wettbewerb auf die Probe gestellt wird, sind wohl auch noch ein paar wenige Worte zu den Umständen des Contests nötig. Gern und immer wieder wird darauf verwiesen, dass die Veranstaltung ja total unpolitisch sei. Deshalb ja auch die Wahl von meistenteils sehr belanglosen Liedchen (die durchaus Popqualitäten haben, aber eben höchstens zum Tageshit reichen). In der Realität entpuppt sich aber die Veranstaltung nahezu in jedem Jahr als zumindest Bühne für Politisches. Die tatsächlichen Interessen und Bedürfnisse von Menschen sind nicht einfach wegzublenden. Und im Grunde wäre es an der Zeit, sich dieser Situation zu stellen. Die Kampagne Sing For Democracy versucht genau das: Liederwettbewerb JA, aber bitte nicht wegschauen und vergessen, dass Aserbaidschan nicht einfach nur ein tolles und exotisches Austragungsland ist. Vielleicht schafft es ja auch der Kuschel-Roman ein entsprechendes Statement von sich zu geben. Oder hat ihm das die Pro7-ARD-Riege verboten?




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