Freitag, 4. Mai 2012

train: Drive By

Die Geschichten wiederholen sich. Zumindest teilweise. Ein Song kann besonders punkten nachdem er in einer Casting-Show – gern sehr nah am Finale – von einem Kandidaten interpretiert wurde. Das hat zuletzt ganz großartig bei Philipp Poisel und seinem Eisernem Steg funktioniert. Sogar zweimal innerhalb eines Vierteljahres. Und auch Sean Paul erlebte mit She Doesn’t Mind nochmal einen ordentlichen Nachfrageschub nachdem der Titel bei DSDS performt wurde.

Nun ist es also Drive By von der US-amerikanischen Band train das nochmal ordentlich an Popularität gewinnt. Nicht, dass der Titel zuvor kein Hit gewesen wäre. Immerhin hatte er bereits Top 10 Status im deutschsprachigen Verkaufsraum. Nachdem allerdings Daniele Negroni den Titel im Halbfinale sang, gehts in der Schweiz sogar bis auf Platz 1. Das nenn’ ich mal Medienmacht. In Deutschland reicht es immerhin noch für Platz 3 – auch nicht zu verachten.

Aber lassen wir mal den DSDS-Effekt beiseite. Wie schon erwähnt, Drive By war schon zuvor recht beliebt. Und ich hab mich vom ersten Hören an gefragt: warum eigentlich? Eingängigkeit und Mitsingfaktor bis zum Abwinken. So viel, dass es im Grunde schon nicht mehr schön ist. Prompt tönt es auch aus allen Radios und durch alle Sendeanstalten hindurch. Derartige Berechenbarkeit nervt. Mich jedenfalls. Die Mehrheit der Musikkonsumenten offensichtlich nicht. Da scheint ein großer Bedarf vorhanden zu sein an simplen Melodien und beschwingtem Rhythmus. Ist das so, weil die Welt um uns rum so kompliziert geworden ist? Oder wollen wir abgelenkt werden von Problemen? Oder nehmen wir gar alles was da so passiert tatsächlich nur noch als einfach und weichgespült wahr? Ist ja alles da, alles irgendwie erreichbar, sofort, ohne große Anstrengung. Nur mit der Liebe, da wird's bisschen komplizierter.

Also setzen train mit ihrer Geschichte an einem Punkt an, der wahrscheinlich tatsächlich vielen bekannt ist. Da hat man sich eingelassen mit jemandem, es war sehr aufregend und schön, aber irgendwie war man selbst zu schnell weg. Warum auch immer. Angst, Unsicherheit, Gewohnheit … es gibt viele Gründe, der plötzlich drohenden Nähe zu entfliehen. Schwierig wird’s dann, wenn man wenig später realisiert: das hätte sich vielleicht gelohnt, etwas mehr zu investieren. Wie kommt man da jetzt nur zurück? Sänger Patrick Monahan versucht es mit Schwüren: “Ich werde immer für dich da sein. Du bist nicht nur eine kurze Affäre.”



Natürlich kommen solche Versprechen nur zustande aus einer Verklärung heraus. Die gemeinsame Nacht fühlt sich im Nachhinein einmalig und unwiederbringlich an. Das Einverständnis, die Gemeinsamkeit zwischen beiden scheinen unzerstörbar. Aber natürlich ist das alles Unsinn. Denn warum war denn dieses Gefühl nicht schon an dem Morgen da, als man wortlos ging? Irgendwas hat da wahrscheinlich doch auch gefehlt um zu ermöglichen, dass man bleibt. Das alles auf die Macht der Gewohnheit zu schieben wäre zumindest arg einfach.

Das, was einen am Ende fertig macht und zu solch absurden Versprechen führt, ist die Unsicherheit: Was wäre wenn …? Hätt’ ich anders reagiert, würde dann jetzt …? Und natürlich der total romantisch verklärte Wunsch nach diesem ewigen Beziehungs- und Vertrautheitsding. Der/die wär’s gewesen. Für ewig.

Hier passt die simpel eingängige Form zum enorm unhinterfragten Wunschdenken. Insofern: ein gelungenes Stück Pop. Jedenfalls wenn man Pop als Märchen begreift. Ich wiederhole nochmal: Märchen. Also unreale, niemals sich erfüllende Fantasie. Die absolut Berechtigung hat. Sofern man zwischen Medienzauber und Realität unterscheiden kann. Denn sonst ist das überraschte Erwachen irgendwann vorprogrammiert und meistens mit höllischen Konsequenzen. Was es dann erst für “Hätte” und “Könnte” gibt … Allerdings lassen sich daraus natürlich wieder hervorragende Popsongs machen. Die sind dann hoffentlich nicht ganz so trallalla-mäßig gestrickt.




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