Freitag, 29. September 2017
Post Malone Featuring 21 Savage: Rockstar
Coolness hat also doch noch einen Namen. Und im Moment lautet der Post Malone. Das ist sogar ein bisschen verwunderlich, denn erstmal kommt der Mann ja eher wie so ein Durchschnitts-Rocker rüber. Schwitzend, bisschen zu wenig gestylt, da könnte ich jetzt ganz gut auch "Hippie" draufschreiben. Obwohl er dafür zu wohlstandsdick ist. Also eher sowas wie "Liedermacherpoet". Wenn da nicht diese ungezählten Tattoos wären, die nicht unbedingt Melancholie-Romantik-Slogans transportieen.
Und vermutlich liegt genau darin die Coolness dieses Typen. Der schmeißt nämlich ziemlich problemlos all das in einen Topf. Er ist Singer/Songwriter, Rapper, Gitarrero, Produzent und weiß der Geier was noch so alles. Sogar mit Justin Bieber hat er musikalisch schon rumgemacht. Alles das aber ziemlich locker ohne Verbissenheit. Diese verschiedenen Mini-Identitäten zusammen ergeben ein äußerst eigenes Gemisch. Hören wir uns Rockstar nur mal an.
Da habe ich nach 20 Sekunden eigentlich schon alles gekriegt, was dann noch 3 min lang ununterbrochen wiederholt wird. Gehts noch? - Nix passiert da weiter als immer wieder derselbe Refrain auf dem gleich bleibenden Beat. Kein Höhepunkt, kein Break … Wahnsinn. So als würde man gleich völlig abknallen aber das Ganze dann doch noch einen Moment und noch einen Moment hinauszögern. Geht so was eigentlich? Oder besser: Wie lange?
Post Malone hat sich entschieden gut 3:20 min durchzuhalten. Das reicht um in den Beat reingezogen zu werden und nicht völlig hängenzubleiben. Zumindest wenn man nicht Repeat1 eingestellt hat.
Lyricstechnisch get es auch gut durch diverse Lifestyles: Rock-Gebaren trifft sich mit Kifferlyrik trifft auf Rap-Machoismus. Je nachdem, welche Variante des Tracks man erwischt, ist das mehr oder weniger ordinär. Und weil sich das alles dann doch nur in Nuancen unterscheidet, erklärt sich plötzlich, warum so ein Rapper auch mal locker einen auf Gitarrenheld machen kann und das Ganze trotzdem überzeugend ist.
Mir geht es dann doch ziemlich schnell so, dass mich die Geschichten um schwarze Limousinen voller Models und Drogenparties gar nicht so sehr interessieren. Den Beat + Chorus finde ich dagegen mit jedem Hören magischer. Da haben dann also vor allem die Produzenten Louis Bell und Tank God gute Arbeit getan.
Wer auch immer verantwortlich ist für die coole Entspanntheit, die Rockstar rüberbringt – das kommende Album von Post Malone Beerbongs And Bentleys hat mit diesem Drop Off schonmal ordentlich neugierig gemacht. Und jetzt schon so ziemlich die halbe Welt in seinen Bann genommen.
Freitag, 22. September 2017
LAUV: I Like Me Better
Es beginnt mit ein paar quietschenden Streichakkorden am Anfang und ich horche auf. Das kann man sich also trauen im Alltagsradiobrei. Da muss doch eigentlich jeder für einen Moment aufmerksam werden.
Ich schätze mal, dieses Intro trägt ganz wesentlich dazu bei, dass I Like Me Better zum Hit wurde.
Denn was danach kommt ist schon reichlich Allerweltsliedermachersound.
Ein paar sentimentale Gitarrenklänge und eine durch und durch leidende Stimme. Der Weltschmerz ist allgegenwärtig. Denn dieses großartige Gefühl, zu jemandem zu gehören, das kann ja gar nicht ewig währen. Das muss ja irgendwann zu Ende gehen. Und darüber lohnt es sich jetzt schon zu klagen.
LAUV gehört zu der jungen Generation, die es nicht gelernt hat, den Augenblick zu genießen, das Jetzt. Er weiß zwar ziemlich genau, wenn etwas gut und schön ist, aber seine Ansprüche sind so hoch, so unermeßlich, dass diese unerreichbar sind. Ewig dauernde Liebe zum Beispiel. Und weil er spürt, dass die Schönheit zerbrechlich ist, dass es jeden Moment zu Ende gehen kann, nur ein Windhauch und alles fällt in sich zusammen - deshalb bemitleidet er sich und das Leben.
So wird dieser schöne Gesang, der auch hätte ein wahnsinniges Kompliment an die Geliebte sein können, dieser Gesang wird zur flehentlichen Bitte
Stay awhile stay awhile, oh
Stay awhile stay awhile
Stay here with me
Right here with me
Eigentlich ist das auch ein bisschen schade, dass es offenbar heute gar nicht mehr so einfach ist, aufrichtig zu sagen: Du machst mein Leben schöner!
Das ist in etwa so wie die tausendfachen Instagram-Inszenierungen, die es nicht schaffen zu sagen: Das ist mal ein geiler Moment, ich fühle mich gut und schön. - Immer steht da noch was Ironisches dabei.
Nur damit man nicht Position beziehen muss.
Ich glaub, das ist auch das, was mich an I Like Me Better langweilt. Der Song hätte Potenzial zur Liebeserklärung zu werden, aber er verzweifelt im Weltschmerz. Er hätte eine wunderbare Schönheit aus schiefen Akkorden zaubern können – Coco Rosie machen das seit Jahren wunderbar vor – aber er nimmt dann doch lieber die Romantik-Gitarre um bloß nichts Neues zuzulassen. Er könnte einen einmaligen Moment in musikalische Form bringen, aber er versinkt im Alltagsgedudel.
Wahrscheinlich ist genau das der Grund, wieso ich immer denke: I Like Me Better, das ist doch diese DeepHouse-Schnulze ... und jedesmal wieder bin ich überrascht, dass es gar kein bisschen DeepHouse ist.
Das muss man erstmal schaffen, in solche Assoziationsräume zu kommen.
Und so starre ich in meiner Enttäuschung auf das Video, welches ebenfalls ganz schön sein könnte in seiner Kombination von jungem und reifem Glück. Aber alles was ich sehe ist weißer Mittelstand und konventionelle Glücksvisionen. Gesicherte Existenz, kreative Tätigkeiten voller Selbstverwirklichung und überbordende Blumensträuße. Irgendwie ist das ganz schön RTLII-Heile-Welt und damit Normcore in Reinform.
Ich steh da doch eher auf das schräge Geknarze mit Überraschungen.
Freitag, 15. September 2017
Kay One & Pietro Lombardi: Señorita
Aua aua aua - es geht offenbar immer noch schlimmer und bescheuerter.
Da hatte ich mich nun also damit abgefunden, dass Despacito wirklich der erfolgreichste Hit seit Einführung der wöchentlichen Charts ist und war beruhigt, dass der Endlosaufenthalt auf Platz 1 dann auch mal ein Ende hat, der Sommer ging zu Ende und der eine oder andere neue Hit gefiel mir sogar. Und plötzlich steht da auf der Nummer 1 ein Duo, dass an sich schon die völlige Lachnummer ist. Die beiden Bohlen-Prinzen Kay One und Pietro Lombardi singen ein Duett. Gut, sollen sie. Wen stört's?
Offenbar ja doch eine ganze Menge Teenies. Beeindruckend, mit welcher Euphorie Señorita aufgenommen wird. Dabei ist der Song vor allem eines: Eine ziemlich dreiste Kopie dessen, was in den letzten Wochen bereits die Charts bestimmt hat. Ein Allerwelts-Raggaton-Beat liegt unter den Rap-Versuchen von Kay One, der auf ganz dicke Hose macht, wie seine Vorbilder aus Hamburg - ach sorry, er war ja mal das Ziehsöhnchen von Bushido und Fler, hatte ich schon vergessen. Selbst die MCs in den 90ern waren im Vergleich cooler.
Pietro kommt dagegen schon ganz gut an den Schmalzfaktor von Luis Fonsi ran ... und sag mal, klingt das Ganze nicht sogar rein zufällig sehr sehr ähnlich wie der Sommerjahreshit aus Puerto Rico?
Nun ist es ja das Eine, wenn Sänger so dreist die Erfolgsrezepte von anderen nachkochen. Im besten Fall finden sie den Sound wirklich geil und wollen einfach nur Spaß haben – dann könnte man aber auch ein cooles Cover machen und so beweisen, dass man dem Original vielleicht noch eine eigene Nuance hinzufügen kann. Im Fall der beiden Jungs aus dem Privatfernsehen habe ich allerdings den argen Verdacht, dass es vor allem um die Kohle geht. Plattenfirma meint: Es müsste mal wieder eine Nummer 1 her! Ok, machen wir.
Ätzend ist aber vor allem, dass Menschen diesen Ideenklau sogar noch geil finden. Haben denn all die Kampagnen von Urheberrecht und nicht Kopieren usw. gar nichts bewirkt. Angeblich zahlen junge Menschen ja mittlerweile sogar für ihre Downloads. Damit die Künstler überleben können. Und dann haben dieselben Fans überhaupt kein Problem, wenn jetzt Pietro und Kay One die Kohle einstecken statt der knuddelige Fonsi-Bär?
Was läuft da eigentlich gerade schief in Deutschland, dass dieses Volk sich so sehr in die Karibik wünscht? Ist es das immerschöne Wetter? – Dieser Sommer war ja über lange Zeiten doch eher ein Herbst. Ist es die unverhohlene Macho-Rollenverteilung? Feminismus ist zwar derzeit als T-Shirt-Aufdruck ganz gern gesehen, aber lass sie bloß nicht selbst bestimmen, was sie mögen und was nicht. Oder ist es die Vorstellung, dass man auf so einer Insel noch wer ist? Die Einheimischen kommen nur als dekoratives Beiwerk vor – dürfen als Kulisse im Bild stehen – die mit dem Spaß, das sind die Jungs aus Europa.
Ich bin also völlig geplettet, einigermaßen entsetzt und hoffe einfach, dass der Spuk ganz ganz schnell wieder vorbei ist.
Freitag, 8. September 2017
RAF CAMORA: Primo
Wenn man sich so anschaut, wie unterschiedlich der erfolgreiche Scheiß ist, der aus Deutschland kommt zu dem was sonst so aus USA, Europa oder Südamerika rüberschwappt, da kommt man schon auf die Idee, dass da in den deutschsprachigen Gebieten grad ordentlich was Eigenes läuft. Gangster-Rap en masse. Von grenzdebil bis idiotenlustig ist alles dabei. Auch das eine oder andere tiefgründigere Stück. Wobei es ja bei den Rap-Buben ganz bewusst immer hin und her geht: Bloß nicht einordnen lassen...
Zu den Zuchthengsten erster Klasse gehört seit einem Jahr der Österreicher RAF CAMORA. Nachdem er durch Bonez MC und die 187 Strassenbande nochmal einen richtigen Schub bekommen hat, mischt er sowohl im Hintergrund als auch als Plakatboy anständig mit. Gerade veröffentlichte er sein Album Anthrazit – auf Anhieb Nummer 1 in Deutschland. Und 14 der Tracks aus dem Album schaffen es als Solo-Cut in die Songcharts.
Als ich mir das Album quer durchgehört habe, da bin ich dann doch überrascht. Der Typ kann ja sogar mehr als nur dicke Hose und Kiffen. Der hat sogar was zu erzählen. Zieht euch nur mal Andere Liga oder Money rein. Plötzlich ist der stahlharte Rapper voller Bewunderung für eine Frau!!! Und auch wenn er weiterhin Luxus predigt, ist er doch klar genug im Kopf, dass es mit der Kohle nicht alles ist und sehr sehr schnell auch wieder vorbei sein kann. Vor allem wenn man so geistesgestört wie ein neureicher Immobilienhai die Scheine nur so für Statussymbole raushaut. Diesen Scheiß mitzumachen und gleichzeitig zuzugeben, dass das alles nur einen Moment dauern wird und morgen die ganze Scheiße von vorn losgeht, das erfordert durchaus ein bisschen Grips.
In der Masse ist dann eher das tumbe Geprolle beliebt. Primo muss man sein, alles andere findet die Meute nicht relevant. Und wenn der King dann zum hundertsten Mal seine Geschichte erzählt und sich feiert, dann rastet das Volk aus.
Das ist schon ordentlich schräg. Weil es ja auch erzählt, dass all die Fans und Groupies völlig zufrieden sind mit ihrer Rolle als Untertanen. Klar, wo es einen Führer gibt, muss man nicht mehr nachdenken. Und wenn's mit dem Mal zu Ende geht, dann suchen wir uns eben einen Neuen - wir haben mit all dem nichts zu tun.
Das erzählt mehr oder weniger deutlich auch Raf Camora, wenn er über die geldgeile High Society lästert. Heute fickt er sie alle, nächste Woche ... wen interessiert schon nächste Woche?
Mir sind die Tracks ohne Buddy Bonez MC lieber. Schon allein deshalb, weil ich nicht so wahnsinnig auf die arroganten Ersten stehe. Da hab ich schon zu viele jammernd im Dreck liegen sehen. Das ist nicht mal als Dschungel Camp lustig. Aber bitte – ihr seid alle alt genug, um das selbst zu entscheiden.
Freitag, 1. September 2017
Taylor Swift: Look What You Made Me Do
Tatsächlich gibt es Menschen, die halten Taylor Swift für eine begnadete Pop-Künstlerin. Bereits seit ihrem letzten Album aus dem Jahr 2014. – Das kann ich nicht unterschreiben.
Und wenn man dem aktuellen Beef glauben darf, muss man sich entscheiden zwischen Katy Perry und Taylor Swift. Na, da bin ich doch viel viel mehr für Katy Perry. Die hat Witz, nimmt sich selbst nicht so ernst und spielt das Pop-Spiel sehr selbstsicher mit. Da muss man sich nur mal Swish Swish anschauen.
Taylor Swift ist dagegen eine verbissene Zicke, die mit viel viel Inszenierung versucht alle Register zu ziehen, bei all dem aber angestrengt aussieht. In ihrem Clip zur aktuellen Single kann man das sehr schön sehen.
Sexy ist nicht sexy, sondern gespielte SadoMaso-Nummer. Lust? Fehlanzeige.
Glamour ist Glitzerkette, roter Nagellack, goldlackierter Sportschlitten ... das ist 2005 und Gwen Stefani light.
Dann versucht sie noch ein bisschen was witziges mit Gay Dancers – das ist nicht lustig, sondern eher daneben. Taylor Swift ist ja auch keine Schwulen-Ikone, woher soll sie wissen, wie witzige Travestie geht.
Für all das hat sie unglaublich viel Geld in die Hand genommen, Look What You Made Me Do ist tatsächlich hochprofessionell gedreht. Nur, will ich sowas wirklich sehen?
Diese Einschätzung ist natürlich zutiefst subjektiv. Und spiegelt überhaupt nicht die Meinung der Mehrheit wider. Die hat Taylor Swifts Single mal auf Anhieb auf die höchste Position jemals gehievt (abgesehen vom Schmonzetten-Duett mit Zayn)
Warum stehen so viele Menschen auf derartig offensichtliche Maskerade und falsches Schauspiel?
Vielleicht, weil es rundrum eben auch immer nur um Oberfläche geht – ungebrochen. Ständig dieser Marketing-Maschinerie ausgesetzt zu sein, hat dann zur Folge, dass man auch nichts anderes mehr kennt und wahrnehmen kann. Erfolgreich ist, wer den größten Glanz aufträgt und die meisten Kostüme in 10 Sekunden vorführt. Lady Gaga lässt grüßen.
Anerkennend muss ich sagen, dass ich die Produktion von Look What You Made Me Do wirklich überzeugend finde. Sogar der Fakt, dass mich viel an Gwen Stefanis Album Love.Angel. Music.Baby erinnert, geht für mich in Ordnung. Die starke Reduzierung auf Rhythmus und Stimme setzt sich angenehm von den überproduzierten Hits der Chainsmokers und DJ Khaleds ab. Der überdrehte Refrain aufgeregter Frauenstimmen steht dazu dramaturgisch in hartem Kontrast und lässt Taylor Swifts Strophengesang fast schon entspannt erscheinen. Wären da nicht diese eher verkrampften Lyrics.
Singt sie da jetzt tatsächlich über eine Abrechnung mit einem verlorenen Lover? Oh Mann - wie Opfer ist das eigentlich? Jemand, der sich Frust derartig von der Seele singen muss, ist sicher nicht die Person, die cool in vierzehn verschiedene Rollen springt. Wie gesagt: Katy Perry kann das irgendwie besser.
Und wenn man dem aktuellen Beef glauben darf, muss man sich entscheiden zwischen Katy Perry und Taylor Swift. Na, da bin ich doch viel viel mehr für Katy Perry. Die hat Witz, nimmt sich selbst nicht so ernst und spielt das Pop-Spiel sehr selbstsicher mit. Da muss man sich nur mal Swish Swish anschauen.
Taylor Swift ist dagegen eine verbissene Zicke, die mit viel viel Inszenierung versucht alle Register zu ziehen, bei all dem aber angestrengt aussieht. In ihrem Clip zur aktuellen Single kann man das sehr schön sehen.
Sexy ist nicht sexy, sondern gespielte SadoMaso-Nummer. Lust? Fehlanzeige.
Glamour ist Glitzerkette, roter Nagellack, goldlackierter Sportschlitten ... das ist 2005 und Gwen Stefani light.
Dann versucht sie noch ein bisschen was witziges mit Gay Dancers – das ist nicht lustig, sondern eher daneben. Taylor Swift ist ja auch keine Schwulen-Ikone, woher soll sie wissen, wie witzige Travestie geht.
Für all das hat sie unglaublich viel Geld in die Hand genommen, Look What You Made Me Do ist tatsächlich hochprofessionell gedreht. Nur, will ich sowas wirklich sehen?
Diese Einschätzung ist natürlich zutiefst subjektiv. Und spiegelt überhaupt nicht die Meinung der Mehrheit wider. Die hat Taylor Swifts Single mal auf Anhieb auf die höchste Position jemals gehievt (abgesehen vom Schmonzetten-Duett mit Zayn)
Warum stehen so viele Menschen auf derartig offensichtliche Maskerade und falsches Schauspiel?
Vielleicht, weil es rundrum eben auch immer nur um Oberfläche geht – ungebrochen. Ständig dieser Marketing-Maschinerie ausgesetzt zu sein, hat dann zur Folge, dass man auch nichts anderes mehr kennt und wahrnehmen kann. Erfolgreich ist, wer den größten Glanz aufträgt und die meisten Kostüme in 10 Sekunden vorführt. Lady Gaga lässt grüßen.
Anerkennend muss ich sagen, dass ich die Produktion von Look What You Made Me Do wirklich überzeugend finde. Sogar der Fakt, dass mich viel an Gwen Stefanis Album Love.Angel. Music.Baby erinnert, geht für mich in Ordnung. Die starke Reduzierung auf Rhythmus und Stimme setzt sich angenehm von den überproduzierten Hits der Chainsmokers und DJ Khaleds ab. Der überdrehte Refrain aufgeregter Frauenstimmen steht dazu dramaturgisch in hartem Kontrast und lässt Taylor Swifts Strophengesang fast schon entspannt erscheinen. Wären da nicht diese eher verkrampften Lyrics.
Singt sie da jetzt tatsächlich über eine Abrechnung mit einem verlorenen Lover? Oh Mann - wie Opfer ist das eigentlich? Jemand, der sich Frust derartig von der Seele singen muss, ist sicher nicht die Person, die cool in vierzehn verschiedene Rollen springt. Wie gesagt: Katy Perry kann das irgendwie besser.
Freitag, 25. August 2017
Justin Bieber + BloodPop(R): Friends
Großartig! Ganz einfach.
Es gibt selten Songs, die mich auf Anhieb umhauen. Dieser gehört dazu. Obwohl die Voraussetzungen dafür gar nicht gut waren: Justin Bieber hat in letzter Zeit eine Menge Quatsch veröffentlicht. Positiv könnte man formulieren: Der hat halt vor nichts Angst und ist wahnsinnig vielseitig. Leider führt das nicht immer zu besonders tollen Produktionen. Zwar sind die Auftritte bei DJ Khaled, David Guetta und Luis Fonsi alles Hits geworden, aber mal ehrlich: was genau war an denen so einzigartig? Ich würde sogar behaupten, dass die bloße Nennung von Herrn Biebers Name jeweils schon genügt hat um den Erfolg der Produktionen nicht ganz unerheblich zu beeinflussen. Gute Vermarktung - Kreativität eher minimal.
Bei Friends ist das eigentlich ähnlich. Es ist weniger Justin Biebers Gesang, der mich so überrascht. Obwohl es mir gefällt, dass dieser im Zentrum des Ganzen steht. Es ist die Produktion von BloodPop(R), die ganz geschmeidig an aktuellen Sounds ansetzt und eine flockige Pop-Nummer drausmacht. Und zwar in ganz klassischem Sinne. Schwungvoll, eingängig, mit einer ordentlichen Portion Kitsch drüber, gerade so, dass es zuckrig genug ist um Lust auf mehr zu machen. – Ich hab gar nicht gewusst, dass es überhaupt noch möglich ist solche Songs zu machen.
Das ist vielleicht auch der Grund für meine Euphorie: Die Erwartungshaltung an kommerziell erfolgreiche Musik sind bei mir derzeit sehr sehr niedrig. Die meisten Produktionen segeln aktuell derartig an der Hitgarantie entlang, da passiert selten mal ein echtes Gefühl.
Wenn dann ein junger Mann wie BloodPop daher kommt und Produktionen abliefert, die mich auf Anhieb anrühren, dann ist das schon ein bisschen sensationell.
Es ist also sehr wahrscheinlich, dass es nicht der Name BloodPop ist, der die Menschen Friends lieben lässt. Obwohl der Produzent schon bei Sorry an den Mischpultknöpfchen mitgedreht hat und dort (in Kooperation mit Skrillex bewiesen hat, dass er den Teenie-Star sehr gut und zeitgemäß inszenieren kann. Jetzt offiziell als Künstler benannt, könnte er der nächste Produzentenstern am Pop-Himmel sein. Was mich nach den ersten Hör-Eindrücken tatsächlich freuen würde.
Wäre ja schön, wenn es neben den Brachial-Poppern The Chainsmokers auch noch ein oder zwei Namen gäbe, die mit etwas mehr Feingefühl meinen Alltag versüßen. Digital Farm Animals gehört dazu. Und noch etwas elektronischer angereichert Fujiya & Miyagi und Flume. Das könnte die neue, junge Garde des Pop sein, die es schafft, mit verschiedenen Stilmitteln umzugehen und tatsächlich schöne Zwischentöne zuzulassen. Da muss jetzt nur noch das Publikum mitspielen. Ob das derzeit für emotionale Anrührung zu haben ist. Ich weiß es nicht.
Freitag, 18. August 2017
P!NK: What About Us
Es hat doch ganz schön lang gedauert bis P!NK mal wieder so richtig präsent ist mit neuem Material. Hier kommt sie also - und beginnt deutlich politisch.
Sounds von Straßenriots zu Beginn ihres Videos, Schnipsel aus Politikerreden und dann "God bless you and god bless America" - immer noch patriotisch. Einpolitischer Anti-Trump-Song ist das wohl nicht.
Und dann beginnt tatsächlich ein Popsong, den P!NK in dieser Art noch nie zuvor veröffentlicht hat. Selbst ihr Einstand Get The Party Started war wesentlich rauer. Hier sind es Piano-Harmonien, die sich in steter Wiederholung zum Höhepunkt hochschrauben. Das Ganze klingt natürlich auch ein bisschen nach Coldplay und so hat Produzent Steve Mac doch noch die Kurve gekriegt zum Song, der nah genug am Mainstream ist um sich zu verkaufen und trotzdem noch so ein bisschen Independent-Feeling mit sich bringt.
Hört man ein wenig auf den Text, dann wird schnell klar: Das könnte doch ein Protest-Song sein. Allerdings drückt sich die Sängerin vor allzu klaren Aussagen. Ja, das lässt sich alles lesen als ein Abgesang auf dumme, undurchdachte Politik - aber wen meint sie denn da mit "We" and "You"? Das ist dann doch eher ein ungerichtetes "Die da oben"-Geschimpfe. Nicht sehr konstruktiv, nicht besonders klar. Aber immerhin genug Anknüpfungspunkte um mitzuzetern. "Was ist mit uns?" ist ja grundsätzlich erstmal ein Forderung, in die viele einstimmen können. Jede*r fühlt sich ein bisschen außen vor gelassen. Auch die Mächtigen und Bestimmenden.
Das ist alles ein bisschen schade. Wenn P!NK ein wenig genauer sagen könnte, was sie da so annervt, dann wäre dieser Song vielleicht wirklich was für die Rubrik "Populäre Protestsongs" - so bleibt es eine ganz eingängige Pop-Produktion für irgendwie die falsche Sängerin. Celine Dion hätte hier vermutlich mit mehr Pathos auch ganz gut reingepasst.
Freitag, 11. August 2017
Calvin Harris Ft. Pharrell Williams Katy Perry & Big Sean:FEELS
So poplastig kann also Reggea daher kommen. Und sich dabei sogar noch einigermaßen gut anfühlen. Mir geht es jedenfalls so, dass ich ordentlich froh darüber bin nicht noch eine kifferverrauchte oder völlig verpeilte Blödelnummer auf diesem Sound hören muss. Wahrscheinlich ist das ganz schön spießig, aber ich finde in diesem Fall ziemlich super, den Nischensound rauszuzerren ans Licht, durch die Mainstream-Maschinerie zu quetschen und dann der Normalität preiszugeben. Geht natürlich einher mit jeglichem Verlust von dem, was Reggea früher früher auch mal war.
Das alles geht für mich aber klar. Vor allem auch, weil die vier Superstars gar nicht erst versuchen mir vorzumachen, dass sie jetzt besonders alternativ oder cool sind. Sie machen halt Kaugummi-Pop. In aller Konsequenz. Deshalb ist auch das Video so gnadenlos Plastik. Kunstblumen, eine Palmeninsel aus der Augsburger Puppenkiste und jede Menge schlechter Videoeffekte. Das ist derartig weg von der Masse der aktuellen Videoproduktionen, dass es fast schon anti wirkt. - Aber keine Angst: Ich kram hier nicht den Rundumschlag raus und versuche zu beweisen, dass Pop im Grunde auch subversive Züge hat.
Für Calvin Harris ist diese Produktion eher ungewöhnlich. Glücklicherweise hat er sich ja innerhalb der letzten Monate doch das eine oder andere Mal getraut, seinen altbekannten Brettersound sein zu lassen und was anderes auszuprobieren. Mit diesem Ausflug beweist er, dass er schon ein ganz gutes Gefühl für Leichtigkeit und Spaß haben kann. Pharrell Williams ist bei Feels der Prägende. Sein Gesang, sein Gespür für Funk bestimmen die Produktion. Und ich könnte mir vorstellen, dass er bei der Entstehung des Ganzen ordentlich mitgemischt hat. Schöne Kombi würd ich das mal nennen.
Big Sean dagegen bringt einen ordentlich Bruch in das Ganze. Ich weiß ja auch nicht, warum jetzt wieder überall ein Rap-Part eingefügt werden muss. Das ist ziemlich 1:1 das, was in den 1990ern auch schon Usus war. Na gut, vielleicht wäre Feels ohne diese Unterbrechung auch wirklich etwas zu langweilig. Bekanntlich machen Gegensätze eine Sache ja durchaus erstmal interessanter.
Nun läuft also Feels nach etwas Anlaufschwierigkeiten doch auf allen Servicewellen und hat auch gerade im Vereinigten Königreich die Nummer 1 erreicht. Schön, dass es neben Despacito dann doch noch einen anderen Sommerhit in diesem Jahr gibt. Der ist zwar viel mehr Kindergarten als die Testosteron-Hymne aus Puerto Rico und erreicht vermutlich genau deshalb doch eine ganze Menge Menschen weniger. Aber auch das muss man sich ja erstmal leisten können: Auf Marktanteile verzichten, weil man eben nicht die brezdämlichsten Klischees wiederholt.
Und zu guter Letzt schreib ich auch das noch (obwohl das ja total verpöhnt ist bei Beschreibungen von Musik): Feels macht ganz gute Laune. Wenn man sich drauf einlässt.
Freitag, 4. August 2017
J Balvin & Willy William: Mi Gente
Ist das der nächste lateinamerikanisch infizierte Superhit? – Gut möglich.
Und was ist an dieser Produktion besser als an Despacito?
Erstmal, dass Mi Gente auf das kitschig-süßliche Latino-Hit-Umfeld verzichtet. Es gibt da recht wenig schwülstig getragene Gitarrenklänge oder Rumba-Samba-Lambada-Gewäsch. Dagegen mischt die Produktion die durchaus lateinamerikanischen Rhythmen mit zeitgemäßen westlich-europäischen Stilmitteln. Im besten Fall ist das eine Fusion, wie sie durch DJs/Produzenten wie Snake oder Diplo schon eine ganze Weile zelebriert wird. Willy William ist also der nächste in der Riege der mutig Kombinierenden und Mixenden.
Heraus kommt eine Mischung, die sowohl in Kolumbien als auch in Frankreich funktioniert. Spannend ist dabei zu beobachten, dass der Kolumbianer sich insgesamt viel westlich-europäischer inszeniert, als wir das aus den vielen verklärten Reportagen und Reiseberichten gewohnt sind. Und der Franzose Willy William zitiert ganz fröhlich eine Folklore, die nicht wirklich seine ist. Sehr hübsch wie in einer globalisierten und sich mehr und mehr mischenden Welt die Verweise und traditionellen Bedeutungen verschwimmen und auflösen. Ist das nun afrikanisch, europäisch, lateinamerikanisch?
Konsequenterweise fehlt im Video zu Mi Gente auch weitestgehend das karibische Palmen- und Strandgedöns. Statt ständig heißer Tag am Strand ist es auch mal Nacht. Der Danceclub ersetzt die Latino-Disco. Und die folkloristische Wandbemalung ist lediglich digital animiert und mit einem Fingerschnipsen weg.
Hier entsteht eine dunkle Welt, die an Blade Runner erinnert, und trotzdem wesentlich mehr Spaß und Lebensfreude vermittelt. Warum soll es auch in einer kulturell-durchmischten Welt keine schönen Seiten und Momente geben. Nur weil wir nicht mehr am jahrhundertelangen Paartanz festhalten, heißt das ja nicht, dass es nicht weiterhin um Paarungsrituale geht.
An Mi Gente überzeugt mich am Ende vor allem der sparsame fast minimalistische Einsatz der musikalischen Mittel. Visuell bunt - akustisch auf den Punkt reduziert: Rhythmus, ein paar Percussion-Elemente, Gesang und ein endlos wiederholter Loop. Brauchen wir mehr für eine gute Party?
Freitag, 28. Juli 2017
187 Strassenbande feat. Bonez MC & Gzuz: Millionär
Erzähl mir was über die 187 Strassenbande. Sie sind diejenigen, die seit einem Jahr die Charts aufmischen. In den unterschiedlichsten Konstellationen. Ihr aktueller Sampler 4 schafft es zwei Wochen hintereinander die Album-Charts anzuführen. Das kommt derzeit eher selten vor und ist vor allem solchen Acts vorbehalten wie Helene Fischer oder Ed Sheeran. Sie stehen auf dicke Autos - Fast & Furious lässt grüßen. Und sie inszenieren sich ganz gern als die harten Jungs. Runtergepitschte Stimme, die möglichst böse klingt - rüde Sprüche mit Nutten, Koks und jeder Menge Verachtung für alles, was irgendwie nach Legalität, Recht oder Ordnung klingt - Gangster-Style in Reinform. Und natürlich ist Geld und Luxus das A und O. Nichts anderes macht sexy, anerkannt, mächtig.
Davon träumen heimlich die deutschen Jungs. Es gibt sehr kluge Jungmänner, die sich gern und offen dem 187-Fantum hingeben. So rotzfrech möchten sie eigentlich auch sein. Und wenn dann Gzuz die Bundesliga kommentiert, dann kriegen sie mindestens einen Ständer.
Die 187 Strassenbande sind richtige Männer, keine Weicheier. Witzig, dass mir genau hier der Film Moonlight einfällt. Ist schon schwierig, im aktuellen Medienzitatendschungel mit einer knallharten Haltung verschont zu bleiben von doofen Vergleichen, Häme und Spott. Wobei sich die Medien in Sachen Strassenbande eigentlich ziemlich einig sind. Das ist irgendwie das sehr verunsichernde. Wenn HipHop-Experten ungefähr der gleichen Meinung sind wie die Autoren des Kommerz-Mainstream-Magazins, dann ist das irgendwie schon komisch. - Aber gut, Vin Diesel ist ja auch ein Medienstar in allen möglichen Kanälen.
Und warum ist es Millionär, das so ungemein durch die Decke geht?
Sicherlich ist das Zitat aus dem Popcharts der 90er ganz gehörig schuld dran. Mit Zombie von den Cranberries sind die heutigen Jungmänner aufgewachsen. Die Melodie jetzt zu hören setzt etwas Unterbewusstes frei. Wie schön war es doch als kleiner Junge. Cowboy und Indianer, gut und böse - das war alles klar eingeteilt. Und als Draufgänger war man natürlich immer der wilde Haudegen. Oder war gerade das verboten und jetzt mit 18...19...20 kann ich nochmal richtig meine Träume ausleben?
Ist an dieser Stelle wahrscheinlich nur eine ganz lächerliche Seitennotiz, dass Zombie so ziemlich das Gegenteil von dem verkörpert, was die Strassenbande gerade fordert. Aber auch das ist ja nix Sensationelles im Pop der 10er. Gerade das Umdeuten, Verkehren und Ausweiden ist derzeit ganz gern die Quelle für Spaß und Lacher.
Wenn die Gangster sich also richtig abfeiern, dann kann ich ruhig auch ne Mallorca-Verkleidung anhaben. Bloß ernst nehmen darf ich das Ganze nicht.
Davon träumen heimlich die deutschen Jungs. Es gibt sehr kluge Jungmänner, die sich gern und offen dem 187-Fantum hingeben. So rotzfrech möchten sie eigentlich auch sein. Und wenn dann Gzuz die Bundesliga kommentiert, dann kriegen sie mindestens einen Ständer.
Die 187 Strassenbande sind richtige Männer, keine Weicheier. Witzig, dass mir genau hier der Film Moonlight einfällt. Ist schon schwierig, im aktuellen Medienzitatendschungel mit einer knallharten Haltung verschont zu bleiben von doofen Vergleichen, Häme und Spott. Wobei sich die Medien in Sachen Strassenbande eigentlich ziemlich einig sind. Das ist irgendwie das sehr verunsichernde. Wenn HipHop-Experten ungefähr der gleichen Meinung sind wie die Autoren des Kommerz-Mainstream-Magazins, dann ist das irgendwie schon komisch. - Aber gut, Vin Diesel ist ja auch ein Medienstar in allen möglichen Kanälen.
Und warum ist es Millionär, das so ungemein durch die Decke geht?
Sicherlich ist das Zitat aus dem Popcharts der 90er ganz gehörig schuld dran. Mit Zombie von den Cranberries sind die heutigen Jungmänner aufgewachsen. Die Melodie jetzt zu hören setzt etwas Unterbewusstes frei. Wie schön war es doch als kleiner Junge. Cowboy und Indianer, gut und böse - das war alles klar eingeteilt. Und als Draufgänger war man natürlich immer der wilde Haudegen. Oder war gerade das verboten und jetzt mit 18...19...20 kann ich nochmal richtig meine Träume ausleben?
Ist an dieser Stelle wahrscheinlich nur eine ganz lächerliche Seitennotiz, dass Zombie so ziemlich das Gegenteil von dem verkörpert, was die Strassenbande gerade fordert. Aber auch das ist ja nix Sensationelles im Pop der 10er. Gerade das Umdeuten, Verkehren und Ausweiden ist derzeit ganz gern die Quelle für Spaß und Lacher.
Wenn die Gangster sich also richtig abfeiern, dann kann ich ruhig auch ne Mallorca-Verkleidung anhaben. Bloß ernst nehmen darf ich das Ganze nicht.
Freitag, 21. Juli 2017
Miami Yacine: Bon Voyage
Defintiv hat die neue Generation deutscher Rapper nun die Herrschaft übernommen. Bushido der böse Junge hat es zwar vor gut einem Monat noch auf Platz 1 gebracht, im Streaming aber waren seine Albumtracks ganz schnell wieder raus aus der Liste. In dieser Woche schafft es der selbsternannte King Kollegah mit seinem Album Legacy grad noch auf Platz 2 hinter der 187 Strassenbande. Die stürmen gleichzeitig mit 15 Tracks auch die Singles-Charts ... müssen sich aber wiederum ihren ärgsten Konkurrenten geschlagen geben, nämlich Miami Yacine von der Dresdner KMN Gang. Sieht so aus, als ob gerade der albernere und näher am Schlager gebaute HipHop wesentlich mehr Erfolge feiert. Was ja auch klar ist, denn auf Miami Yacines Bon Voyage können garantiert mehr Leute als auf die doch brutaler inszenierten Tracks der 187 Strassenbande.
Spannend finde ich, dass trotz des offensichtlichen Spaßfaktors so einer wie Miami Yacine dann doch auch so etwas wie Ansehen in der Szene genießt. Hat es der deutsche Rap nun endlich geschafft so Mainstream wie in den USA zu sein, also unverhohlener Pop, und trotzdem die Erzählung von den Jungs aus dem Ghetto aufrecht zu erhalten. Alle Achtung! Nach 20 Jahren Rumgegurke setzen sich also auch hierzulande internationale Standards durch.
Bezeichnend auch, dass das im Fall der KMN Gang tatsächlich die Outlaws der Gesellschaft sind. Braucht man nur jedes x-beliebige Presseprodukt der letzten Monate aufzuschlagen und da findet man was von den kriminellen Marokkanern und Libanesen, die sich nicht zusammenreißen können, deutsche Frauen angrabschen und sowieso nur Drogen dealen.
Dieses Stereotyp greift Miami Yacine gern auf. Und rankt drumrum die beliebtesten Reiseziele aus dem Neckermann-Katalog sowie die typische Liste von Luxusmarken bis hin zu Yohji Yamamoto(!). Das dazu natürlich der unbegrenzte Konsum von Rausch- und Genußmitteln aller Art (polizeideutsch: Drogen) gehört, bei Miami Yacine keine Frage. Hier geht es eben nicht nur um Schwanzvergleich sondern um wirklichen Spaß. Bekifft und bekokst sein als Lebensinhalt. Macht mit Ladies natürlich mehr Spaß, da aber jeder weiß dass das nicht immer so gut zusammen geht mit dem Ganja und dem Sex, sind die Frauen dann doch eher Nebensache. Oder Dekoration. Weil's halt im Business so dazu gehört.
Es tut sich also einiges im Geschäft. Bon Voyage hat kein Problem damit, zu Beginn ein Gitarrengeklimper zu präsentieren, wie es in Despacito auch vorkommt. Liegt natürlich nahe – sind ja auch nur Machos, aber eben glattgebügelte aus dem Mainstreamfernsehen. Davor hat Miami Yacine nun wirklich keine Angst. Er präsentiert seinen Körper als wär er das nächste Germany's Top Model: gut durchtrainiert, ganzkörperepiliert und in chice Fummel gesteckt. Was war noch mal der Unterschied zu Heidi's Girls?
Jetzt können sich die harten Jungs mal schön darüber aufregen, wie Scheiße das ist. Der nächste Diss-Track kommt bestimmt. Wobei ... ist das eigentlich noch HipHop? Cro nimmt doch auch niemand von den Hartgesottenen ernst.
Wahrscheinlich ist es eher so wie mit Helene Fischer: Als wirklich qualitätsvoll würde die niemand bezeichnen, hören und abfeiern danach tun aber alle. Ich denk' mal Miami Yacine ist bereits in diesen Club aufgenommen und darf sicherlich bald im ZDF-Samstagabendprogramm auftreten. Gratulation!
Freitag, 14. Juli 2017
/\ (Axwell/\Ingrosso): More Than You Know
So ganz ohne Hits lässt es sich dann wohl doch nicht leben. Denn ursprünglich waren Axwell /\ Ingrosso nach dem Split der Swedish House Mafia etwas mehr in Richtung rauem Dancefloor unterwegs. Waren zumindest so ihre Aussagen. So ganz unterschreiben würde ich das nicht ... aber natürlich ist das auch immer eine Frage des Ausgangspunktes. Und wenn man von Mainstream-Höhen à la Swedish House Mafia kommt, dann ist eine Neuerfindung des Techno im Stile von Louisahhh!!! eben nicht zu erwarten.
Das ist ein bisschen das Problem von Axwell /\ Ingrosso: Es gibt eben wirklich sehr viel aufregendes Dancefloor-Zeug neben ihnen zu entdecken. Und deshalb kann ich bei ihren Produktionen irgendwie doch nie so richtig in Jubelstimmung fallen.
Wobei ich auch sagen muss: More Than You Know hat mich dann doch überrascht. Irgendwie hatte ich diesen Pop-Appeal des Songs nicht erwartet. Was ja dann auch heißt, dass Axwell /\ Ingrosso es doch irgendwie geschafft haben, sich als mehr oder weniger abseitig zu inszenieren.
Vielleicht ist es aber auch diese Reminiszenz an alte AVICII-Hits wie Wake Me Up!, die bewusst oder unbewusst eingebaut ist. Beginn mit Gitarre und Stimme von Kristoffer Fogelmark. Dann folgt ein sanfter Beat und nach dem ersten Refrain den Break in den gebrochenen Trompeten-Beat.
Das Video liefert passend dazu die Geschichte einer eskalierenden Party-Nacht. Das ist Hochtempo, nicht immer ganz nachvollziehbar und bis an die Grenze gehend. Ich weiß nicht so genau, wie es danach weitergeht. Möglich ist alles.
Was bleibt von diesem Song? Im besten Fall ein paar Impressionen. Wie Filmstills. Wahrscheinlich aber eher lediglich die Möglichkeit, den Return-Button zu drücken und sich nochmal reinzuschmeißen. Auch wenn die Batterie gleich völlig runter ist.
Schöne Konsequenzlosigkeit.
Freitag, 7. Juli 2017
French Montana Featuring Swae Lee: Unforgettable
Es gibt Riesenungerechtigkeiten auf dieser Welt und vor allem zwischen den Kontinenten. Das ist ein Allgemeinplatz, der nicht nur während eines G20-Gipfels präsent ist. Trotzdem wird dieser Fakt in der westlichen Welt ganz gern ignoriert. Es lässt sich einfacher über das eigene kleine Unwohlsein jammern als zu bemerken: Wir leben in purem Luxus.
Ein paar Künstler und Künstlerinnen haben trotz aller Lust auf ein schönes Leben, Unterhaltung und Ablenkung nicht vergessen, dass es eben nicht überall nur lustig ist. Häufig haben diese Menschen das richtige Scheiß-Leben selbst mitgemacht. French Montana zum Beispiel. Seine Biographie liest sich vor allem in den Kinder- und Jugendjahren reichlich katastrophal. Kaputte Träume, minimale Chancen, Gewalt in seinem Umfeld ... gute Voraussetzungen für eine kriminelle Laufbahn. Die er aber nicht einschlug.
Dazu gehört eine Menge Rückgrat, zumal gerade im Rap und HipHop-Business neben ausgestelltem Blingbling gern auch eine gehörige Portion Gangstertum zum guten Ton gehört: Wer kein Rüpel ist, ist kein guter Rapper.
Ohne sich zum Engel hochzuschwingen macht French Montana also sein Ding. Gründet sein eigenes Label, arbeitet mit allen möglichen Größen des HipHop zusammen und erlangt nach und nach Erfolg und Bekanntheit. Mit 32 schaut er zurück, erinnert sich an den Mist, den er und seine Familie erlebt haben und nimmt Unforgettable auf.
Ja, der Song dient einem guten Zweck. 100.000 $ wurden an das Ugandas Mamas Hope gespendet. Und trotzdem ist er kein weinerlich-pathetisches Ding, sondern ein cooler Hit mit einem positiven Video. Wir sehen zwar den Dreck und die Armut in Kampala, aber vor allem sehen wir die Kids, die Spaß an der Musik haben und auch ohne Goldketten und dicke Autos ganz gut aussehen. Und trotzdem gelingt es dem Video, nicht zum Sozialkitsch zu werden. Die gute Laune ist zwar echt, der Blick in den Gewehrlauf aber nur drei Sekunden entfernt.
Die ungefilterte Realität lässt den ganzen inszenierten Gangsterkram, der gerade besonders beliebt bei deutschen Rappern ist, ordentlich albern aussehen. Das Leben hier ist mal krass, nicht euer scheiß Drogendealerleben. Einer der wenigen, der das begriffen hat, ist vielleicht Marteria. Nicht umsonst ist der nicht nur aktuell in Südafrika unterwegs sondern war schon vor vier Jahren auf Musikersuche in Uganda.
Wahrscheinlich ist es genau dieser Gegensatz zum testosterongetränkten deutschen HipHop, der mir an Unforgettable so gut gefällt. Und einigen anderen offenbar auch. Die Beats sind nicht fitnessstudioaufgepumpt, sondern liegen einfach auf der Tonspur, treiben uns voran ohne Bombastdonner und machen Spaß. Ich muss mich auf der Tanzfläche nicht als der ultracoole Macker beweisen, ich kann einfach mitmachen, auch mal einen Schritt daneben machen und trotzdem gehöre ich zur Crowd.
Ähnlich die Lyrics, die von Begehren und Lust erzählen, auf das ständige Bitch-Gesülz aber verzichten. Eine Angebetete kriege ich eben eher mit Komplimenten an meine Seite als mit dummen Sprüchen. Und ich schätze, dass der Sex zu Unforgettable 1000x befriedigender ist als zu einem Karnickel-Rammelbeat. Sorry, auch wenn ich NIMO oder Mert vielleicht sogar lustig finde, mit wirklichem Leben hat deren Inszenierung nichts zu tun. Nach einem ganzen Tag im virtuellen Raum hab ich zu Hause dann eher keinen Bock mehr auf noch mehr Breitleinwandfantasien.
Ich find, ein bisschen mehr Entspanntheit in der Art von Unforgettable täte unserer Welt tatsächlich gut. One Dance ist ja mittlerweile auch schon mehr als ein Jahr her.
Freitag, 30. Juni 2017
jonas Blue Featuring William Singe: Mama
Woran denkst du, wenn du eine richtig gute Zeit hast? Mit der Freundin chillst, eine Poolparty feierst, entspannt im Club abhängst? – Ich behaupte mal: Sicher nicht an deine Mutter. Falsch!
Die Generation Jonas Blue kann nicht unbeschwert die Jugend genießen, sie muss auf alle Fälle noch zu Hause bescheid sagen, dass sich Mama nur keine Sorgen macht. Wir sind ja im Morgengrauen zurück. Und wir machen auch nichts Schlimmes. Drogen? - Niemals! Austesten, wo die Grenzen sind? - Nonono! Einfach mal etwas Unvernünftiges tun? - Auweia! Jung sein? - Was ist das?
Davon handelt der neue Hit von Jonas Blue, zu dem er sich den australischen Sänger William Singe ins Studio geholt hat und der wieder ein harmlos seichtes Stückchen Tropical House ist. Damit bleibt der Brite seinem Erfolgsrezept treu. Neu ist höchstens, dass auch der lässig gestylte Sänger nichts anderes als ein Bübchen ist, das lieber nicht von zu Hause auszieht. Ist doch ganz bequem dort. Und wenn die Eltern ohnehin alles ganz antiautoritär durchgehen lassen ... Warum soll man da noch rebellieren?
Laut wikipedia-Artikel ist Mama ja ein Titel über die Freiheit der Jugend, die Unbeschwertheit. Könnte man beim Tropical House-Sound auch genauso vermuten. Nichts stört das Glück. Perfekt! – Dass es dann doch der Erklärung zu Hause bedarf, zumindest der Mitteilung: "Bin im Morgengrauen wieder da." hat irgendwie aber den Geschmack, dass es eben doch nicht so harmlos und lustig ist, wie es scheint. Wenn es nämlich plötzlich vor lauter Schönheit und Genuss etwas länger dauert als Morgen früh, was dann?
Diese Diskrepanz stört die meisten Menschen eher nicht. Es ist sogar zu vermuten, dass sie diese gar nicht wahrnehmen. Zumindest machte kürzlich eine (nicht repräsentative) Umfrage unter Fans von Xavier Naidoo deutlich, dass die Texte so richtig niemand wahrnimmt. "Die Musik ist halt schön.", war die häufigste Aussage.
Mama könnte also gut und gerne auch ein Lied sein, dass gar keinen Text braucht. Warum dann William Singe überhaupt ins Studio eingeladen wurde, ist ein bisschen rätselhaft. Vielleicht hat er einfach nicht viel gekostet. Und so ein Text, den man irgendwie selbstvergessen und verstandslos mitsingen kann, erhöht ja irgendwie auch den Wiedererkennungswert.
Betrachte ich also die Produktion als ein Ergebnis aus sehr berechnendem Kalkül. So muss es klingen, dann wird es ein Erfolg. Vor dieser Folie funktioniert auch das Video ganz gut. Das gibt nämlich vor eine Gangsterstory zu erzählen, am Ende ist es aber eher ein Setting, dass schön Strand- und Landschaftsaufnahmen kombiniert mit ein paar Produkten der Luxusgüterindustrie. Das ist die Freiheit, die zählt: Ein schnelles Auto und chice Sonnenbrillen. Was wünscht sich der junge Mensch im Jahr 2017 mehr? Ach ja - die Mama, die das alles bezahlt. Prost!
Freitag, 23. Juni 2017
DJ Khaled Rihanna Bryson Tiller:Wild Thoughts
Mit Wild Thoughts beweist DJ Khaled, dass er ein bisschen mehr drauf hat als Hampelmannmusik zu machen und sich im Social Web als debiler Serienstar zu vermarkten. Wild Thoughts verknüpft musikalisch tatsächlich ein paar Elemente, die im Zusammenspiel etwas ergeben, was ich zumindest nicht völlig in die Ecke Beliebigkeitsbrei stecken würde. Auch wenn die Zutaten nun wahrlich nicht völlig überraschend sind.
Es beginnt mit einem simplen und coolen Beat, der sehr schnell mit einer lateinamerikanischen Gitarrenmelodie ergänzt wird. Rihanna singt, ein paar Streicher setzen ein und als Refrain gibt es einen Gitarrenriff von Santana, der uns im Sommer 2000 begleitete. Da DJ Khaled an dieser Stelle verzichtet noch mehr Zutaten in den Topf zu packen – na gut, er darf sich eins-zweimal in guter alter Rap-Manier selbst preisen – ist der Song insgesamt doch ganz cool. Da lässt sich in heißen Nächten schonmal ein bisschen der Dancefloor bemühen. Allemal ist diese Variante karibischen Flairs spannender als der 101. Aufwasch von Luis Fonsi.
Zu lange Lobeshymnen verbieten sich allerdings, denn wenn ich mir das Video und Artwork zu der Single betrachte, dann fühle ich mich schon ordentlich in die 2000er zurück versetzt. Dekorationswahn und Luxusdemonstration wird hier in Höchstform zelebriert. Söhnchen Asahd wird königlich inszeniert. Warum eigentlich?
Ist es wirklich geil, wie ein arabischer Scheich zu leben? Und was daran genau ist so attraktiv?
Einmal mehr erwische ich mich dabei, wie ich realisiere, dass es eine ganze Menge Menschen gibt, die durch Armut und dadurch resultierende Unwissenheit einfach abgehängt sind. Als benachteiligter Mensch – aus welchen Gründen auch immer – ist mir schnell egal, was andere vor mir schon geschaffen haben, was andere denken und wie es gehen könnte, dass mehr Menschen auf der Welt ihr Glück finden. Wenn ich mein Leben lang kämpfen musste um akzeptiert zu werden oder überhaupt zu überleben, dann ist das Ziel eben vor allem mein eigenes Wohlbefinden. Und das der nächsten Familie natürlich. Moral, ethisches Bewusstsein, Rücksicht – fuck off!
Und da sich mittlerweile doch einige Menschen auf diese Art hocharbeiten konnten – soll heißen: sich Villa, Pool und schnelles Cabrio leisten können – darum gibt es in der Zwischenzeit auch eine Schicht in der Gesellschaft, die von den immer schon Privilegierten zwar überhaupt nicht akzeptiert werden, von den weiterhin Ausgegrenzten aber reliquienhaft verehrt werden. Und in dieser Schicht gelten besondere Regeln. Zum Beispiel, dass es eben cool ist, seinen erkämpften Status zu zelebrieren. Undauch: Die Regeln, die es einem doch überhaupt erst so schwer gemacht haben, auf gar keinen Fall zu ändern, sondern in besonderer Konsequenz und Arroganz aufrecht zu erhalten und mitzuspielen.
So etwas geht mir also durch den Kopf, als ich Bryson Tiller rappen höre – da habe ich noch nicht ein Wort von dem wirklich wahrgenommen, was er da von sich gibt. Und wahrscheinlich tue ich ihm unrecht mit meinen Vorurteilen. Gleichzeitig weiß ich, dass ihm das ziemlich egal ist, was so ein Volltrottel denkt. So wie es DJ Khaled vermutlich auch völlig egal ist, ob ich seine Musik mag oder nicht. – Wobei ... der ist vielleicht nicht drauf angewiesen, was ich als Einzelner denke, aber sobald eine größere Menge von Konsumenten kein Interesse mehr an seinem Lebensstil zeigt, wird es ihn schmerzen. Denn das was er wirklich braucht zum Überleben ist Aufmerksamkeit. Ich denke, er wird diese noch eine ganze Weile erhalten.
Es beginnt mit einem simplen und coolen Beat, der sehr schnell mit einer lateinamerikanischen Gitarrenmelodie ergänzt wird. Rihanna singt, ein paar Streicher setzen ein und als Refrain gibt es einen Gitarrenriff von Santana, der uns im Sommer 2000 begleitete. Da DJ Khaled an dieser Stelle verzichtet noch mehr Zutaten in den Topf zu packen – na gut, er darf sich eins-zweimal in guter alter Rap-Manier selbst preisen – ist der Song insgesamt doch ganz cool. Da lässt sich in heißen Nächten schonmal ein bisschen der Dancefloor bemühen. Allemal ist diese Variante karibischen Flairs spannender als der 101. Aufwasch von Luis Fonsi.
Zu lange Lobeshymnen verbieten sich allerdings, denn wenn ich mir das Video und Artwork zu der Single betrachte, dann fühle ich mich schon ordentlich in die 2000er zurück versetzt. Dekorationswahn und Luxusdemonstration wird hier in Höchstform zelebriert. Söhnchen Asahd wird königlich inszeniert. Warum eigentlich?
Ist es wirklich geil, wie ein arabischer Scheich zu leben? Und was daran genau ist so attraktiv?
Einmal mehr erwische ich mich dabei, wie ich realisiere, dass es eine ganze Menge Menschen gibt, die durch Armut und dadurch resultierende Unwissenheit einfach abgehängt sind. Als benachteiligter Mensch – aus welchen Gründen auch immer – ist mir schnell egal, was andere vor mir schon geschaffen haben, was andere denken und wie es gehen könnte, dass mehr Menschen auf der Welt ihr Glück finden. Wenn ich mein Leben lang kämpfen musste um akzeptiert zu werden oder überhaupt zu überleben, dann ist das Ziel eben vor allem mein eigenes Wohlbefinden. Und das der nächsten Familie natürlich. Moral, ethisches Bewusstsein, Rücksicht – fuck off!
Und da sich mittlerweile doch einige Menschen auf diese Art hocharbeiten konnten – soll heißen: sich Villa, Pool und schnelles Cabrio leisten können – darum gibt es in der Zwischenzeit auch eine Schicht in der Gesellschaft, die von den immer schon Privilegierten zwar überhaupt nicht akzeptiert werden, von den weiterhin Ausgegrenzten aber reliquienhaft verehrt werden. Und in dieser Schicht gelten besondere Regeln. Zum Beispiel, dass es eben cool ist, seinen erkämpften Status zu zelebrieren. Undauch: Die Regeln, die es einem doch überhaupt erst so schwer gemacht haben, auf gar keinen Fall zu ändern, sondern in besonderer Konsequenz und Arroganz aufrecht zu erhalten und mitzuspielen.
So etwas geht mir also durch den Kopf, als ich Bryson Tiller rappen höre – da habe ich noch nicht ein Wort von dem wirklich wahrgenommen, was er da von sich gibt. Und wahrscheinlich tue ich ihm unrecht mit meinen Vorurteilen. Gleichzeitig weiß ich, dass ihm das ziemlich egal ist, was so ein Volltrottel denkt. So wie es DJ Khaled vermutlich auch völlig egal ist, ob ich seine Musik mag oder nicht. – Wobei ... der ist vielleicht nicht drauf angewiesen, was ich als Einzelner denke, aber sobald eine größere Menge von Konsumenten kein Interesse mehr an seinem Lebensstil zeigt, wird es ihn schmerzen. Denn das was er wirklich braucht zum Überleben ist Aufmerksamkeit. Ich denke, er wird diese noch eine ganze Weile erhalten.
Freitag, 16. Juni 2017
David Guetta Ft. Justin Bieber: 2U
Es war abzusehen, dass sich irgendwann die derzeit international produktivsten und erfolgreichsten Chartacts zusammentun müssen. David Guetta, der die frühen 2010er beherrschte wie kein anderer, bereitet ein neues Album vor. Dieses dürfte die Hit-Veröffentlichungen des letzten Jahres This One's For You, Would I Lie To You und Shed A Light ebenso enthalten wie das im Frühjahr veröffentlichte Light My Body Up, das mit ziemlicher Deutlichkeit beim Publikum durchfiel. Die Zusammenarbeit mit dem aktuellen Superstar Justin Bieber ist dagegen eine sichere Sache. Der kann zur Zeit nämlich machen was er will – spanisch singen oder mit einem Rap-Produzenten halbnackt um den Pool springen – es wird ein Hit. So also auch 2U.
Um die Single herum erschien ein Haufen Promozeug. Das machen Musikfirmen mittlerweile nicht mehr allzu oft. Es sei denn, sie wollen absolut sicherstellen, dass die Veröffentlichung gleich in der ersten Woche richtig knallt. So ist es hier der Fall. David Guetta darf seine Bewunderung für den kanadischen Sänger erläutern und ein Video mit Modells der Marke Victoria's Secret erscheint. Hat alles wenig mit dem eigentlichen Song zu tun – schafft aber ordentlich Aufmerksamkeit.
Da der Song sich insgesamt ordentlich am aktuellen Future-Bass-Chainsmokers-Sound orientiert, ist dann auch ganz schnell eine riesige Fanschar zugegen, die das Ding auf ihre Player lädt und sich den Alltag beschallt. Zu den auffälligsten Merkmalen gehören demnach heftige Brüche zwischen dem romantischen Gesang Justin Biebers und den Synthesizer- und Vocoder-Einsprengseln. Und damit bin ich auch schon durch mit der Beschreibung, was 2U so bietet. – Insgesamt ist das ordentlich erschreckend, wie wenig es benötigt um sich in der Masse durchzusetzen. Da ist nicht mal mehr clevere Vermarktung zu finden. Alles 08/15.
Ok - ihr dürft es lieben. Ihr könnt es kaufen. Ein Meilenstein ist es definitiv nicht. Höchstens das Cover würde ich als zeitgemäß und mit dem kryptischen Titel als interessant beschreiben. Ansonsten findet man die Höhebpunkte des Genres eher bei Leuten wie Flume.
Freitag, 9. Juni 2017
Imagine Dragons: Thunder
Jetzt werde ich wohl doch noch ein Fan von den Imagine Dragons. Zumindest überzeugen mich die letzten Veröffentlichungen schon ordentlich. Es begann im Sommer letzten Jahres als mit dem Soundtrack zum ansonsten irgendwie auch einfallslosen Suicide Squad erschien. Sucker For Pain war da eines der Highlights. Nicht zuletzt, weil Sänger Dan Reynolds dem Refrain einen ordentlich inbrünstigen Wiedererkennungswert gab.
Dann folgte Anfang diesen Jahres die erste Single aus dem neuen Album: Believer. Die war trotz (oder wegen?) ihrer Geschmeidigkeit kombiniert mit Falsett-Refrain ein faszinierender Streich, der sich sogar im Ohr festsetzte. Für den kompletten Überflieger-Hit war es dann aber vielleicht doch zu grob gestrickt. Zumindest in Deutschland war kurz vor den Top 20 Schluss.
Bei Thunder sieht das nun ganz anders aus. Auch hier setzen die Imagine Dragons klar auf vordergründige Drums lassen aber die Kopfstimme weg. Was ein bisschen schade ist, aber trotzdem funktioniert. Vielleicht auch deshalb, weil es mit sehr sehr deutlichen Anleihen an einen Independent-Hit aus den späten 2000ern anknüpft – um nicht zu sagen: diesen zitiert. Der Schusswaffen-Dreierbeat im Refrain erinnert nämlich ordentlich an Paper Planes von M.I.A..
M.I.A. Paper Planes
Der entscheidende Dreh bei Thunder ist die Kombination des brutal trockenen Beats mit der verzerrten Mickeymaus-Stimme. Im ersten Moment bin ich zusammengezuckt, spätestens aber mit dem Alien-Video ergibt auch dieses Stilmittel einen Sinn.
Überhaupt dieses Video! Frank Zappa meinte zwar mal "Über Musik zu reden ist wie über Architektur zu tanzen.", könnte gut sein, dass spätestens mit Thunder gezeigt wird: Geht.
Natürlich macht das Regisseur Joseph Kahn nicht unter Dubai, der Stadt, die irgendwie gerade das Non plus Ultra darstellt. Aber auch das: Funktioniert. Wo es viel Beton gibt, da gibt es auch viel Fläche, die besetzt werden will. Und selbst wenn man Anfangs die Alien-Nummer und das Rumgezappele von Dan Reynolds noch etwas albern findet, spätestens wenn sich die Figuren multiplizieren und zur Choreographie-Armee werden ist klar: Viel anders muss man gar nicht mit endlosen Glasfassaden umgehen. Das ist schon sehr schön adäquat.
Mit Thunder haben mir also die Imagine Dragons bewiesen, dass ich sehr wohl was mit Alternative Rock anfangen kann. Und sogar fliegende Schafe aushalte. Das kommt nicht so oft vor.
Freitag, 2. Juni 2017
Helene Fischer: Herzbeben
Nun hat sie also ihren zweiten Top 10 Hit. Es scheint so, als würde sich die Popularität der Helene Fischer nun endlich auch in Hits ausdrücken. Denn fürwahr – ihre Songs sind so weit verbreitet, auf keinem Anlass darf ein Song von ihr fehlen und mitsingen können fast immer alle. Nicht nur bei Atemlos durch die Nacht.
Jetzt also Herzbeben.
Das Phänomen an Helene Fischer ist, dass sie die Massen begeistert, gleichzeitig aber auch unglaublich viele Menschen zu Abscheu verleitet. Nicht einfach nur: "Langweilig, interessiert mich nicht." Sondern: "Hilfe! Unmöglich! Grässlich!"
Und dabei schaukeln sich beide Seiten hoch. Auch nur ein kleinstes Detail zu kritiseren wird sofort und gnadenlos mit Beschimpfungen geahndet. Umgekehrt, irgendetwas Gutes zu diagnostizieren, zeitigt die totale Verachtung. Ein Dazwischen ist nicht möglich.
Das erinnert ganz schön an andere Diskurse der letzten Woche.
Helene Fischer – oder besser: die Reaktionen zu Helene Fischer spiegeln also recht deutlich, wie es hierzulande gerade so zugeht. Da will eine eigentlich nur Spaß haben, Party machen – und prompt wird sie von 2.000 Fußball-Fans beim Pokal-Finale ausgebuht. Wobei ihre etwas seichte Weltsicht vielleicht nur die halbe Ursache für das laute Pfeifkonzert ist. Wenn man nämlich die kursierenden Posts richtig deutet, dann war es unter anderem auch die überbordende Kommerzialisierung des Pausen-Acts. Sprich: Innerhalb von wenigen Tagen ist Helene Fischer omnipräsent im deutschen Fernsehen: Germany's Next Top Model, DFB-Finale, Let's Dance … und es ist kein Geheimnis, dass jeder Ihrer Auftritte ordentlich bezahlt wird. Geld, das man auch für sinnvolle Dinge ausgeben könnte.
Der Unmut über Helen Fischer stammt also zu einem Teil aus dem üblichen Neid, den erfolgreiche deutsche Popstars immer wieder erfahren, zum anderen aber auch aus einer irgendwie auch deutschen Eigenschaft: Das, was einmal Erfolg hat gnadenlos zu vermarkten. In Sachen Helene Fischer sieht das dann zum Beispiel so aus, dass man von ihrem neuen Album nicht einen einzigen Track irgendwo als kostenloses Angebot findet. Maximal 15 s – aus war's. Da wo andere Stars sagen: Ich hab schon genug Geld verdient, ich schenk euch meine Musik – und wenn ihr sie trotzdem hübsch verpackt wollt, dann kauft euch die CD mit allerlei Extras. – An dieser Stelle geht Helene Fischer bzw. ihre Plattenfirma den Weg: Lasst uns einfach noch jeden möglichen Cent aus den Fans herauspressen. Wer weiß, wann die Nachfrage nachlässt.
Das ist etwas, das mich schon auch ein bisschen abstößt. Nicht, dass ich die frei verfügbaren Schnipsel von ihr vermissen würde. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich auch das neue Album nicht besonders mögen werde – also kann ich da auch verzichten. Mich nervt vor allem diese reichlich strikte Haltung in der Art: Bloß nichts abgeben! Das ist ein bisschen wie mit den besonders gut verdienenden Managern, die sich mit Millionen-Verdiensten immer noch ziemlich unterbezahlt fühlen und keine Minute daran denken, dass nur eine winzigster Bruchteil ihres Geldes auch für Dinge eingesetzt werden könnte, die weitaus mehr Menschen etwas ermöglichen.
Natürlich gibt es immer auch andere. Auch in der Pop-Musik. Und mir geht es auch gar nicht darum, dass Helene Fischer jetzt alle ihre Musik verschenken soll (bloß nicht – dann wäre sie womöglich noch omnipräsenter!). Ich find's nur reichlich absurd, wie sehr sie von aller Welt in den Himmel gelobt wird für das, was sie leistet ... und ich seh gar nicht so richtig, was das sein soll. Aber eben: Dafür ist mir Helene Fischer auch viel zu egal, als dass ich detailliert verfolgen würde, wo sie sich engagiert und was sie alles dafür tut, um unser Leben ein Stück schöner zu machen. Für mich gehören die Auftritte beim DFB-Pokal oder GNTM sowie ihr neues Album jedenfalls nicht dazu.
Jetzt also Herzbeben.
Das Phänomen an Helene Fischer ist, dass sie die Massen begeistert, gleichzeitig aber auch unglaublich viele Menschen zu Abscheu verleitet. Nicht einfach nur: "Langweilig, interessiert mich nicht." Sondern: "Hilfe! Unmöglich! Grässlich!"
Und dabei schaukeln sich beide Seiten hoch. Auch nur ein kleinstes Detail zu kritiseren wird sofort und gnadenlos mit Beschimpfungen geahndet. Umgekehrt, irgendetwas Gutes zu diagnostizieren, zeitigt die totale Verachtung. Ein Dazwischen ist nicht möglich.
Das erinnert ganz schön an andere Diskurse der letzten Woche.
Helene Fischer – oder besser: die Reaktionen zu Helene Fischer spiegeln also recht deutlich, wie es hierzulande gerade so zugeht. Da will eine eigentlich nur Spaß haben, Party machen – und prompt wird sie von 2.000 Fußball-Fans beim Pokal-Finale ausgebuht. Wobei ihre etwas seichte Weltsicht vielleicht nur die halbe Ursache für das laute Pfeifkonzert ist. Wenn man nämlich die kursierenden Posts richtig deutet, dann war es unter anderem auch die überbordende Kommerzialisierung des Pausen-Acts. Sprich: Innerhalb von wenigen Tagen ist Helene Fischer omnipräsent im deutschen Fernsehen: Germany's Next Top Model, DFB-Finale, Let's Dance … und es ist kein Geheimnis, dass jeder Ihrer Auftritte ordentlich bezahlt wird. Geld, das man auch für sinnvolle Dinge ausgeben könnte.
Der Unmut über Helen Fischer stammt also zu einem Teil aus dem üblichen Neid, den erfolgreiche deutsche Popstars immer wieder erfahren, zum anderen aber auch aus einer irgendwie auch deutschen Eigenschaft: Das, was einmal Erfolg hat gnadenlos zu vermarkten. In Sachen Helene Fischer sieht das dann zum Beispiel so aus, dass man von ihrem neuen Album nicht einen einzigen Track irgendwo als kostenloses Angebot findet. Maximal 15 s – aus war's. Da wo andere Stars sagen: Ich hab schon genug Geld verdient, ich schenk euch meine Musik – und wenn ihr sie trotzdem hübsch verpackt wollt, dann kauft euch die CD mit allerlei Extras. – An dieser Stelle geht Helene Fischer bzw. ihre Plattenfirma den Weg: Lasst uns einfach noch jeden möglichen Cent aus den Fans herauspressen. Wer weiß, wann die Nachfrage nachlässt.
Das ist etwas, das mich schon auch ein bisschen abstößt. Nicht, dass ich die frei verfügbaren Schnipsel von ihr vermissen würde. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich auch das neue Album nicht besonders mögen werde – also kann ich da auch verzichten. Mich nervt vor allem diese reichlich strikte Haltung in der Art: Bloß nichts abgeben! Das ist ein bisschen wie mit den besonders gut verdienenden Managern, die sich mit Millionen-Verdiensten immer noch ziemlich unterbezahlt fühlen und keine Minute daran denken, dass nur eine winzigster Bruchteil ihres Geldes auch für Dinge eingesetzt werden könnte, die weitaus mehr Menschen etwas ermöglichen.
Natürlich gibt es immer auch andere. Auch in der Pop-Musik. Und mir geht es auch gar nicht darum, dass Helene Fischer jetzt alle ihre Musik verschenken soll (bloß nicht – dann wäre sie womöglich noch omnipräsenter!). Ich find's nur reichlich absurd, wie sehr sie von aller Welt in den Himmel gelobt wird für das, was sie leistet ... und ich seh gar nicht so richtig, was das sein soll. Aber eben: Dafür ist mir Helene Fischer auch viel zu egal, als dass ich detailliert verfolgen würde, wo sie sich engagiert und was sie alles dafür tut, um unser Leben ein Stück schöner zu machen. Für mich gehören die Auftritte beim DFB-Pokal oder GNTM sowie ihr neues Album jedenfalls nicht dazu.
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