Freitag, 2. Oktober 2020

Loredana Delara:
Checka

Es gibt also auch Frauen im Rap-Biz, die schaffen es ganz normal zu Erfolg. Bestes Beispiel Delara. Ihre Performance bei Checka ist derartig authentisch, dabei cool und selbstbewusst .... und sie lässt trotz aller Attitüde zu, dass man sie mag. Loredana dagegen sieht vor allem im Video-Clip vor allem aus wie eine aufgeblasene Barbie-Puppe. Schade, dass an ihr immer mehr unecht ist. Nicht nur die aufgesetzten Bewegungen. 

Und genauso geht es mir bei der Produktion. Die Lyrics von Delara find ich überzeugend. Auf eine Art anheimelnd-nett und dann doch deutlich abgrenzend: Bis hierhin Kumpel und fertig. Ich zahl die Rechnung. Loredana dagegen nach wie vor eher die Rubrik Rotzgöre. Allerdings ziemlich verhätschelt und verzogen.

Warum die Menschen darauf derzeit so abfahren? Ich weiß es ernsthaft nicht. Vielleicht verkörpert diese Überkünstlichkeit ganz gut die Allmachts-Fantasie: Wir Menschen können einfach alles. 

Ob das wirklich schön ist, was aus solchen Möglichkeiten rauskommt ... also ich kenne genügend Beispiele, da hätte ich gern drauf verzichtet, dass Menschen jedes noch so kleine Schöpfungspotenzial ausschöpfen.

Mir ist da so jemand wie Delara lieber. Mit dem umgehen, was vorhanden ist und es so benutzen, dass man danach erst richtig Selbst sein kann.

Freitag, 25. September 2020

Capital Bra:
Einsam an der Spitze

Der Bratan wird erwachsen. So schnell geht das. Hat ja auch schon alles gehabt und gesehen. Und merkt plötzlich, dass der ganze Klimbim nichts wert ist. Geld und Erfolg machen nicht glücklich. Jedenfalls nicht allein.

Bra geht sogar noch weiter: Geld und Erfolg macht eher unglücklich. Denn du weißt nie, ob Deine Freunde nicht doch nur scharf auf dein Para sind. Für'n bisschen Blinbling tun viele Menschen schon eine Menge. Und haben dabei nicht mal ein schlechtes Gewissen.

Klar hätte man das alles auch vorher schon wissen können. Allerdings ist es auch das Vorrecht der Jugend, Fehler zu machen. Und wer will es Bra verdenken, dass er nicht auf die hören wollte, die vielleicht schon mal fragten: Ob das alles gut ist?

Bra wünscht sich ein anderes Leben. Kommt aber nicht raus aus seiner Nummer. Genauso desillusionierend ist der Video-Clip. Stilecht in Gangster-Manier wird der Bra dort von seiner Vergangenheit eingeholt. Was immer es war, was die Folterbrüder da so wütend gemacht hat, sie meinen es verdammt ernst. Und klar ist auch: Hier kommst du nicht lebend raus.



Interessant ist der Fakt, dass Einsam an der Spitze tatsächlich der meist gewählte Track aus dem frisch erschienen Album CB7 ist. Mit Rückenwind dank Video-Clip. Dennoch: Es gab Zeiten, da platzierten sich drei bis vier Tracks aus einem neuen Bra-Album direkt in den Top 10. Jetzt ist es lediglich dieser eine Track und ein paar Positionen tiefer das bereits bekannte Frühstück in Paris. Da hat sich in den letzten Monaten doch irgendetwas getan.

Erklärung 1: Sogar die Kids stehen drauf, wenn jemand nicht immee Sieger ist. Helden sind so langweilig. Gebrochene Stars ganz unten, das ist mal was. Ich denk, wir sollten diese Lust nicht zu positiv deuten - vermutlich handelt es sich nämlich um puren Voyeurismus, Lust am Elend der anderen, Schadenfreude.

Erklärung 2: Bra will neben all dem Fun, den er ja gern zelebriert, nun doch das eine oder andere mitgeben. In den letzten Monaten tauchte ja immer wieder mal so ein Fingerzeug auf: Papa Bra gibt euch was mit. Passt bloß gut auf!
Immerhin wurde der Track ganz ans Ende des Albums gesetzt. Als Schlussakkord nach den beknnten Makarov-Orgien mit Waffen, Geld und Drogen. Nach der wilden Party der Kater.

Auch klar, das Einsichtsgejammer kommt reichlich verklärt rüber. Kitsch ist immer noch echt angesagt. Und Bra beweist, dass ermit den Liedermacher-Barden gut mithalten kann: Die Welt ist schlecht, mir gehts schlecht alles Mist!

Auch das kam und kommt gut an. Weiß auch nicht, ob eine andere Tonart überhauptmöglich ist, bei so viel Verzweiflung.Immerhin überzeugt es mich mindestens in dem Moment da er von seinen Kindern erzählt....

So einfach sind Menschen gestrickt. Ein bisschen Familienglück und schon ist alles verzeihbar. Ach ja ... dassCapital Bra so eine Situation mal hinzaubert verdient schon Bewunderung. Echt überraschend.

Freitag, 18. September 2020

Bonez feat. Maxwell: Ihr Hobby

Bonez MC ist nicht mehr Nummer 1 - in der Songliste. Da hat diese Woche 24KGoldn die Nase vorn.
Und Bonez ist Nummer 1 - in den Album-Charts. Sein offiziell zweites Solo-Werk steigt dort ganz oben ein und beherrscht die Liste.

Als bester Albumtrack ohne Auskopplungs- und Video-Promotion geht Ihr Hobby durch. Au Mann - tatsächlich der Track, der ganz plakativ 10.000 mal das Wort Arsch wiederholt. Wie ferngesteuert sind eigentlich die deutschen Kids?
Also gut: Papa ärgert sich mal wieder mächtig, was da so aus dem Jugendzimmer schallt ... alles richtig gemacht.

Hat Ihr Hobby noch mehr zu bieten als gut kalkulierte Provokation?
Mit ganz viel Wohlwollen vielleicht wird da sozialkritisch die Karriere einer Frau erzählt. Offenbar ist sie mindestens als erotische Tänzerin angestellt - wenn nicht noch mehr. Und sie mag es.

Kann auch sein, dass sie sich nur so aufführt als wär sie eine Prostituierte. Das regt ja sogar Bonez auf. Wie kann sie nur? Will nur das eine? Führt sich auf! - Und kriegt nicht mal ihr Leben auf die Reihe: Schulden, abhängig, spaßgetrieben.

Wer regt sich hier nochmal auf? - Klar, wenn die Lady nichts anderes im Kopf hat als Party, dann kann das nur daneben sein. Kerle dürfen dagegen völlig verstrahlt herumprotzen und gern auch mal ins kriminelle Abseits wegdriften. Das ist cool.
Bei ner Frau ist es nicht ganz so leicht, das alles als knallharten Lifestyle zu sehen. Scheinbar sind Schulden und Drogen nichts, mit dem in den Augen von Bonez eine Frau umgehen könnte. - Sind ja weitestgehend eh alles Fremd-Zuschreibungen, die ich da höre. Das wissen wir mittlerweile auch: was andere von außen wahrnehmen, muss nichts mit der Wirklichkeit zu tun haben.

Die Tragödie - wenn sie denn existiert - kriege ich mit der oberflächlichen Beschreibung nicht wirklich mit. Abgebrochene Fingernägel werdens ja wohl nicht ernsthaft sein. Reicht gerade mal für eine genervte Erwähnung. Da bleibt Ihr Hobby sehr sehr vage.

Am Ende will Ihr Hobby auch gar nicht zu sehr auf Probleme gucken. Der Beat sagt eindeutig: Habt Spaß. Schüttelt euren Hintern und vergesst das Morgen Das können wir allemal lernen: so lang man feiern kann, soll man das auch tun.
Vielleicht steckt in Ihr Hobby sogar wirklich ein Fünkchen Bewunderung.

Freitag, 11. September 2020

Bonez MC:
Fuckst mich nur ab

Die Tracks von Bonez MC sind in der Regel echt langweilig. Kann man sich drüber aufregen. Lässt man jedoch besser bleiben. Fuckst mich nur ab ist da schon anders. Denn Bonez steigt hier hinunter ins Beziehungskistendurcheinander. Ausgerechnet der Typ, der maximal zu seinen Jungs so etwas wie ein soziales Bändchen zulassen würde, beschäftigt sich nun mit Zwischenmenschlichem.

Klaro ist der Leitsatz darüber eine Abrechnung. Ich hab genug von dir, du kannst mich mal, scher dich... Interessant find ich, dass in der Rückschau eine ganze Menge Beschreibungen des Miteinanders auftauchen. Da ging schon ne Menge. Auch interessant, dass das alles in vorwurfsvollem Ton vorgetragen wird. Du hast nichts mitgekriegt, schade, das du so dämlich bist, irgendwann wirst du schnallen, was du verloren hast ...

Da gibt es keinen Moment der Brücken baut. Muss auch nicht. Denn Bonez + Freunde gehen davon aus, dass ihre Sicht die einzig gültige ist. Dass jemand nicht sofort komplett schnallt wie Bonez tickt, ist eigentlich nicht möglich. Wie kann jemand nur so blöd sein?

Leider ist die Welt ja eher voll mit solchen Mißverständnissen. Wenn mir jemand die ganze Zeit nur den Baseballschläger hinhälr, nur rumgrölt und seine Grillz blinken lässt - wie soll ich bei so einem Typen schnallen, dass dasein Mensch ist? Der vielleicht sogar Kumpel sein kann, großer Bruder, Freund?

Mir scheint, dass derzeit eine Menge Leute nicht mehr wissen, dass sie so wahrgenommen werden, wie sie sich geben. Und dass man sich eben manchmal auch ein bisschen erklären muss. Bisschen raus aus dem Ich-Bezug. Bisschen Empathie haben.

Empathie - was für ein schreckliches Wort. Mit mir hat ja auch niemand Mitgefühl. Das ist die vorherschende Meinung. Also schreien wir noch ein bisschen rum. Auf Demos, in sozialen Netzwerken, in Popsongs. Ich ich ich .... alle andern sind Scheiße. Bonez MC liefert den Soundtrack dazu.

Um einiges krasser und konsequenter ist Shaho Casado, der Verantwortliche für den Videoclip. Während Bonez MC als Ausweg aus der verkorksten Beziehung auf "ich verlass diese Stadt" kommt, begibt sich der Bildermacher direkt in die Autopsiehalle. Eiskalt wird da das Miteinander seziert. Wenn wir schon nicht miteinander reden können, dann lass uns gleich die Skalpelle ziehen. Eiskalt. Gnadenlos. Das nenne ich mal richtig bis zum Ende gegangen.

Auffällig an dem Clip ist auch, dass Bonez mal wirklich Gesicht zeigt. Nicht bloß eine schnelle Aufnahme im Schlachtgetümmel - richtig drauf. Und aushalten. Da kann ich plötzlich sogar Nuancen erkennen. Ist nicht alles nur Wut und Gewalt.

Und richtig gut: Es bleibt sehr schön offen, wer da unter dem Leichentuch liegt. Weiße Rosen auf dem Sarg. Ist das nun die Bandenfreundschaft seit Kindertagen oder doch die Geliebte? Schön, dass der Abschied in beiden Fällen gleich schmerzhaft ist. Auch wenn Bonez ja offenbar selbst den Trennungsschnitt verursacht hat. Cool sein ist eben nicht immer ohne Selbstverletzung zu haben.

Freitag, 4. September 2020

24KGoldn Ft. Iann Dior:
Mood

 


Nicht deutschsprachig und Raop? Trotzdem erfolgreich? - Typischer Fall für TikTok. Der Plattform über die gerade sogar politisch so viel gestritten wird.

So ist es auch im Falle von Mood. Und es lässt sich all das wiederholen, was schon zu anderen TikTok-Hits gesagt wurde. Also lasst uns lieber nach etwas anderem suchen, worüber es nachzudenken und zu nörgeln lohnt. Vielleicht über den Video-Clip?

Auffälig und ganz schön die Mühe, mit der die Ladies zu Monstern gestylt wurden. Und dabei sogar richtig gut aussehen. Da haben die Video-Phantasien von Aisha Devy offenbar schon ordentlich Einfluss gehabt. Hier wird natürlich noch ordentlich mit realistischen Szenen kombiniert. Ist ja ein kommerzielles Unterfangen. Künstlich-künstlerisch darf es trotzdem sein mit Papp-Kulissen, offensichtlichen Videoeinspielungen und jeder Menge Dekoration. Sebastian Sdaigui hat sich da schon ordentlich Mühe gegeben. Und offenbar auch reichlich Spaß gehabt.

Klar, das ist alles nicht neu. Macht beim Zuschauen trotzdem immer wieder genauso viel Spaß. Allein schon, weil jede Idee gleich einen ganzen Sack voll Bezügen aufmacht. Wo hab ich dieses Element schon gesehen? An was erinnert mich das? Los gehts mit dem Zitaten-PingPong.

Musikalisch ist es nicht anders. Für mich nur nicht so lustig. Weils mich an zu viele schlimme Produktionen erinnert: Weinerlichen RnB auf DeepHouse. Oder auf den Markt zugeschneiderten Mainstream-HipHop. Im besten Fall an 90er Jahre Crossover. 

Ich zähl jetzt nicht jeden einzelnen Track auf, von dem irgendein Versatzstück entliehen sein könnte. Ist langweilig und irrelevant. Und bei jedem anders. Ich überleg jetzt höchstens, warum mich der Bezugssalat sonst immer ganz gut anmacht - hier aber nicht funktionieren will.

Vielleicht ist es die jammerige Haltung der beiden. Sich darüber beschweren, dass andere das Problem  sind, ist grad sehr beliebt. Und enorm uninteressant. Erzählt mir doch mal was Schönes! Oder, wenn ihr denn schon so ein problembeladenes Leben habt, erzählt mir, warum ihr diesen ganzen Quatsch mitmacht. Da muss doch was sein. Das würde mich interessieren. Beim Status "Du hast immer irgendeine Laune" sage ich: Na dann Tschüß. Es gibt noch 4 Mrd. andere auf dieser Welt.

Dass 24KGoldn und Iann Dior das nicht schaffen, macht sie zu lächerlichen und bockigen Kindern. Die vor allem für Kinderzimmer produzieren. OK - ist eine Zielgruppe.
Und jetzt verstehe ich auch, warum dieser Track so nahezu clean rüberkommt. Kaum unflätige Worte, kein Gerülpse und Gefluche ... in den frühen 1990ern hießen die beiden, die solche Hits fabrizierten KrissKross. Waren ungemein erfolgreich. Und ungemein Kindergarten.

Freitag, 28. August 2020

Capital Bra X Cro:
Frühstück in Paris


Capital Bra X Cro gewinnt gegen Bausa X Juju gewinnt gegen Die Ärzte. Das war das Rennen um die Ödnis des Sommerlochs zu beenden - obwohl es dieses Sommerloch eigentlich gar nicht richtig gab.
Ums gleich zu sagen: Der Sieger ist nicht unbedingt der einfallsreichere oder spannendere Track. Spannend höchstens, weil Cro und Bra schon zqei cöllig verschiedene Spielfelder sind. Oder sogar Generationen. Als Cro am laufenden Meter Hits fabrizierte, übte Bra noch zu Hause an seinen Klimperkästen. Spätestens als Bra auftauchte, war der Cro ein Opa.

Nun schmeißen sich also beide zusammen - ich sag an dieser Stelle mal: Danke UNIVERSAL,dass ihr so viel Gespür für erfolgreiche Paarungen habt. Gute Marketing-Abteilung. Heraus kommt ein Allerweltshit übers Geldausgeben. Was ist der schönere Luxus? Paris, Ibiza, noch ganz woanders? 

Bra, der ganz wesentlich das Video und den Track bestimmt, weiß schon ganz gut, was die Meute anheizt: einfach so weg, ohne Hindernisse. In Zeiten von Reisewarnungen und Rückkehrer-Quarantänen sowieso schonmal eine Sehnsucht von vielen. Und dann noch ein Ticket kriegen, einen Hotelplatz, bloß kein Pauschalangebot .... ach ja, so einsam, wie im Video-Clip sollte es dann auch noch sein. Wo findet man das nur?


Beim Bra kriegt man all das ohne Probleme. Und noch ne Menge Kram dazu. Eine dieser schlauen Seiten hat ausgerechnet, dass sein Outfit im Video Clip gut 300.000 EUR wert ist. Laaaaaangweilig dieses Nerd-Wissen. Interessieren sich Menschen ernsthaft dafür, was ein Fummel kostet?

Vermutlich - gut konditioniert von der Luxusindustrie. Das war schon in den 60ern nicht anders. Da hießen die Sehnsuchtsorte vielleicht nur noch nicht Ibiza - möglichste weit weg aus dem Alltag sollte es trotzdem gehen.

Fürs Einordnen, was sich so im Laufe der Jahrzehnte dann doch getan hat, folgender Vergleich. In denaus 80ern träumte eine Band namens Felix de Luxe, die träumten davon mit einem Taxi nach Paris zu fahren. Kommt uns irgendwie bekannt vor, oder? Bra hat gar nicht so abartige Träume und sollte wohl gut anschlussfähig sein. 

Der Unterschied: Michy Reincke & Band hätten für diese Nacht alles gegeben, was sie haben. Einfach alles auf den Kopp kloppen für diesen Moment. Wenn Bra nach Paris, Ibiza oder auf die Sonne einlädt, dann kostet ihn das so gut wie nix. Wie viel wert ist ihm dieser Moment eigentlich? - Na gut, immerhin will er ja seine VISA knacken. Ein bisschen Absturz ist also einkalkuliert. Zumindest soll es sich danach anfühlen, denn jeder weiß ja, dass eine gesperrte Kreditkarte noch lange nicht heißen muss, dass das Konto leer ist.

Die Welt hat sich verändert. Es macht schon einen Unterschied, ob mich ein Typ, der sich gerade mal einen VW leisten kann, nach Paris einlädt oder eben einer, dessen Klamotten schon ein Mehrfaches kosten als diese Reise. 

Warum also lädt mich Bra nach Paris oder Ibiza ein, wo doch jeder Depp irgendein Angebot findet um dort hinzukommen und zu feiern? Cro kommt ja wenigstens drauf, dass die Sonne noch ein ganz hübsches Geschenk wäre. Das ist mal exklusiv. Aber Paris?  

Bra bietet uns etwas an, dass ganz hübsch klingt. Und wo auch alle hinwollen. Scheinbar. Paris - das klingt schon edel, teuer, besonders - und ist doch längst versaut vom Last Minute, kauf 3 zahl 2, Schnäppchenmarkt ... was nach außen glänzt ist dann doch ganz schnell nur Katalogware. Scheinwelt. Mist. Bra ist der Hero in diesem System. 

Freitag, 21. August 2020

Ufo III IIIIII I: Playlist

Wie wenig nötig ist um einen Hit zu landen! Oder besser: um in die Top 5 zu kommen. Immerhin Platz 3. Wobei das ja bei dem derzeitigen Neue-Nummer1-Terror auch gleichbedeutend mit Superfail ist. Nicht direkt an die Spitze? Looser!

UFO dürfte das alles ziemlich egal sein. Sein Credo ist nach wie vor "Stay high". Das tut er dann bekennenderweise auch mit Playlist. Es geht darum immer noch ein bisschen länger drauf zu sein. Dazu fährt er einen schönen gelben Schlitten und nuschelt Zeug ins Mic.

Ach ja, ein richtiges oldschool Schloß wird auch noch abgefilmt. Kann man schön drauf zu fahren. Oder mal die Treppen hochsteigen. Was solche alten Mottenträume mit uns zu tun haben, erklärt er nicht. Da gefällt mir die moderne Poolvilla am Anfang des Clips schon wesentlich besser. Ist zwar auch eher bieder als modern - immerhin kein Klassik-Retro-Schnulli.

Mal zum Titel. Playlist ist nämlich ein gutes Stichwort. Warum landet UFO sofort ganz vorne in den Charts? Weil die Spotify-Listen immer das vorsortiert anbieten, was mit großer Wahrscheinlichkeit gut ankommt. Ein Trichter der Seichtheit sozusagen.  UFO als doch schon Mainstream-Popstar landet schon ziemlich weit oben auf der Vorschlagsliste. Wenn der dann was Neues vorlegt, geht das natürlich sofort on top. Und da es nicht stört, lassen es viele einfach durchlaufen. Der Sound is eh immer gleich. So sammeln unsere Stars ihre Hits. Ob das wirklich was mit Gefallen oder gar mit bewusster Kaufentscheidung zu tun hat .... ich würd das mal stark anzweifeln.


Freitag, 14. August 2020

KitschKrieg feat. Jamule:
Unterwegs

Auch schön, dass junge Rap-Popper sich doch auch hin und wieder an der Musikgeschichte bedienen. Hier sind es KitschKrieg, die einen Hit von Seeed aus dem Jahr 2005 neu interpretieren.

Und das Ergebnis ist sogar einigermaßen cool. Das liegt nicht nur am lazy Original, sondern auch am Talent der KitschKrieger. Die haben schon ein gutes Gespür für Cool- und Catchyness.

Für Unterwegs haben sie sich passend einen charming boy gesucht. Ja, mit Jamule würde ich auch schonmal ne Nacht lang rumziehn. Schön verpeilt abhängen und sich daran freuen, wie die Zeit so vergeht. Da muss er nicht lange betteln.

Natürlich ist auch ad hoc klar, dass das alles nicht länger als eine Nacht andauern kann. Der Kindercharme bröckelt spätestens dann, wenn die Sonne aufgeht. - Egal. Wer will schon immer an den Alltag denken, wenn es doch unendlichen Spaß gibt? Dafür ist dieser Track gemacht. Und da ist er auch sehr nah dran an der Vorlage.

Seeed wollten nichts anderes als zur Party einladen. Das Leben genießen ohne wenn und aber. Im Jahr 2005 war ihr Dancehall-Style noch nicht allgegenwärtig. Die entspannt dröhnenden Beats waren komplett anders als der Rest der Hitproduktionen. Und noch mehr. Wer sich Aufstehn reinzieht entdeckt auch heute noch jede Menge an musikalischen Gimmicks.


Im Vergleich dazu ist Unterwegs dann doch etwas einfacher gestrickt. Was wir da hören ist das gängige Repertoire con mindestens der Hälfte aller Ragga-Rap-Produktionen. Allerdings verdammt effektvoll eingesetzt. Zumindest was den Beat angeht. Und dass sie tatsächlich ganz lässig zu Bläsersatzsounds übergehen hat ernsthaft Klasse. Da verzeihe ich sogar fast, dass auch nach gefühlt 20 Jahren Dauereinsatz Autotune offenbar immer noch unverzichtbar ist.

Fazit: Cooler Track, der als Instrumental vermutlich noch um einiges schärfer ist. Allerdings dann für die Zielgruppe der Teenies und Nicht-Erwachsen-werden-wollenden-20er nicht mehr funktioniert.



Freitag, 24. Juli 2020

Jawsh 685 & Jason Derulo:
Savage Love (Laxed - Siren Beat)

Wenn es mal nicht DeutschRapPop ist, der ganz oben in den Verkaufslisten landet und deshalb hier behandelt wird, dann hat es garantiert was mit einer viralen Kampagne zu tun. (Wobei auch die meisten der DeutschRapPopTracks ebenfalls sehr kampagnenmäßig und vor allem digital in ihre Blitz-Popularität gehievt werden.) Als Beweis hält diese Woche der weltweite Hit Savage Love (Laxed - Siren Beat) her.

Und schon beim Titel beginnt es. Denn genau genommen ist der Hit Laxed (Siren beat) des neuseeländischen Produzenten Jawsh 685 Ursprung und Grundlage des Hits. Hat es aber nicht zu Chartehren geschafft - weder in seiner Heimat, noch in den RiesenPopLändern noch in Deutschland. Es war lediglich ein virales Großereignis auf TikTok. Sogar ein recht modernes: Zeige die traditionelle Kleidung deines Landes und kombiniere es mit einem Stück (globaler) Alltagskleidung. Das erzählt an sich schon viel. und ist auch extrem lustig. Zum Beispiel: Was ist denn nun ein traditionell deutsches Kleidungsstück? Klar, die Lederhose und das Dirndl! Alle Menschen aus Österreich werden da wahrscheinlich schon anheben und sagen: Aaaaalsooooo ... Und die Menschen in Mecklenburg oder Ostfriesland?
Gut, dass es ganz schnell um Regionalität ging, um eigene Definitionen - auch um Absurdes. Und wie gesagt: gepaart mit Kleidungsstücken, die völlig unspezifisch sind, global produziert, mindestens einmal um die ganze Welt geschickt und dann in völlig regionalfreien Weltkonzernfilialen über den Ladentisch gegangen. Oder eben auch: nahezu ganz blank.

Mit dieser Bebilderung hatte die Nutzung der Siren Beats seine Entsprechung, Entwendung, wie auch immer. Passte ganz gut. Traditioneller gepaart mit modernem Sound für das gleiche Spiel im Visuellen.
Leider - sage ich - wird ja bei TikTok dann doch so ziemlich jedes Meme ganz schnell zur DanceChallenge. Ist auch ok - kapier ich trotzdem nicht in jedem Fall. Vor allem dann, wenn der ursprüngliche Inhalt, dann plötzlich gar keine Rolle mehr spielt. Geht meist ganz schön schnell. Ist vielleicht auch egal - außer, dass dieser Move in Richtung Choreographie am Ende Jason Derulo auf den Plan rief.

Jason Who? - Das war dann so meine Reaktion. Tatsächlich hat sich der mittlerweile 30jährige in den letzten Monaten ein wenig rar gemacht. So richtig durchschlagend erfolgreich war er zuletzt vor drei Jahren - im PopGeschäft eine Ewigkeit. Zumal sich in dieser Zeit auf jeden Fall im deutschsprachigen Raum einiges an den Vorzeichen für Umsatz geändert hat. Und auch im englischsprachigen Territorium funkte es eine Weile nicht so sehr. Vielleicht bewusst. Man liest und hört in einschlägigen Gossip-Medien davon, dass er sich von seinem Label Warner getrennt habe - aufgrund von künstlerischer Differenzen(!). Kann sein, dass Derulo nun langsam doch erwachsen wird und merkt, is nicht nur alles gut, was da mit mir gemacht wurde.

Wie auch immer: Der Griff nach Laxed (Siren Beat) war jetzt nicht nur glücklich. Auch hier kursieren eine Menge abenteuerlicher Geschichten von "Ich benutze das Sample - mir doch egal, von wem es ist." bis hin zu "Ich arbeite gern mit dem Produzenten zusammen, möchte aber auch meinen eigenen Stil im Track haben." - Auch das eine putzige Anekdote, die untermalt, wie kompliziert das mit diesem Urheberrecht und den dazugehörigen Verwertungen ist. Eigentlich war schon die komplette TikTok-Challenge von Beginn an ein einziges und riesiges illegales (Be-)Nutzen. Auch wenn Jash 685 wohl selbst die ganze Welle losgetreten hat. War halt kein Geld im Spiel - also ist alles möglich.

Zu guter letzt einigten sich zumindest Jawsh 685 & Derulo. Wenn ich die Urheber-Spinnerei noch ein bisschen fortsetzen wollte, würde ich ja argumentieren, dass die Millionen User, die durch ihre Beteiligung bei TikTok ja erst dazu beitrugen, dass ein Herr Derulo den Track gut findet, mindestens auch ihren Anteil an dem Deal haben sollten ... wer bezahlt eigentlich deren Kreativität? Ist nur das etwas wert, dass unter Lizenz von Verlagen und Musikkonzernen entsteht? Arme Welt!
Zurück zum Business - jetzt ist unter den großen alles geregelt und Savage Love darf in die Hot Rotation. Leider - ganz subjektiv meine Meinung - ist der Track selber ja eher so ... Semi? Höchstens. Die ganze schöne Story dahinter macht es natürlich schon auch spannend, sich die Produktion reinzuziehen. Ich könnte ja jetzt auch noch ganz hübsch darüber nachdenken, was sich vom Original-DanceHall-Instrumental bis hin zum Popsong mit Gesang verändert hat. Das Tempo zum Beispiel. Die Instrumentierung. Und warum das alles passieren musste - denn Jason Derulo will ja nicht so kommerziell unerfolgreich bleiben wie Jawsh 685.

Tja, leider finde ich weder das Original noch die neue Version spannend genug, um da wirklich tief einzusteigen. Gibt ja auch noch andere, die sich mit PopMusik beschäftigen und da vielleicht sehr viel mehr Freude dran haben. Die Aspekte, die mich anspringen hab ich hier ausgeführt. Mal abwarten, wann es der nächste internationale Song schafft, sich in der Masse der deutschen Produktionen durchzusetzen oder Aufmerksamkeit zu generieren. Vielleicht sogar auf Grund von musikalischer Raffinesse. Savage Love ist es jedenfalls nicht.

Freitag, 17. Juli 2020

Kontra K & Samra:
Tiefschwarz



Es gibt eine ganze Menge Plattformen und vielleicht noch mehr Menschen, die wollen mir erzählen, dass Kontra K ja einer von den Guten ist. Oder - weil das Wort "gut" ist ja an sich schon eher eine Beschimpfung - einer von denen, die es verstanden haben. Die nicht bretzdoof sind, sondern auch mal den Kopf einschalten. Die aufrichtig durchs Leben gehen, das Herz am rechten Fleck haben ... blablabla

Kontra K selbst würde das alles von sich vermutlich auch behaupten. Siehe seinen aktuellen Track Tiefschwarz. Da geht's - mal wieder - um das beschissene Leben, das es auszuhalten gilt. Das man bezwingen muss. Das einem stets in die Suppe spuckt und Glück, auch das winzigste, unmöglich macht.

Ihr könnt das getrost eine sehr pessimistische und schwarze Weltsicht nennen. Kontra K hätte damit wahrscheinlich kein Problem. Er würde maximal ergänzen: Pessismismus ist die einzige Haltung, die der Realität entspricht. Denn dieses negative Weltbild schützt dich vor Enttäuschungen.

Auffällig ist, dass der K dann aber doch immer wieder auch mit Enttäuschungen zu kämpfen hat. Freunde, die zu Feinden werden. Gold, das nicht wirklich wärmt. Das ganze Wertegerüst zerbröselt dahin. Nichts bleibt mehr übrig.

Vielleicht ist das seine Stärke. Allen großen Beschwörern von Gangstertum und Härte aufzeigen, dass auch deren Lebenssäulen nur Strohhalme sind. Es gibt nichts, das einen rettet. Höchstens die eigene Zählebigkeit, Kraft und Schmerzunempfindlichkeit.

Woher K & Samra überhaupt noch Lebensillen speisen ist mir unklar. Ich vermute, dass es den beiden auch eher um das Gegenteil geht. Knall mich doch endlich ab. Mach diesem Leben ein Ende. Es bringt eh keine Punkte.

So gedreht, ist Tiefschwarz weniger die Hymne an das Durchhaltevermögen des Körpers, sondern eher ein richtig verzweifeltes Klagelied. Das Scheiß-Herz, das einfach nicht aufhören will zu schlagen. Egal wie brutal man sich versucht zu zerstören. Das Sterben ist dann offenbar doch nicht so schnell getan. Da kann man echt schon dran verzweifeln.

Diese Haltung ist es, die mir so völlig abgeht. Jammern und heulen ist ok. Für ein paar Momente. Und dann sollte es heißen: Raff dich auf und änder was. Und wenn alles um dich rum Kacke ist, dann fang' an, das anzugehen. Zeige anderen, dass es auch anders geht. Und das man dabei sogar Spaß haben kann.

Wenn überhaupt, dann geht Kontra K maximal den Schritt bis zur Selbstverteidigung: Stähle Deinen Körper! Kämpfe! Beiß dich durch! - Wofür? Das erzählt er uns nicht.

Ich find das wenig. Und kann schon deshalb mit diesem martialischen Gebaren herzlich wenig anfangen. Nein - auch mit seinem wahrscheinlich fünften Nr.1-Album wird Kontra K mich wohl nicht überzeugen.

Und trotzdem repräsentiert er mit dieser Haltung etwas, das offenbar eine Menge Leute teilen können. Diese Welt muss so brutal und grausam sein, kein Erbarmen, kein Mitleid. Die Lava-Kies-Wüsten von Island sind das einzig passende Bild für diese Unmenschlichkeit.



Wenn ich das konsequent zu Ende denke, dann hab ich auch ein bisschen Angst vor dem, was da kommt. Kids, die nur ihr eigenes Leid kennen, kein Gefühl dafür haben, dass Änderungen vielleicht möglich sind, die werden wahrscheinlich wirklich den ganzen Scheiß, der ja auch tatsächlich existiert, immer weiter machen. Einfach, weil sie sich selbst keine Chance geben. Ist schon auch ein bisschen schade. Weil es Beispiele dafür gibt, dass auch andere Wege vorhanden sind. Nur für die muss man eben kämpfen. Und kämpfen für ein Ideal - das ist für die traumfreien K & Samra sowas von keine Option. Das hieße ja, sich wirklich durchbeißen. Nicht einfach nur den eigenen Körper optimieren, sondern ne Menge Dinge um sich rum angehen. Oder erstmal kapieren. Da reicht die Vorstellungskraft nicht für aus. Ich fürchte, diese Spezies wird nicht zu den Überlebenden der nächsten globalen Verwerfungen gehören.

Freitag, 10. Juli 2020

Apache 207: Bläulich

Der Mann mit den krassesten Videoclips ist derzeit Apache 207. Keine Frage. Oder sagen wir besser NBP Films. Denn die stehen hinter diesem Clip.



NBP und Apache haben schon einige Male zusammen gearbeitet. Am bekanntesten vermutlich der Clip zu Nicht wie du. Der war schon auffällig durch seine gruselig sexy Schrägheit. Ein bisschen angewidert habe ich mir die Hässlichkeit wieder und wieder reingezogen - und wurde Fan davon.

Bläulich hat einen ähnlichen Effekt. Das sind so abgefahrene Bilder. Apache und Konsorten im Babyalter, mit Windeln und Laufwagen. Die Mama immer dabei - führt den Jungen in die feine Gesellschaft ein. Werden wir so zu den Spießern die wir alle sind? Können wir diesem Kreislauf überhaupt jemals entkommen?

Dazu die Rhymes, die zeilenweise neue Bilder und Situationen beschreiben.
Und vielleicht ein erstes Mal auch erklären, warum es gar nicht so einfach ist der einfache Junge aus der Hood zu bleiben. Bekanntlich ein altes Rapperproblem, dass Capi genauso angeht wie J-Lo. Jetzt also auch Apache?

Gerade jetzt entkommt er diesem Teufelskreis noch. Zu eigensinnig, zu störrisch, zu viel eigener Style.
Der geleckte Videoclip ist trotz perfekter Inszenierung eine komplett andere Liga als die üblichen PopRap-Clips. Ich sage da ja schon eher Kunst dazu. Auch wenn das mitunter gern als Schimpfwort benutzt wird.

Ich vermute, Apache hat das Zeug dazu die Kluft zu überwinden zwischen dem was wir elitäres Bildungselitenkulturbetrieb nennen und den Kids von der Straße. Denn seine Welten bauen Bilder, die ohne große Interpretationen meinen Bauch ansprechen. Die Elemente aus meinem Alltag zeigen, wie ich ihn kenne, ein bisschen versetzen oder in einen neuen Rahmen hängen - und schwups bin ich völlig platt von den geilen Assoziationen, die mich da anspringen.

Ein bisschen ist das auch Virtual-Reality-Matrix-Traumwelt. Ein Schnitt, eine Line - und ich befinde mich im nächsten Raum. Wobei ich mir bläulich auch ganz stringent als die Geschichte einer coolen Nacht anhören kann. Die dann ja doch ungewollt im Hotelbett endet. Haben wir eine Chance unseren Routinen zu entgehen? Ist unser Weg schon so vorgezeichnet? Fallen wir immer wieder auf die gleichen Tricks rein?
Schön kann das Ganze trotzdem sein. Oder zumindest so pseudo-rausch-schön.


Freitag, 3. Juli 2020

The Rolling Stones:
Living In A Ghost Town



Also irgendwas ist schon schräg an dieser Nummer 1. Oder gleich mal die Antwort vorweg genommen: Verrückt, wie sehr sich die Rolle der Charts verändert hat. Was sie heute widerspiegeln, das hat so ziemlich gar nichts mit dem zu tun, was in den 60ern oder davor galt.

Wir haben uns natürlich schon dran gewöhnt, dass da wöchentlich ein neuer Track ganz an der Spitze gelistet wird, der sicherlich am allermeisten gestreamt und per Download gespeichert wurde - in den meisten Fällen spielt dieser Track schon wenige Tage später gar keine Rolle mehr. Das kollektive Gedächtnis wird überschrieben mit neuen Produktionen.

Vor gar nicht allzu langer Zeit war das noch anders. Auch da gab es Hypes um Singles, die ganz schnell aufflammten und dann ebenso blitzartig wieder verschwanden. Mit wachsender Länge der Charts und erhöhter Frequenz der Erscheinungsweisen kamen solche Ereignisse häufiger vor. Daneben gab es dann oft noch eine ganze Menge Gassenhauer, die sich längere Zeit etablieren konnten. Gern auch längere Zeit die Top-Position belegten und dem entsprachen, was da so allerorten aus den Autoradios und Koffertransistoren erschallte.

Mit zunehmender Digitalisierung und Privatisierung von Playlists veränderte sich das Bild der Charts. Logisch - wenn ich mir so eine Vinyl-Single für richtig viel Geld kaufe, dann spiele ich die auch bis zum Erbrechen hoch und runter. Hat auch was damit zu tun, wie viele von diesen scheiben ich mir wirklich leisten kann und will. Im digitalen Zeitalter spielen die Mikroausgaben viel weniger eine Rolle. Und auf die Festplatte ziehe ich mir schon lange nichts mehr. Ich kann also ganz beliebig surfen und mich freuen auf die Hypes der Sozialen Medien - mal kurz mitmachen und dann auch schön gelangweilt woanders weitermachen.

Immerhin: Geblieben sind garantierte Lieferanten. Der neue Track vom Capi muss cool sein. Hab zwar keine Ahnung wie der heißt oder was da jetzt der Unterschied zu den drei vorhergegangenen Produktionen ist - der Sound stimmt, der Style ist der richtige, das ist mein Lebensgefühl. Und auch wenn die Oma nebenan wohl eher nicht Apache 207 hört, den Namen von dem Typen hat sie in irgendeiner debilen Talkshow oder Gossipzeitung schon gehört und gelesen.

Bei den Rolling Stones bin ich mir da jetzt plötzlich gar nicht mehr sicher, ob das alles noch so funktioniert. Also klar: Die Zunge kennt vermutlich jeder. Von uralt bis babyjung. Und der Name der Rock'n'roll-Uropas dürfte auch allerorten geläufig sein. Bei dem Wort Kastanie hat ja schließlich auch jede*r so ungefähr eine Vorstellung, dass es wohl ein Baum ist. Aber ist es wirklich so, dass Menschen im Jahr 2020 ernsthaft dieses Living In A Ghost Town hören. Dass dieser Sound ihr Lebensgefühl widerspiegelt?

Anders gefragt:
Hat Living In A Ghost Town einen vergleichbaren Status wie The Last Time, (I Can't Get No) Satisfaction, Get Off Of My Clothes, 19th Nervous Breakdown, Let's Spend The Night Together und Jumpin' Jack Flash? Das die Nummer 1en der Band so far.
Ich habe Zweifel.

Vielleicht will ich diesen gefühlt 100jährigen Monstern einfach auch nicht zugestehen, dass sie am Puls der Zeit leben? Offenbar sind es ja zumindest in Deutschland eine echte Menge an Menschen, die sich die CD/Vinyl-Version gekauft haben, um sie sich ins Regal zu stellen. In anderen Ländern, vor allem in den früher mal sehr stark trendangebenden USA und Großbritannien spielt der Song eher so gar keine Rolle. Ist es das, was mich so verwundert?
Hat unser Chartsystem einfach ein paar Macken? Wiedergegeben wird das, was den meisten Umsatz macht. So eine richtig teure Edelaufmachung von Hit XY ist dann einmal verkauft plötzlich so viel wert wie 10 Streamings. - Kann man ja auch häufiger abspielen. Passiert aber nicht unbedingt. Oder doch?

Hier komm ich nicht weiter. Also schau ich mir das Video an.



Naja, da bin ich dann doch schon wieder viel beruhigter. Der Song hat seine Qualitäten. Es ist mir zwar immer noch ein wenig suspekt, dass es eher wenig Anhaltspunkte gibt für eine Produktion, die die Möglichkeiten des 21. Jahrhunderts widerspiegeln. Die Stimmung trifft aber schon ganz gut so ein vages Gefühl von Verunsicherung, Angst und vielleicht auch Vorsicht. Das schleppende Tempo ist nicht einfach nur cooles Rumgehänge oder Lazyness - das hat auch was von Abwarten und auf der Lauer sein. Es ist keine pure Verzweiflung, die mich da anschreit. Eher so: Ist nicht unbedingt cool was grad abgeht, trotzdem dealen wir damit.

Das hat dann schon was. Zumal in Verbindung mit dem Geisterstraßenvideoclip. Das ist trotz Corona und Ausgangssperre lebenszugewandt. Das nimmt einen Zustand auf, warnt davor, gibt jedoch nicht auf. Mal zum Vergleich den Toosie Slide wieder aus der Kiste geholt und reingezogen. Klar wird sofort: Living In A Ghost Town ist dreißig mal näher an dem, was eine Mehrheit von Menschen grad so erleben, was sie bewegt. Da geht es um Grundbedürfnisse.

Allerdings auch: Das ist halt Musik aus einem anderen Jahrhundert. Die heutigen Kids werden morgen wieder die Deutungsmacht haben und mit Sicherheit andere Akzente setzen.

Freitag, 26. Juni 2020

Bonez: Big Body Benz



Werbeclip + -song Nummer 2 für die Karrosse aus Stuttgart. Hat Bonez da eigentlich irgendeinen Werbevertrag laufen? So viel Promotion für unbezahlt ... wenn das wirklich so wäre, dann müsste ich dem Gangsta an dieser Stelle enorme Dummheit bescheinigen. Deshalb geh' ich mal davon aus, dass es sich bei der beschriebenen Beziehung um eine geschäftliche handelt. Damit ist es dann wohl auch in Ordnung.

Auffällig auch: Zielgruppe sind Kinder bis maximal 10 Jahren. So viele Teddybären in Videoclips wie ich sie in den vergangenen Wochen bei Deutschrappern gesehen habe, gab es wohl noch nie in angesagten Pop-Videos. Wäre natürlich auch erstmal zu überprüfen ob die Teenie-Stars der 1980er und 90er sich nicht auch schon gern mit Kuscheltieren haben ablichten lassen.
Klar ist damit vor allem, dass die Charts nur einen ganz engen Ausschnitt der Gesellschaft abbilden.



Und dieser Teil steht unglaublich auf Räuberpistolen, Gangsterstories und - Achtung, plötzliche Wendung am Ende - Zombiefilme. Quentin Tarantino hätte wahrscheinlich seine wahre Freude an dem Video von Shaho Casado. Blutlachen, richtig böse Orgien bis zum Exzess und jede Menge verruchteste Settings ... Geil!

Eltern haben vor solchen Filmen natürlich Angst. Und Kinder lieben es, ihre Ollen so zu schocken. - Und alle paar Monate zieht wieder die Diskussion durch Print- und Linear-TV-Medien, was das alles zu bedeuten hat. Und wo das nur hinführt.

OK - lass ma die andern sich die Köppe heiß reden. Das ist nicht der spannende Punkt an Big Body benz. Eher der Fakt, dass sich die Straßenbande doch tatsächlich abknallen lässt. Jaja - anders wird man nicht zum Zombie. Und wenn man schon böse sein will, dann ist das der unvermeidliche Schritt. Beschwören sie im Grunde ja schon seit sie die musikalische Bildfläche betreten haben. Immer schön am Limit. Gern auch dabei drauf gehen. - Und dann geht die Party richtig los.

Wer jetzt Parallelen zu Paradies-Erzählungen und Geschichten über Himmel und Hölle wittert, derdie hat vermutlich gar nicht mal so unrecht. Das gesamte System Straßenbande baut auf nichts anderem auf als diesen Schwarzweißerzählungen. Und im Fall von Big Body Benz sogar der Verheißung, dass nach dem Tod das nächste Level wartet. Das natürlich noch eine Nummer geiler und schwarzer ist als das vorhergehende.

Das ist schon ein hübsch krasser Move. Änder einfach die Spielregeln. Am Leben bleiben ist so was von oldschool. Nur wer sich traut die Regeln zu brechen, kommt weiter. - Auch das eine uralte Erzählung im Pop-Business. Da muss man nicht mal die 100. Wiederholung der Enterprise gucken.

Und damit bin ich auch beim Punkt, warum trotz aller perfekten Inszenierung und 1A Produktion Big Body Benz (wie eigentlich die Mehrheit der Produktionen von Bonez & Co. nicht erst in den letzten Wochen) im Grunde so langweilig ist. Das macht genau 10 Sekunden lang Spaß. Ja, das zieh ich mir auch ein zweites und drittes Mal rein. Aber dann hab ich es wirklich gesehen und brauche den nächsten Clip. Neuheitswert in der Tendenz eher 0. Gerade mal, dass ich das Styling und die Klamotten ein bisschen ändere. Das isses dann auch schon.

Die in ihren Tracks gepredigte Missachtung von allen Regeln trauen sich die Bandenmitglieder beim Geschäfte-Machen irgendwie nicht zu. Da wird schön an Regeln entlang gesegelt, die clevere Jungs vor vielen Jahrzehnten schon rausgefunden haben. Eigentlich schade.
Vor allem, weil doch unsere bösen Rapper aus Hamburg vor ziemlich langer Zeit mal mit ganz anderen Prämissen angetreten sind. Da ging es noch darum der Welt (und vor allem den Spießern) den Stinkefinger zu zeigen...

Hmmm ... ich bin jetzt eher enttäuscht. Bin ich aber auch einer von ganz wenigen.

Freitag, 19. Juni 2020

UFO III IIIIII I (Celine):
Emotions (2.0)

Wann gab es das zum letzten Mal? Ein Track geht nach 7 Wochen in den Top 10 erst auf die 1! - Is nich schwer zu ermitteln: Es war zum Jahresende 2019 als Maria Carey mit ihrem jährlichen Weihnachtslied nach 25 Jahren und 68 Chartwochen erstmals die Spitze erklomm. So viel zur Statistik.

Bei UFO 361 ist der Grund für den verspäteten Thron ein Remix, oder sagen wir besser eine Duett-Version seines Tracks Emotions. Vor gut zwei Monaten verwehrten ihm noch Shirin David und danach Capi Bra + Loredana den Goldplatz. Beides schon ganz schöne Gewichte im Business. Trotzdem hat sich UFO wahrscheinlich geärgert und dann zu einem Trick gegriffen, der schon bei ganz anderen (zum Beispiel Ed Sheeran) funktioniert hat: Nimm einfach dein altes Material und hol dir noch jemanden ins Studio.

Denn genau genommen ist bei Emotions 2.0 nicht wirklich etwas anders als bei Emotions. Halt Celines Stimme. Die offenbar genug Leute animiert, den Track wieder in ihre Playlists zu hieven. Ein wenig hab ich Angst, dass dieses Prinzip jetzt Mode werden könnte und uns jede Menge Nicht-ganz-Nummer-1-Hits zurück bringt.

OK, Emotions 2.0 funktioniert wahrscheinlich genau deshalb, weil eben Emotions schon gute zwei Monate zu den meistgehörten Tracks zählte. Das ist momentan durchaus schon eine Besonderheit. Gerade mal Apache 207 schafft das aktuell mit schöner Regelmäßigkeit. Bei allen anderen DeutschRap-Produktionen handelt es sich in den meisten Fällen um Strohfeuer.

Emotions repräsentiert eine Haltung, die von Trendforschern als mittlerweile sehr vorbei gebrandmarkt wird. Luxusprotz ist demnach lediglich was für stillose Aufsteiger. Menschen, die glauben, sie müssten aller Welt zeigen, dass sie es sich leisten können. Die wirklich coolen (und exorbitant teuren) Label und Marken machen derweil auf Understatement. Wer weiß, was die unscheinbaren Zeichen bedeuten, der gehört dazu. Die anderen sind es nicht wert.

UFO gehört also eher zu denen, die gern raushängen lassen, was sie sich so gönnen. Davon erzählen seine Lyrics. Und sein Video genauso.



Eine ganze Reihe von Menschen steht darauf zu hören, dass es Typen gibt, die all ihren Reichtum hingeben würden. Für die Angebetete.
Was verbindet diese Menschen eigentlich mit solch einem Traum? Heißt das nicht auch, dass sie sich in jedem Fall kaufen lassen würden? Geld beruhigt so unglaublich, da verzichtet schon mal auf das eigentliche Glück.

Ich kenne tatsächlich eine Menge Menschen, die genau so drauf sind. Das sind nicht mal die unsympathischsten. Und irgendwie wirken sie trotzdem traurig und gehetzt. Weil es jeder Moment sein könnte, der einer das große Para bringt. Und es könnte genauso schnell zerfließen. Also hält man es fest. Mit aller Macht und viel Krampf.

Nach Jahrzehnten entfesselter Marktwirtschaft und der entsprechenden Gehirnwäsche durch Werbung auf allen Medienkanälen ist es klar, dass Money making als einziger Sinn des Daseins funkelt. Könnte aber auch sein, dass dieses Strahlen unecht ist. Weiß man derzeit noch nicht. Glücklich macht es jedenfalls nicht mit Sicherheit. Dafür gibt es zu viele unglückliche und seelenkranke Milliardäre auf dieser Welt.

Man könnte UFO's Track natürlich auch als puren Zynismus lesen. Dom Perignon als Grundvoraussetzung für Gefühle. Zuneigung nur möglich im Rausch. Egal ob Droge oder Konsum. Was bleibt da eigentlich übrig?
Und weil diese Welt genau so funktioniert, kann man nur einstimmen in den Refrain. Und schmerzverzerrt mitheulen. Gut, dass Alkohol in erreichbaren Dosen vergessen lässt. Und alles etwas erträglicher macht. - Ob teurer Champagner da nachhaltiger wirkt, weiß ich nicht.


Freitag, 12. Juni 2020

Apache 207: Boot



Jetzt macht Apache also auf Unterwäschemodell. Auch nicht schlecht. Trauen sich auch andere Rapper - die meisten sind ja eher stolz auf ihren Körper. Auch wenn er nun nicht gerade Muckibudengestählt ist. Wampe oder Wohlstandsspeck sind durchaus angesagt. Oder zumindest kein Ausschlusskriterium. - Die positive Deutung: Lookism is mal richtig out. Niemand muss sich seines Körpers schämen.
Die schlechte: Anschauen will sich dann trotzdem nicht wirklich jemand. Oder etwa doch?
Warum also zeig ich in einem Videoclip mein Unförmigkeit? - Neue Form von Realismus? Oder weil meine Fans alle ähnlich aussehen? Und schwups etablieren wir einen neuen Standard.

Bei Apache is das mal ein bisschen anders. Der weiß schon ziemlich genau, das er gut aussieht. Und die Mädels und Jungs zumindest ein bisschen sabbernd zurück lässt.
Auch, wenn sein Strip dennoch zumindest eine Winzigkeit zusammenzucken lässt. Macht er das wirklich? Und warum?

Apache hat ziemlich genau raus, wie weit er gehen kann, um bei den Biedermännern als sozial anstößig durchzugehen und trotzdem ganz genau den Geschmack der sich abgrenzenden Kreise zu treffen. Seine Videos sind durchaus der Ersatz für eine coole Modezeitschrift. Man muss allerdings die Zeichen lesen können. Einfach so eine 90er-Jahre-Eurosport-Schnellfickerhose drüberstreifen is nich. Muss schon mindestens Adidas sein. (oder noch teurer?)

Ja - mit Selbstverständlichkeit Hässliches neu beleben und dadurch cool machen. Apache kann das sehr gekonnt. Da turnen sich seine Rap-Kollegen häufig ziemlich bemüht ein Bein ab - und schaffen es doch nicht. RIN in seiner Aufsteigerzeit mal explizit ausgenommen.



Nun ist Apache natürlich alles andere als Straßensound. Das ist Eliten-Pop. Ähnlich wie Pashanim. Deshalb verbietet es sich das eine mit dem anderen zu vergleichen. Auch wenn beide Sounds sich gerade regelmäßig an der Spitze der Charts ablösen und mit Sicherheit Schnittmengen unter den Konsumenten haben. Vielleicht ist es angebrachter, mal auf die übrige deutsche Popgeschichte zu schauen? - Und sofort fällt mir Haus am See von Peter Fox ein. Warum eigentlich? Ist es nur das Wasser, das offenbar dazu gehört, wenn wir von Sehnsuchtsorten träumen?

Zumindest schwelgt Apache auch ganz schön in (Kindheits-)Erinnerungen. Das alte Boot, das nicht mehr da ist. Auch wenn es ohnehin nicht genügt hat. Verlassen wegen zu kleiner Segel (Was für ein Bild). Und trotzdem immer noch wartend.
Der Apache ist eine treue Seele - das sagt er immer wieder. Und irgendwie nehm ich ihm das sogar ab. Finde es niedlich. Obwohl ich diese Jammerbackenhaltung sonst eher ziemlich langweilig finde. Da hat er mich also schon um den Finger gewickelt.

Hängt natürlich garantiert mit dem einlullenden Sound zusammen. Der auch nahe am Sentimentalschleim entlang schliddert. Chris Rea mit On the Beach wartet schon um die Ecke. Wie gesagt: derzeit schafft es Apache stilsicher, sich nicht in den totalen Kitsch-Strudel ziehen zu lassen. Auch wenn er ordentlich in Gefühligkeiten plündern geht. Das spricht für eine handfeste Bodenständigkeit.

Und damit bin ich wieder zurück beim Stil und Markenbewusstsein. Anders als ein Großteil der Popstars und Rapper hat Apache verstanden, dass Coolness und Style nicht nur etwas mit Geld und Protz zu tun haben. Ein Candlelight-Dinner kann eben auch auf der Wiese mit Holzbank richtig stylish sein. Es braucht nicht den Kronleuchter oder die Yacht. Es reicht der kleine Teich, das Ruderboot mit handgeschriebenem Namen und eine Wiese. Das was zählt, ist die Haltung. Die macht Dinge, Beziehungen, Menschen wertvoll. - So kann Apache noch ein bisschen weiter machen.

Freitag, 5. Juni 2020

AK Ausserkontrolle x Bonez MC:
In meinem Benz



Auch diese Woche gehört den Hamburger Holzhackern. Ok ok ok - ich weiß auch, dass AK Ausserkontrolle aus Berlin kommt. Trotzdem ist der Sound, für den er steht, mittlerweile mehr mit Hamburg verknüpft als mit der Hauptstadt. Dank der 187 Straßenbande und nicht zuletzt auch Bonez MC. Das wissen alle längst.

Also nochmal anders: Auch in dieser Woche ist es der richtig böse Sound, der als beliebtester Track durchgeht. Noch mehr und wahrscheinlich sogar ein bisschen spektakulärer: es ist auch die zweite Woche in Folge, dass der Capi mit einer Neuveröffentlichung nicht auf die 1 geht. In dieser Woche ist es sogar nur ein ernüchternder Platz 10. Schlechter als Shirin David.

So weit zum Umfeld, in dem In meinem Benz spielt. Zum Track selber:
Nach wie vor ist der Benz das Statussymbol, das angehimmelt wird. Das war schon vor 10 Jahren nicht anders - nur wurde das Objekt da noch mit wesentlich mehr Augenzwinkern verlangt. Kann man sich ja mal Miss Platnum geben und vergleichen, was sich so in 12 Jahren getan hat.



Na ist schon klar: die Lady aus Rumänien war immer noch am Träumen. Sie hätte gern einen Benz gehabt. - AK Ausserkontrolle und Bonez MC haben den schon lange unterm Hintern. Und lassen ihr Glück ordentlich raushängen.

Das kann man jetzt auch als Treue lesen. Denn die richtig modebewussten und tonangebenden Rapstars sind schon vor einer ganzen Weile auf ganz andere Marken umgestiegen. Mit mehr Style und Eleganz. Wenn man in den Modeblog will, muss man sich eben immer wieder neu erfinden.

Die beiden lassen sich davon aber nicht irre machen und feiern fleißig weiter gute deutsche Wertarbeit. Sind Bonez und Ausserkontrolle also eher die konservativen Verteidiger langsam sterbender Werte?
Die Antwort fällt leicht. Da brauch ich nicht diesen Track, um die rückwärtsgewandte bis spießige Haltung der beiden Rapper mitzukriegen. Da muss ich auch nicht erklären, dass LV und Fendi jetzt eher so die Marken für die nicht ganz so hippen ist. Protzig bis zum Abwinken - und mittlerweile in jeder mittelgroßen, deutschen Stadt auf den Haken der Boutiquen zu finden. Das ist alles irgendwie nicht so richtig Luxus. Zumindest keiner, der einen Unterschied macht. Immerhin kostet er noch einigermaßen Geld, so dass nicht jeder Verkäufer sich das leisten kann. Das reicht als Unterschied. Und bestätigt auch nur das, was sonst ganz gern mit durchgegeben wird. Der Härtere/Stärkere oder eben einfach der mit dem größeren Bankkonto darf sagen, wo es lang geht. Punkt. Gesellschaftliche Abmachungen sind langweilig. Erst recht Regulierungen, die von einem anonymen Staatsapparat angewiesene wurden. Da pfeifen die beiden drauf. Und mit ihnen die Fans. Die freuen sich immer wieder, dass mal jemand sagt, wie es sein soll. - Kennen wir ja auch aus genügend anderen Kontexten. Der feige Mob braucht immer Helden, die ohne Scheu aussprechen, was sie zwar denken, aber nie sagen würden.
Erfahrungsgemäß sind diese Typen es auch, die sehr wohl wissen, was sie so vom Amt zu kriegen haben. Oder was doch bitte die da oben jetzt mal zu unternehmen haben, damit die gute deutsche Automobilindustrie nicht krachen geht.

Wahrscheinlich ist es nur Zufall, dass In meinem Benz genau zu dem Zeitpunkt erscheint und zum Hit wird, da sich in anderen, bildungselitären Kreisen ordentlich gestritten wird, wie denn nun die Kaufanreize für veraltete Karossen auszusehen haben. Der Track, der eigentlich als ausgestreckter Finger an alle gemeint ist, wird plötzlich zur Werbebotschaft für den deutschen Mittelstand.

Da hat das Management der beiden offenbar nicht gut aufgepasst. Ist schon auch ein bisschen Mist, wenn man sich für nichts anderes interessiert als für seinen eigenen Schwanz. Allerdings - die beiden merken es ja nicht, was sie da anstellen. Und es ist ihnen sehr sehr wahrscheinlich auch völlig egal. Würde ich jetzt mal so in den Raum stellen.

Freitag, 29. Mai 2020

Bonez MC: Roadrunner



Sein letztes Lebenszeichen im April sorgte für ein paar Diskussionen. Hat er sich gut in Szene gesetzt und zurück ins Gedächtnis gebracht mit ein paar wohl kalkulierten Grenzüberschreitungen. Hier kommt die Ernte.

Wobei ich auch bei Roadrunner fragen kann: Warum macht jemand 2020 noch solche Tracks? - Inhaltlich ist das eher Aufguss 1573. Nichts Neues im Ghetto.

Aber halt! Mit Roadrunner - vor allem mit dem dazugehörigen Videoclip - zeigt Bonez MC ganz deutlich, dass es ihm verdammt verbissen um richtig großen Erfolg geht. Vom einst gefürchteten und wilden Rapper ist hier gerade mal ein Comic-Abbild übrig. Inklusive dämlich-kindlichem "Miep miep".



Ist der Bonez also doch zuallererst mal ein groß gebliebenes Kind. Irgendwie direkt sympathisch. Wenn ich ihn also durch die Pseudo-Kulissen tanzen sehe in Videospiel-Manier, dann habe ich direkt so ein "niedlich"-Gefühl: Der Junge spielt mit seiner Knarre rum und macht auf ganz dicken Cowboy. Was der für eine Fantasie hat!

Nun ist das ja schon klar, dass eine ganze Menge dieser Ghetto-Rapper vor allem eines wollen: Nicht erwachsen werden! - Schnelle Autos, Para, Drogen ... alles unbedingt und ungezählt. Wenn man dann aber mal nicht gleich der ganz große King ist oder die Mama mit dem Brei ein paar Minuten zu spät kommt, dann schalten sie schnell auf bockig um. Ist unter Umständen auch ein Lebensmodell.

Wir müssen hier nicht lange philosophieren, wie sinnvoll das ist und welche Perspektiven es für solche Menschen gibt. Die Welt ist voll von erfolgreichen Role Modells dieser Art. - Verrückt finde ich, dass diese großen Kinder so viel Aufmerksamkeit für ihren Terror erhalten.

Also warum nochmal schaue ich Bonez zu, wenn er sich selbstherrlich geriert? - Weil ich weiß, dass das alles nur hübsches Theater ist. Und ich auf diese Weise gut durchdeklinieren kann, wie sich der Tabubruch anfühlen würde ... hätte ich den Mumm dazu.
Es ist ja auch eine Genugtuung zu sehen, dass es offenbar auch ganz anders funktionieren könnte. Hat schon auch was vom unvorhersehbaren Spiel mit dem Feuer.

Ängstlich sind nur die Kinder, die sich schonmal ordentlich die Finger verbrannt haben. Oder von anderen verfeuert wurden. - Die wissen, dass sich auch ein Spiel verdammt echt anfühlen kann. Und können gar nicht lachen, wenn die Draufgänger den ganzen Tag ungeniert und ungezügelt Scheiß machen. Die finden das alberne Video eher nicht so lustig. Aber gut - die Erfahrung hat nicht jede*r. Muss auch nicht sein. Traurig wird es höchstens, wenn am Ende gar keiner mehr mit einem spielt.

Bonez hat erstmal noch eine ganze Menge Spaß. Seine Freunde aus dem 187-Stall dürfen im Video auch mit Gastauftritten glänzen. Das gehört sich so in der Familie. Und ist auch nett anzusehen.

Ein bisschen peinlich ist vielleicht, dass ich denke: Shirin David hätte es vermutlich nicht anders gemacht. Das ist dann nicht nur kein Kompliment, sondern auch die Feststellung, dass die eiskalte Coolness, mit der sich Bonez & Co. sonst so inszenierten, bloß eine Show war. Nichts von alldem gilt wirklich. Wenn die Welt Videospiel will, dann kriegt sie eben Videospiel.


Angesichts dieses Videoclips revidiere ich meine Aussage aus der letzten Woche: Die harten Brutalo-Rapper kotzen nicht über die neue Generation von Lifestyle-HipHoppern. Sie sind ziemlich neidisch auf die. Weil die einfach so Spaß haben, den auch zeigen und tatsächlich damit Geld machen. Da sind die Grenzen im GangstaRap schon um einiges enger.

Bonez probiert es hier also mal aus wie es sich anfühlt, wenn man jetzt wirklich mal auf Popstar macht. Ich hoffe sehr, das endet nicht in der Superstar-Jury. Erfolg und Geld haben schon ganz andere umgedreht.

Freitag, 22. Mai 2020

Pashanim: Airwaves



Angesichts von Airwaves kann man verstehen warum altgediente RapRecken sich angewidert abwenden. Das sind die Wohlstandskids der 2000er, die alles haben. Schon immer. Den Luxus, den sie da abfeiern, den haben sie sich weder verdient noch ergaunert. Der ist einfach schon immer da, weil Mami und Papi dann doch ganz gut sozial abgesichert sind und ihrem Bubi nichts verwehren können. - Bildungsbürgerlich ist das Kategorie: Generation Z. Mindestens.

Neu an Pashanim ist, dass er nicht aus Stuttgart kommt, sondern in Berlin zu Hause ist. Jaja, genau aus dem Berlin, dass laut Bra ja mindestens die Ghetto-Hölle ist, in der es nach oben nur die schaffen, die hart genug drauf sind. Hier kommt eine komplett gegenteilige Erzählung. Berlin - das sind chice weißgestrichene Jugendstilhäuser, modebewusste Kids - und das ist vor allem eine ganze Menge Spaß. Mit Roller, Ball und den süßen Mädchen aus der Parallelklasse.

Sehr wahrscheinlich ist das, was Pashanim beschreibt, wesentlich mehr die Realität der Mehrheit als das mindestens halbkriminelle Machotum der anderen Rap-Berliner. Und tatsächlich finde ich es durchaus beruhigend, dass nicht nur die Sehnsucht nach möglichst krassen und selbstzerstörerischen Aktionen Menschen bestimmt, sondern eben auch die Lust auf einen chilligen Nachmittag mit cooler Mucke.

Die zugegebenermaßen auch ganz schön glattgebürstet daher kommt ... nunja, wer kann es den gerade mal 20jährigen verdenken, wenn sie aus der heilen Konsumwarenwelt direkt hineinrutschen in den Mainstream der Normalität. Und es ist ja auch nichts Verwerfliches dran. In den 1990ern war es halt die hedonistische Love Parade, 25 Jahre später erfreuen wir uns an lauschigem Raop. Feiern wir also den beginnenden Sommer und die gerade wiedergewonnene Freiheit. Die nächste Einschränkung kommt mit Sicherheit.







Freitag, 15. Mai 2020

Apache 207: Fame



Eyo was geht? - Zum Beispiel der neueste Track von Apache 207. Ach, es ist schön, ihn zurück zu haben an der Spitze. Ungefähr das entgegengesetzte Gefühl zu dem, wenn Capital schon wieder Top ist.

Das kann daran liegen, dass bei 20 gleichklingenden Nummer Einsen einfach mal auch Langeweile aufkommt. Apache krebst da eher noch bei seinem dritten herum.
Kann aber auch sein, dass Apache viel viel mehr Pop ist. Nicht umsonst klingt auch Fame wieder arg nach 1990er Retrodancefloor. Culture Beat und 2unlimited würden Apache lieben.

Tatsächlich hatte ich kürzlich noch ein ganz anderes Deja vu. Da bin ich bei so einem ollen Ostrock-Track aus den 80ern gelandet. Weiß der Geier, wie sich das in meine Playlist hineingeschmuggelt hat. Vielleicht mal wieder nicht die Werbung ausgeschaltet. - Jedenfalls höre ich Toni Krahl ausnahmsweise mal sprechgesangmäßig erzählen. Und ich denke: Hä - der hat ja die gleiche Art drauf wie Apache. Also natürlich nicht so HipHop-draufgängerisch - eher so die Stimmlage und Richtung. Der sprach mich direkt an, so wie ich die Lyrics im Raop auch als sehr direkt an mich gerichtet empfinde. Da gibt es also eine Linie zwischen dem, was vor 25 Jahren mal ausprobiert wurde und heute ziemlicher Mainstream ist. Weird.

Zurück von dieser bedeutungslosen und völlig nebensächlichen Geschichte. Was fasziniert mich - und offenbar noch eine Menge anderer Leute - so sehr an Apache. Die Sehnsucht nach billigem 90er Jahre Sound allein ist es hoffentlich nicht. Nein. Für mich kommt eindeutig dazu, dass Apache bei aller Coolness Anstand bewahrt. Da, wo andere Jungs nur von Respekt reden und Unterwürfigkeit meinen, da bleibt Apache auf Augenhöhe: So lange du mich nicht unterirdisch behandelst, behandle ich dich als Mensch. Dass diese Haltung nicht bedeuten muss auf großkotzige Sprüche und Posen zu verzichten, das ist die verrückte Erfahrung bei seinen Produktionen.

Fame ist ja nun wirklich ein gern behandeltes Thema im Business. Alle lechzen danach, verbiegen sich und drehen völlig ab, wenn es dann mal für 20 min zum Stardom reicht. Bei Apache ist es eher ein abfällig ungläubiges: "Scheisse Mann, jetzt sind wir also fame."
Das hat auch was zutiefst Arrogantes. Weil Fame eben null eine Rolle spielt. Ist ok wenn er da ist. Aber auch egal, wenn es mal nicht dafür reicht. Von der Position aus, lässt es sich richtig gut dissen. Immerhin: Shirin David ist mit ihrem ersten echten Rap-Feature (peinlichst!) nicht auf die 1 gegangen.

Und gern nochmal: Der Typ tut so viel, was gern auch peinlich sein könnte. Der muss sich nicht darum kümmern, was jede Woche so als Modehype gilt. Er trägt immer noch seine goldenen Roller Blades. Und sein Videoclip spielt nicht im Ferrari sondern im Hochhausflur. Das ist mal Street Credibility. - Da ist der Wohlstandsspeck nicht Zeichen von "ich kann's mir leisten Dreck in mich hineinzuschütten." sondern "Ich bin wie ihr." Und die Lyrics erzählen Geschichten, die echt sind. Ghetto fühlt sich plötzlich viel trister an. Und banaler. Die Sonne kommt eben nicht bis ins Zimmer, weil der Nachbarblock im Weg steht. Da brauch ich gar keine aufgebauschten Gangstergeschichten vom harten Überlebenskampf.

Tatsächlich findet Apache bei Fame nicht nur treffende Rhymes sondern hat auch ein gutes Gespür für krasse Bilder. Je Hochhauszimmer eine Lebensstation oder -situation. Alles voll künstlich - und voll mit Zeichen und Hinweisen. Da dürfen sich junge Filmemachende nun echt einen Wolf interpretieren. Und jede*r seinen eigenen Film fahren.

Schade ist lediglich, dass der Künstler es nicht mehr zulässt, seine Videos einzubinden. Das gehört zum Fame dann vielleicht auch zwangsläufig dazu.


Freitag, 8. Mai 2020

Capital Bra X Loredana:
Nicht verdient

Das hatte ich genau genommen schon vor mindestens einem halben Jahr erwartet. Hatten die beiden so viel zu tun, dass sie sich immer verpassten? Oder war es Ihnen nicht offensichtlich genug? Regel Nr.1 im ShowBiz: Wenn zwei erfolgreich sind, schmeiss' sie zusammen, damit sie noch erfolgreicher sind. Was war daran so lange nicht zu verstehen?

Bra und Loredana sind nun also zusammen ins Studio gegangen. Und erzählen sich gegenseitig, wie viel sie wert sind. Und die andere ist ja nur eine flatterhafte Figur oder ein dummer Macho. Ist schon auch ernüchternd, wenn man die beiden Rhymes mal so vergleicht. Refrain ist gleich - und doch ist Bra der Typ, der cool bleibt und Frauen eher als ein Spielzeug betrachtet ... können ja nicht treu sein und haben keine Ahnung von Liebe ... mag es sogar geben diese Sorte. Dagegen Loredana, ganz weiblich, für den Kerl da, aufopferungsvoll, der es aber nicht kapiert, zu tumb ist ... wahrscheinlich mag sie ihn genau dafür, dieses Riesenbaby.

Richtig, das sind ganz ganz alte Klischees. Die beiden halten diese Rollenbilder hoch. Da fühlen sie sich gut zu Hause. Darin haben sie sich eingerichtet. Bloß nichts riskieren. Funktioniert sehr gut für alle, die eh nichts mit ihrem Leben vorhaben.

Dazu haben sich die beiden als ordentliche Mode-Püppchen inszeniert. Ja - Style und Marken waren schon immer für beide wichtig. Kein Release ohne neuen Outfitz-Reigen der Luxusmarken. Das ging durchaus auch schon schief, hatte dennoch in den meisten Fällen so was wie einen Hauch von Coolness. In teuren Klamotten an verotteten Plätzen rumhängen - das lässt sich noch als Street-Style oder Avantgarde-Hippness verkaufen. Aber was machen die beiden denn auf dem Cover zu Nicht verdient?



Nee oder? Das ist ja höchstens H&M. Wahrscheinlich sogar eher Otto-Katalog. Will ich so alt aussehen, wenn mein Leben noch vor mir liegt? Wo sind sie hin, die Rebellion und der eigene Style? Ein bisschen Glück haben wir, dass der VideoClip wie gewohnt noch eine ganze Reihe anderer Outfits zeigt. Da könnte ich zumindest glauben, dass das hier vielleicht nicht nur ein Modeshooting ist und zu einem ganz kleinen bisschen auch die Klamotte, die den beiden wirklich liegt. Kann mich aber auch irren. Viel Geld lässt Menschen gern mal styletechnisch versagen. Ich hab ein bisschen Angst, dass die beiden sich genau jetzt an dieser Kreuzung befinden. Blinken sie etwa schon?



Witzig ist auch, dass es vor gar nicht allzu langer Zeit einen richtig debilen Schlager mit genau dem selben Titel gab. Spaßeshalber solltet ihr euch beide Produktionen mal nacheinander anhören. Sind beide nur mit Schmerzen ertragbar. Und zeigen ganz deutlich, warum Rap bei allem Wunsch Glitzerpop zu sein, doch immer ein eigener eiskalter Planet bleiben wird. Während im Schlager nämlich die Sehnsucht vorherrscht, jemanden (zurück) zu kriegen ... "er/sie hat dich nicht verdient" ... gleich: ich will dich ..., während Schlager Lust auf jemanden verbalisiert, geht's im Rap eher um: Du bist es doch gar nicht wert, dass ich dich begehre. Ich bin der Größte, die Schönste, das Geilste. An mich kommt keiner ran.

Hmmm ... da hat sich dann doch einiges geändert in der Perspektive. Jammern tun beide. In Einsamkeit sterben vermutlich auch. Die einen jagen nur dem hinterher, was sie mal hatten. Die anderen müssen sich permanent selbst einreden, dass sie den goldenen Löffel gezogen haben. Allen anderen verbieten, reinzukommen, fühlt sich allemal besser an als mitzukriegen, dass gar keine(r) rein will. Allerdings wenn es richtig scheiße läuft, dann gibt es eben auch keinen, der einen raushaut oder aufbaut oder gar nicht so doof findet. Klar, dass ich also lieber auf tote Statussymbole setze, die mit ihrem kalten Glanz wenigstens bei mir bleiben. So wie die bunten Ferraris, die im VideoClip nur rumstehen.

Noch so ein Fake: Kann sich Bra die teuren Schlitten dann doch nicht leisten? Sind die nur geborgt und dürfen deshalb nicht gefahren werden? AutoDealer-Werbung? Ach ach, arme Welt.

Leider haut der Track nicht mal musikalisch auf die Kacke. Das ist sentimentaler Gitarrenloopretroquark. Djorkaeff hatte echt schon bessere Stunden. Dafür, dass alle Welt von rap.de bis RTL behauptet, dass dieser Track ja die große Abrechniú´ng mit Loredana-Ex Mozzik ist, kann ich nur sagen: Beef geht anders. - Im echten Leben versagt Skandal-Bitch Loredana ganz schön deutlich. Ist halt doch nur ein Mädchen. Siehe oben.


Freitag, 1. Mai 2020

Shirin David:
90-60-111



Genau genommen, hat man ja schon eine Ewigkeit nichts von Shirin David gehört. Klar - sie muss sich jetzt um ihre Shiriletten kümmern. Also legt sie mal glatt den Song zum Produkt nach.

Und da denke ich so: Gefehlt hat sie mir eigentlich nicht. - Na gut, sie gibt den lebendigen Beweis, dass Loredana nur eine armselige Anfängerin ist. Oder positiver: Ich bin überrascht, wie viel Anstand und Grips die Loredana hat. Was bei ihr vielleicht peinlich ist, das tut bei Shirin David dann doch schon ganz schön weh.

Auweia - jetzt hab ich wieder gegen den Mainstream geschimpft und vertrete eine Herrschaftsposition. Schon aus Protest hören Outlaws jetzt solche Mucke. Muss nicht gut sein oder Spaß machen, muss nur andere stören.

Moment mal, stört's mich eigentlich wirklich, dass Shirin David mit 90-60-111 ihren zweiten Nr.1-Song hinlegt? Eigentlich nicht. Denn mehr und mehr haben sich die Charts ja als irrelevant für so ziemlich das komplette Leben herauskristallisiert. Wo sie zählen, ist in der superschnellen und superkünstlichen Plastik-Online-Welt. Da wo Influencer Stars sind, weil sie gute Deals mit Produkten von globalen Firmen machen.

Mit Shirin David geht es nur um die schnelle Aufmerksamkeit. Deshalb muss jede Sekunde ein visueller und auditiver Schrei sein. Um das zu erreichen ist ein hohes Energielevel erforderlich. Da braucht es Kraft und Anstrengung. Bleibt keine Kapazität mehr für etwas anderes. In punkto Lautstärke hat Shirin David eindeutig die Nase vorn.

Ein bisschen schade wird es sein, wenn ab demnächst andere Regeln gelten. - Wir können natürlich sicher sein, dass Shirin David auch dann weiter ihr Ding machen wird. Und sie wird weiter Fans finden, die sich in ihren Produkten suhlen. Ich vermute nur, dass diese Gruppe weiter Null Relevanz haben wird außerhalb ihres eigenen Bezugsystems. Und sie werden es überhaupt nicht merken. So wie die ferngesteuerten Epsilon-Minus-Menschen bei Aldous Huxley. Ach Mist, falscher Vergleich, Shirin David liest nicht.

Ich finds spannend, wie so ein fast 90 Jahre altes Buch schon ahnen konnte, was einmal passieren wird. Ob sich in 90 Jahren noch jemand an Shirin David erinnert?



Wirklich desillusionierend ist an 90-60-111 lediglich, dass Shaho Casado den Videoclip gemacht hat. Einfallslos wie nie zuvor. Und wahrscheinlich genau deshalb zu Beginn seinen Namen nur eine Millisekunde einblenden lässt. Hoffentlich hat er dafür so viel Geld bekommen, dass er die nächsten Jahre nicht mehr unterwegs sein muss. Ich empfinde das echt als rufschädigend.

Freitag, 24. April 2020

DRAKE: Toosie Slide



22:20 Uhr - die Straßen sind leer. Corona, denke ich. Ausgangssperre - Haltet Abstand … und erfahre später im wikipedia-Artikel, dass es tatsächlich um genau das geht.

Ein vermummter Typ - DRAKE - scheint vor Schaufenstern zu stehen. Ach nein, er befindet sich mitten im Luxus-Kaufhaus. Selbst die sind geschlossen. Einsam. Auch ein schön apokalyptisches Szenario. Was bleibt übrig von all dem Glanz, wenn es keine Menschen mehr gibt?

Ach, das ist gar kein Kaufhaus? Das ist ein Wohnort - Drake's Wohnung. Drake's Schloss. Hier zeigt er es mal so richtig allen: Deutschrapper, nehmt das! So sieht Luxus aus. Das ist Erfolg.

Und ich denke: Wie unangemessen ist das denn? Drake in der Isolation, ganz allein. Aber Feuerwerk! - Na gut, wenn er sich selbst genügt.
Ich denk an König Midas. Ich denk an diesen Allerweltsspruch: "Erst wenn der letzte Baum gerodet ist, ... werdet Ihr merken, dass man Geld nicht essen kann."
Und ich denk: Auf was für einem Film ist dieser DRAKE eigentlich? Warum ist es ihm so wichtig in einer menschenleeren Stadt noch zu zeigen, was er sich alles leisten kann? Wem eigentlich?

Ah ja - den Menschen vor den Streamingkanälen. Die ziehen sich ja grad zu Hauf sein Zeug rein. Und wünschen sich raus aus ihrer kleinen Bude. Was würden sie dafür geben grade jetzt, wo alle unter Hausarrest stehen, mehr Platz zu haben?



Hat er gut hingekriegt der Drake. Alle Welt beneidet ihn. Das findet er gut. Wer auch nicht? - Und gleichzeitig ordnet er mit dieser Aktion seine viel beachtete Charity-Aktion um God's Plan neu und diesmal wirklich unmissverständlich ein. Es ging ihm nie um die Armen und Benachteiligten. Drake geht es vor allem darum, dass ihn andere bewundern. Und zwar für seinen Reichtum.

Natürlich jammert er auch ein bisschen rum: Wie scheiße die Freunde sind, die seine Groupies anmachen und auf seine Kosten abschleppen. Oh je - hier hat einer aber wirklich Probleme. Mein, dein ... und das dann auch noch aller Welt zu erzählen, wie ungerecht mit einem gespielt wird.

Der König will unangefochten auf dem Thron sitzen. Und er will Gönner sein. Gottgleich.

Dieses Ziel zu erreichen, setzt er gekonnt alle Strategien um, die man heute so drauf haben muss um Erfolg zu haben. Zunächst Virales Influencer-Marketing: Toosie plus Freunde haben diesen Move erfunden. Und schon ging die TikTok-Challenge los. Klar wird dann der Track, der ständig drunter liegt, auch zum Hit. Haben wir schon bei Regard so erlebt.Da darf der Song dann auch Mittelmaß sein.

Das ist für mich das eher Erschreckende: DRAKE gehört ohne Zweifel zu den einflussreichsten Künstlern der 2010er. Er hat auch wirklich den einen oder anderen wegweisenden Track produziert. Toosie Slide gehört da - zumindest in musikalischer Hinsicht - nicht unbedingt dazu. Das ist gut eingängig - ja. Und es klingt genauso gut austauschbar. Hab ich das nicht schonmal gehört? Diese Art, die Rhymes auf einen Beat zu legen ... schön reduziert ... und irgendwie auch gar nicht überraschend.

Dafür sind seine Verweise und Zitate eine wunderbare Fundgrube. Michael Jackson als Referenz zu einem albernen Dance-Move anzuführen ist natürlich auch lustig. Als Top obendrauf "Who's Bad?" und "Thriller" einbauen - das wäre zu schade, würde das in einer fulminanten Produktion untergehen. Hier kann ich also schon eine Menge Spaß haben. Und gleichzeitig den Gott der 1980er ordentlich albern finden. Dafür darf man Toosie Slide schonmal mögen.

Für mich ist das dennoch ein wenig dünn. Womit wir wieder bei der Mittelmäßigkeit wären. Vielleicht ist Isolation und Virtualität dann doch nicht so das Zaubermittel für Kreativität.


Freitag, 17. April 2020

SAMRA: Baebae



Und wieder so ein verzweifeltes Liebeslied. Samras Spezialdisziplin. Ja, das kann er ganz gut. Und gleichzeitig denk ich: is ma langsam auch wieder gut. - Warum heutige Pophelden ihre Erfolgskühe so gern bis zum tot umfallen melken, bleibt mir ein Rätsel. Wahrscheinlich wissen sie doch alle zu gut, wie schnell der Hype vorbei ist. Und ob man es dann noch bringt, sich nochmal neu erfinden kann, wer weiß das schon.

Immerhin: Samra zeigt schon mit dem Titel zu seinem neuen Track, dass der eine andere Sprache spricht, eine jüngere. Baebae ist sogar ein bisschen lustig. Und Deutschlehrerinnen zieht es wahrscheinlich die Schuhe aus. (Soll auch coole geben, die seine Texte in der Schule durchnehmen.)

Auch sonst zeigt er wiedermal, dass er was zu erzählen hat. Ja - auch hier legt er die ganze Schizophrenie des menschlichen Seins offen. Abhängig vor Liebe und zu schwach, diese für eigene Stärke zu nutzen. Die Gewissheit, dass man nicht genügen kann ... wobei es natürlich die Frage ist, ob die Schöne nicht gerade das Fehlerhafte an Samra liebt. Dass er sich eben nicht beherrschen kann und so ein Weichei ist, welches sich niemals von den Verführungen des Lebens frei machen kann. Vielleicht findet sie es auch einfach nur geil: Das ist jemand, der das Leben liebt und genießt.

Das alles weiß Samra nicht. Vielleicht interessiert es ihn auch gar nicht. Er ist in der Phase der Selbstbespiegelung. Da spielen eine Menge Vorannahmen eine große Rolle. Das ist dann eher die Schwäche. Auch, dass er um seine Fehlbarkeit weiß und diese ganz klar als Grund sieht, warum das alles irgendwann mal richtig krachen gehen muss ... klassischerweise würde auch das als Schwäche ausgelegt.

Genau das ist immer wieder das Großartige an Samra. Weil es mit dem SuperheldenMachoGehabe der großen PopRapStars so gar nichts zu tun hat. Weil es diese sogar dekonstruiert. Mensch, dieser knallharte Kerl hat so eine zerbrechliche Seite. Krasse Nummer. Und so menschlich!

Samra schliddert zwar mit jeder Wiederholung dieses Themas näher an die Heulsusengrenze heran. doch bis er auf dem Niveau von Dardan landet ist wohl noch etwas Zeit. Warum?
Weil Samra es schafft solche Begriffe wie "Chronograf" in seinen ansonsten nah an Alltagsslang angelehnten Lyrics unterzubringen. Der schafft es mit einem entwendeten Wort Werbesprache und Bildungsdünkel gefechtsunfähig zu machen. Und dabei nichtmal albern zu wirken.



Das Video beginnt mit einer Frau am Fenster, die eine Sturmmaske trägt. Das kann Corona-Alarm genauso heißen wie Verherrlichung von kriminellen Fantasien. Oder wer es mag: Sexuelle Spezialgelüste. Es kann aber auch heißen: Die Frau muss hier eben nicht sexy, niedlich, schön, geil oder sonstwie aussehen um den Absatz zu fördern. Auch das eher ungewöhnlich im Business.

Samra selbst prangt in diesem Video nicht mit 30 verschiedenen Outfits - was los? Statt Inszenierung Konzentration auf den Inhalt?

So viel Selbst- und Sendungsbewusstsein würde ich auch mal Loredana wünschen.

Freitag, 10. April 2020

Ramon Roselly: Eine Nacht



Tatsächlich, DSDS gibt es noch. Hatte ich wirklich nicht mehr auf dem Schirm. Das ist so ähnlich wie beim Dschungelcamp. Da erschrecke ich mich auch zu jedem Jahresanfang aufs Neue, dass das immer noch läuft.

OK - nach drei Jahren Misserfolg schafft es nun der Sieger Ramon Roselly endlich wieder einen glatten Nr.1-Hit hinzulegen. Geschrieben von Dieter Bohlen, produziert von demselben, als Schlager. In der Rückschau sind die deutschsprachigen Schlager eindeutig erfolgreicher. Und scheinbar muss es dann doch der Guru DB sein, der das seichte und eingängige Metier beherrscht wie wohl kein anderer.

Wie immer war es ein und derselbe Song, der da interpretiert wurde. Eine Nacht - immerhin, es geht endlich mal nicht mehr um das komplette Leben. Wir fangen realistisch an: eine Nacht und einen Tag. Dass die Nacht an erster Stelle steht, sagt deutlich, dass es vor allem erstmal um die körperlichen Bedürfnisse geht.

Natürlich wird im Laufe des Songs diese Reduzierung dann doch relativiert. "Alles macht jetzt Sinn." - das ist doch der echte Schlager-Talk. Und dann gibt es Märchenklischees im großen Stil: "Wenn ich deine Augen seh' weiß ich, dass ich dir vertrauen kann. Ich weiß, wir passen zusamm'n" - Ach ja, Liebe auf den ersten Blick, das einzig Wahre und Echte und Richtige. Dafür sind Schlager gemacht. Dass man mal so richtig träumen und schwelgen kann. Damit es dann im echten Kack-Leben nicht ganz so weh tut.

Dieter Bohlen hat unter diese Sehnsüchte eine klebrige Melodie gelegt, die aus bekannten Versatzstücken zusammengeleimt ist. Ich habe den Song noch nie gehört und kann doch sofort mitsingen. Mir läuft ein Schauer über den Rücken als dann die Bridge wirklich so einsetzt, wie ich es erwartet habe. Das so 1:1 zu bedienen, muss man sich auch erst mal trauen. Peter Urban würde kotzen - und genau das ist vermutlich Hr. Bohlens Ziel. Denn so erreicht er mehr. Menschen, die nicht alles kritisch hinterfragen oder analysieren. Die einfach nur glücklich sein wollen. Egal wie falsch dieses Glück auch sei.

Ich mach hier natürlich trotzdem genau das: Bisschen drüber nachdenken und drauf schauen, was uns da gerade die Lautsprecher verstopft.
Vier Versionen sind im Umlauf. Lohnt sich vielleicht, mal die Unterschiede rauszufinden. Auch wenn das wahrscheinlich zur Höllentour wird.

Beginnen wir mit der Viertplatzierten Paulina Wagner:


Geigchen-Kaskaden am Anfang - ganz schön schlimm. Paulina singt - klingt auch ein bisschen hingeschnoddert. Kann man auch gut finden. Endlich mal nicht so überzüchtete Aussprache. Aber leider ist diese Version ordentlich altbacken. Wäre das nicht auch schon in den 1980ern genau so produziert worden?

Platz 3 Joshua Tappe

Oops - das klingt ja gar nicht nach Schlager. Erstmal. Der 4/4-Takt ist etwas getarnt und eine verrauchte Bärenstimme gibt den Text zum Besten. Passend zum bärtigen Aussehen des Jungstars. Aber leider ... Matthias Reim hat auch schon seine besten Tage hinter sich. Und dass er immer noch allerorten herhalten muss, macht's nicht besser.
Produktion und betulicher Inhalt klaffen hier doch ordentlich auseinander. Wenigstens ist dieser grässliche oh-oh-oh-Chor weggelassen worden. Und sowieso ist das die einzige Variante, die tatsächlich eine Alternative zum Rest darstellt. Wenn auch in meinen Ohren eine eher mittelmäßige.

Chiara D'Amico - Platz 2

Da sind sie wieder die Geigchen - hör' ich schon gar nicht mehr. Aber sag mal ... Chiara klingt ja wirklich wie ein ganz kleines unbedarftes Kind. Entweder hat sie gar keine Lust auf dieses Lied oder sie versteht einfach nicht was sie da singt. Das klingt für mich wie ein auswendig gelerntes Gedicht am Weihnachtsbaum. Plötzlich kommt mir Paulinas Version richtig emotional vor. Warum nochmal musste sie schon in der Runde davor ausscheiden?

Und jetzt der Sieger:

Die Geigen beginnen eine Oktave tiefer - welche Wohltat. Auch der Chor ist männlicher. Und dann kommt diese ganz ganz sanfte und weiche Stimme. Buttercremetorte - Gesichtscreme - Geschirrspülmittel ... irgendsowas. Klar, dass das gewinnen musste.

Dazu dieser eher einfallslose Video-Clip. Ramon steht im Mittelpunkt. Sein niedliches Gesicht. Sein liebes Outfit mit Hosenträgern. Und frisiert ist er auch ganz adrett. Wie der lächeln kann. Der muss gar nicht singen. Vorabendserie - Teenie-Schwarm - Schmetterlings-Sehnsucht - so fühlt sich unbeschwerte Kindheit an. Ein schönes Gesicht und schon ist man verliebt. - Immer auch ein bisschen peinlich.

Ach je - der Ramon. Ist er jetzt eigentlich glücklicher? Zirkuskind aus'm Wohnwagen. Will er dieses Leben tatsächlich wegtauschen gegen das kurzzeitige Rampenlicht. Ändert sich überhaupt etwas für ihn?

Ich bin jedenfalls nur froh, dass DSDS schon lange nicht mehr diese Breitenwirkung hat, die es noch vor 15 Jahren entwickelte. Als man sich nicht entziehen konnte. - Heutzutage werde ich mit den entsprechenden Suchfiltern Eine Nacht vermutlich nicht nochmal hören müssen. Und da größere Menschenansammlungen ohnehin untersagt sind und wohl auch noch eine Weile bleiben werden, werde ich auch auf keiner dieser peinlichen Veranstaltungen malträtiert. Hoffentlich.






Freitag, 3. April 2020

Loredana x Zuna:
Du bist mein



Jetzt muss also auch Großmaul Loredana ein Home Video machen. Hübsche Einblicke in die Bescheidenheit des Luzerner Biedermeier. Da ist gar nicht so viel mit Palast und Kronleuchter - da ist eher Kühlschrank und nun ja, wenigstens so etwas wie eine Terrasse. Alles ziemlich durchschnittlich. Wer hätte das gedacht?

Dazu ein Video mit Fan-Einspielern. Hier zeigt sich der Popstar mal wirklich auf der Höhe der Zeit. Zeigt wie ihr feiert, was ihr macht, lasst uns gemeinsam einsam sein. Spannend, dass diese Frau, die doch immer etwas Besonderes sein will, eine Hymne auf die Gemeinsamkeit produziert.



Auch textlich. Natürlich erstmal irreführend "Du bist mein" Pause "Marihuana". Mensch mensch, das ist schon richtig nahe an einem Augenzwinkern dran. So könnte der Track schon fast als Liebesgesang durchgehen. Jaja - die Gefühle in der Isolation, die spielen manchmal schon ganz schön verrückt.

Ich muss zugeben: diese Normalität, die mir Loredana hier zeigt, gefällt mir viel besser als all ihre inszenierte Aufgesetztheit, die sie mir sonst so vor die Füße wirft. Erstmals kann ich sie wirklich ernst nehmen. Mit allen Ecken, Kanten und Widersprüchlichkeiten. Würde sie sich mehr trauen, sich zu zeigen - sie könnte zum Sprachrohr einer Jugend werden.

Will sie aber nicht. Gesellschaft ist ihr egal. Oder nur so weit wichtig, wie sie diese melken kann. Muss man nicht verurteilen. Gibt viele, die so drauf sind. Also auch da spiegelt Loredana lediglich das, was ohnehin vorhanden ist. Und hat deshalb so viel Erfolg.

ZUNA bleibt bei diesem Track reichlich farblos. Das find ich tatsächlich nochmal spannend: Warum gewinnt Loredana durch die Normalität, während der Supermacker Zuna quasi unsichtbar wird? Hat er gar nichts zu erzählen? Ist er tatsächlich nicht mal eine Abziehfolie?

Auch ihm kann das alles reichlich egal sein. Solange er seinen Spaß hat und bei Loredana auf der Couch lümmeln darf. Mit Teddy. Irgendwie schade find ich das trotzdem. Vor ewig langer Zeit schien es ja für einen kurzen Moment so, als hätten die Jungs von KMN der Welt wirklich etwas hinzuzufügen. Irrtum!

Wenigstens das noch: SRNO als Produzent hat für meine Begriffe ordentlich Geschick bewiesen. Weitermachen!

Freitag, 27. März 2020

DARDAN X MONET 192:
H3Tel.

In Zeiten von Ausgangsbeschränkungen und Kontaktverbot verlieren DeutschRap-Tracks ihre Attraktivität. Legt zumindest die aktuelle Liste nahe. Unter den besten 5 befindet sich nur ein einziger Titel, der in die genannte Kategorie halbwegs passen würde. Der Rest ist oldschool-Pop.

Ist es allein also nicht cool deutschsprachigen Gangstarap zu hören. Ist es gar langweilig, weil es Musik ist, die immer auch die Vergewisserung der Gang braucht? Ist es öde, sich allein von jemandem anhören zu müssen, wie cool er doch ist und was er alles schon so erreicht hat? Fetzt das Ganze nur wenn ich sehe, da sind mindestens 3bis100....1000 Personen, die sich auch dran aufgeilen, wie Hengst jemand sein kann?

Passt gut zu anderen Filterbubbles, die sich vor allem immer selbst bestätigen. Und deshalb trotzdem reichlich oft total daneben liegen. DeutschRap also doch als ein Phänomen einer ganz kleinen selbstreferenziellen Crowd? Die aber ordentlich laut sein kann.

Leiderleider ist nun DARDAN als einziger Vertreter der deutschsprachigen Gilde in der Top5 nun grade kein gutes Exemplar, um das alles weiter auszuklabautern. H3TEL. ist nämlich wie schon zuvor 6AM..... ein ordentlich weichgespülter Schmusebärensong. Trotzdem gibt es natürlich den einen oder anderen Aspekt, auf den wir schauen können:



Das Hotel also ist der aktuelle Sehnsuchtsort. Gerade jetzt, wo Hotels wenn nicht zwangsgeschlossen, so doch situationsbedingt eher verwaiste Orte sind. Der Platz an den man nicht darf oder kann ist natürlich immer ein sehr attraktiver und verheißungsvoller. Für die Zielgruppe ohnehin. Die reist noch nicht so wild umher. Jedenfalls nicht allein. Die kennt eher Cluburlaub im Familienferienhaus.

Allein im Hotel. Mehr oder weniger anonym. Was man da alles tun kann! Sex, Drugs, Rock'n'roll ... das vergöttern ja auch die DeutschrapPoeten nach wie vor. Von wegen, wir schreiben die Geschichte neu.

Auch textlich ist H3TEL. voll von Sehsucht. Die Lady, die einem unaufgefordert aber erhofft in den Lift folgt (und dort vernascht). Die Frau, die auf einen wartet, egal wie lange die Tour mit den Jungs dauert. Und nicht zuletzt: Die Dame, die einem auch mal die Knarre aus der Hand nimmt. Einfach sagt wo's langgeht.



Sucht Dardan also eigentlich eine starke Mammi? Eine (weibliche) Figur, die die Geschicke der Familie im Hintergrund steuert und ohne laute Worte oder Drohkulissen zeigt, wo der Hammer hängt?

Och Mensch - warum eigentlich wird hier schon wieder das kuschelige Idyll der Kindheit hervorgholt. Werdet doch alle endlich mal ein bisschen erwachsener.


Freitag, 20. März 2020

samra & capital bra:
Berlin



Das wievielte mal ist Berlin in einem Bra-Track Thema? Und wieder ist es eher das Bild als Gangsta-Hauptstadt und Kriminellen-Dschungle, das da gezeichnet wird. Nunja, es gibt eine Menge Realitäten, die offenbar nichts miteinander zu tun haben müssen. Und im Pop-Business geht es ja mehrheitlich um Träume bzw. Märchenwelten.

Die Kids wünschen sich also nach wie vor eine Welt, in der es kleine Jungs aus dem Neubau-Ghetto zu schwerreichen und unflätigen Gangstern bringen können. Nachvollziehbar - als 12-14-jähriger habe ich so sehr die Schnauze voll von Bevormundung und Fremdbestimmung, da kann ich nur träumen in der Art "Wenn ich mal groß bin..." Da offenbar die wenigstens auch nur den Hauch einer Idee entwickeln, welche Eigenschaft sie denn an dieses Ziel bringen könnte, ist es eben die Knarre mit Kugeln im Lauf, die Freiheit und Bosstum bedeutet. Das ist eine Welt, die Oben und Unten, Gewinner und Looser fest zementiert - entweder du gehörst hierhin oder dorthin, dazwischen gibt es nichts, und auf der einen Seite ist wirklich nur Platz für einszwei, basta.

Es ist nach wie vor die Sehnsucht nach Besonderheit, Einmaligkeit, Individualität, die in Berlin zum Ausdruck kommt: Vertrau niemandem, nur dir selbst - und dann wirst du deinen Weg schon machen. Das ist kindisches Superheldengetue. Zu viel X-Men & Co in der Vergangenheit konsumiert. Schade.

Könnte auch ein schönes Beispiel dafür sein, wie schädlich Marvel & Disney für Heranwachsende sind. Wolfgang M. Schmitt macht regelmäßig klar, dass einfache Unterhaltung eben nicht harmlos ist. Kann man übrigens genauso auch auf Popmusik anwenden.

In diesem Sinne machen Samra und Bra die Welt um keinen Deut besser. Wollen sie auch nicht. Sie sind lediglich aus auf das ganz egoistische eigene Glück. Das reicht ihnen dann schon. Und das reicht mittlerweile einer großen Menge. Solidarität, Zukunftsvisionen, Lust auf wirklich eigene Ideen - das ist alles so gestrig ...

Wenn man den schlau redenden Menschen glauben darf, dann sind diese Tage ja gerade entscheidend dafür, wie es so in den nächsten Jahren weitergeht. Welche Werte werden sich durchsetzen? Wer kann sich besser als Krisenmanager inszenieren? Und verabschieden wir uns demnächst vom Neoliberalismus?

Ich fürchte, der Zuspruch, den Samra & Bra nach wie vor haben, spricht eher dafür, dass sich eben nichts ändert. Brutaler, selbstverliebter, verschwenderischer - das ist die Devise. Mal seh'n wer es länger durchhält.