Samstag, 31. Oktober 2015

Adele: Hello



Fast hätte ich veregessen, dass es neben dem Sorglos-Deep-House und weinerlichen Liedermacher-Gesang (gern auch in einer Rap-Version) noch eine weitere erfolgsgewichtige Musikströmung in den 10ern existierte. Die soulful ballad (bei wikipedia findet man auch den Begrif "Power Ballad".

Wie auch immer – irgendwie war diese Stilform kaum noch wichtig für mich, obwohl natürlich solche Künstler wie Sam Smith beständig präsent waren. Es brauchte doch erst die Rückkehr von Adele um mich wachzurütteln: Da war doch noch was!

Mit Hello gelingt es der Sängerin eindrucksvoll drei Jahre ungeschehen zu machen. Sie knüpft einfach da an, wo sie 2011 mit 21 aufgehört hat. (Das kleine Skyfall-Intermezzo nehmmich hier mal aus.) Wenn ich Someone Like You (das sich immer noch in d´meiner aktuellen mp3-Playlist befindet) oder Turning Tables mit Hello vergleiche, dann scheint es tatsächlich so, als wäre das letzte Album erst gestern veröffentlicht worden. Und das Ungewöhnliche daran ist, dass Hello trotzdem ganz schnell überzeugen kann.

Es ist vor allem wieder Adeles Stimme und ihre authentisch-gefühlvolle Art zu singen, die mich einnehmen und aufhören lassen. Hello ist so intensiv, als wäre es die erste Erfahrung von Verlust und Bereuen. Konzentriert auf die Sängerin selber singt sie sogar den Begleitchor und die Streicher an die Wand. Das ist sehr konsequent.

Und ich behaupte, diese Konsequenz ist es, die Adele tatsächlich zu einer Ausnahme-Künstlerin machen. Da wo sich alle möglichen Stars und Sternchen immer wieder neu erfinden müssen und im Jahresrhythmus ihr Image ändern, da arbeitet Adele an Material, konzentriert sich auf Songs oder Produktionen. Die Geschichten über ihre Schreibblockade in der Vergangenheit und den Verzicht, irgendetwas aufzunehmen passt genau zu ihrem Unbehagen, vor Riesen-Stadien aufzutreten oder der tatsächlich durchgezogenen Pause. Adele macht nichts, was sie nicht auch 100% meint. Produzenten und Managern zum Trotz. Und deshalb wird es auf ihrem nächsten Album eben nur einen Song von Ryan Tedder geben und die Max-Martin-Produktion ist offenbar rausgeflogen. Wer würde sich so etwas trauen?

Adele setzt hier selbst die Maßstäbe und ist genau deshalb so überzeugend. Unter diesem Aspekt darf man sich dann auch das Video von Xavier Dolan anschauen, in welchem Tristan Wildes als ihr Gegenüber und Ex-Liebhaber auftritt.



Bei allem Schwarz-Weiß und eingestaubtem Interieur, mit der Besetzung allein ist das Video alles andere als altmodisch. Die Paare zwischen Schwarzen und Weißen im aktuellen Medienrummel kann man an wenigen Fingern abzählen. Hautfarbe macht immer noch einen Unterschied. In Hello geht das dagegen ganz selbstverständlich - und das ist hier die politische Dimension, die ganz unterschwellig mitgeteilt wird.

Schön wär's, wenn sich mehr Musiker*innen genau das auch trauen würden.


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