Freitag, 20. Dezember 2019

SAMRA: COLT



Verlorene Jugend. Verzweifelte Jugend. SAMRA singt uns ein Lied davon.

Für ihn gibt es kein Morgen. Sein Leben, von Anfang an so verkorkst und verquer, da bleibt nur die Überholspur um überhaupt zu spüren, dass man noch wach ist. Und auch der Erfolg, die Rolex, die Louis-Tasche - gibt alles dem Sein keinen Sinn. Also jeden Tag so leben als wäre es der letzte. Und genau diesen Augenblick auch forcieren. SAMRA ist einer, der wird eher glücklich sein im Angesicht des Todes.

Vor 30 Jahren machte diese Lebenseinstellung die Runde unter Verschwende Deine Jugend. Ende 2019 muss es heißen COLT.

In dieser Konsequenz hat mir das in den letzten Jahren kaum jemand erzählt. Gut, dass es SAMRA ist, der das macht. In seinen besten Tracks war schon zu spüren, dass er das Gefühl Verzweiflung kennt. Dass er weiß, was Ohnmacht und Leere ist. Nach wie vor beeindruckend Cataleya. COLT hat das Zeug dazu, noch länger im Gedächtnis zu bleiben.

Natürlich sind es nicht nur die Rhymes allein. Die Produktion vom noch recht jungen Team Lukas Piano & Greckoe verleiht dem Track eine eiskalte Brutalität. Die Pistolenschüsse sind mir zwar ein wenig zu fett aufgetragen ... aber gut, dafür holt der Synthie-Loop im Hintergrund den Track immer wieder schön zurück auf den verspiegelten Boden.

Heiko Hammer fügt dem Track ein Video hinzu, dass vor allem in den Szenen vor überstrahltem animiertem Hintergrund eine gleichwertige Entsprechung zu Samras Lyrics liefert. Ansonsten brennt mal wieder ein Auto - ein Bild, das durch seine Massenverwurstung gar nichts mehr bedeutet.



Nach COLT kann ich einfach nur sagen: SAMRA, schnapp dir das Produzentenduo und mach dein Ding.

Freitag, 13. Dezember 2019

NIMO & HAVA:
Kein Schlaf



Nimo schlägt Samra. Verzweifeltes Liebeslied schlägt Ego-Nummer. Schlager schlägt harten Rap.

Das ist wohl die Botschaft dieser Woche. Naja, ist ja auch kurz vor Weihnachten, da geht's dann doch vermehrt um Beziehungen.

Und ich kann mich nicht so recht erwehren: immer wieder denke ich an Juju & Henning May. Auch wenn die weiterhin das Pop-Prinzessinnen-Team 2019 bleiben und sowieso ganz anders klingen. Macht aber offenbar erfolgreich die Geschlechter zu mischen und zusammen hinters Mikro zu stellen.

Nimo also legt nach. Karma war ganz schön schlimm. Kein Schlaf bringts da schon zu wesentlich mehr Geradlinigkeit. Ist immer noch ein Leidenssong - allerdings schon ordentlich verzweifelt. Da ist der Schmerz größer als die Vergewisserung, dass es einem schlecht gibt. Und deshalb funktioniert Kein Schlaf besser.

Das ist dann insgesamt schon beachtlich, denn bei flüchtigem Hören könnte ich meinen Karma und Kein Schlaf sind ein und dieselben Tracks. Kreativität ist also nicht unbedingt Nimos Sache. Dürfte den meisten egal sein: Nimoriginal steht jetzt schon als großer No.1-Favorit für die kommende Woche fest.



Aufpassen muss Nimo natürlich schon ein bisschen. Mit seinen Songs und Styling ist er ordentlich in der Fahrspur "großer Teddybär". Weiß nicht, inwieweit er wirklich dieses Image bedienen will.

Schön auf jeden Fall, dass deutsch bei Kein Schlaf gemischt wird mit bosnisch und persisch. Tut jedem Song gut, wenns bisschen internationaler wird.

Freitag, 6. Dezember 2019

Capital Bra: Der Bratan bleibt der Gleiche



Als J.Lo 2002 schwörte "I'm still Jenny from the block", da war sie schon meilenweit entfernt von ihrem Street Life. Ihr Herz, sicher, das schlug noch für die Ghetto Kids und die alten Hoods - trotzdem lebte sie ein Leben in Prunk und Braus und ohne die ganzen Sorgen und Probleme, die man so als Looser einer Gesellschaft halt hat. Gekauft haben ihre Hits Leute, die es sich leisten konnten, die sich mit ihren Geschichten ein bisschen Social Flavour ins Leben holen wollten: "Du, ich höre auch R'n'b. Ich weiß, wie hart das Leben ist..." - Blablabla...

Der Bratan scheint 2019 also an einem ähnlichen Punkt angekommen zu sein - so habe ich den Titel zuerst gelesen. Und dann stellt sich heraus, dass es doch um andere Dinge geht. Mit Der Bratan bleibt der Gleiche wird Bra nämlich ordentlich persönlich. Er erzählt seine Geschichte - also die der letzten Wochen. Der RapSong als Nachrichtenmedium.

Da wird viel gedisst und geschimpft. Auf arabische Clans. Auf Erpressungsversuche. - Zurecht. "Der Bratan bleibt der Gleiche" zielt vor allem darauf ab, dass sich Vladislav Balovatsky nicht erpressen lässt. Das, was bei der Geschichte dann doch irgendwie auch seltsam ist, der Rapper, der ja sonst sehr stark darauf pocht, dass er sich aus allem Mist selbst rausholt, soll sich wohl selbst an die Polizei gewandt haben. Legt zumindest raptastisch.net nahe.

Weiß man natürlich nicht was dran ist. Die mediale Maschine ist da nicht immer so genau mit den Tatsachen. Zumindest stünde so ein Verhalten im krassen Gegensatz zu dem, was Bra noch Anfang des Jahres von sich gegeben hat. Erinnert sich noch jemand an seine Trennung von Bushido?

Bratan bleibt der Gleiche ist auch die bockige Verlautbarung, dass Bra trotz aller Verleumdungen und Neidern weiter ein Garant für die Nr.1 der Charts ist. Der Track beweist es. - Da ist der Bra dann doch um ein paar Schritte weiter als J.Lo. Er behauptet gar nicht erst, dass er noch zu den Plattenbauloosern gehört. Sein Leben spielt sich in anderen Sphären ab. Demut ist so 2000er - heute wird geprotzt ohne Scheu.



Musikalisch bietet der Bra mit diesem Song nichts Neues. Klassischer Style, klassisches Storytelling ... kann man machen, seine Ausflüge in den Pop oder andere Gebiete finde ich allemal spannender. Oder wenigstens lustiger, weil so schön doof-albern.

Richtig schlimm ist an dem Track vor allem die Schlussfolgerung fast zum Ende seiner Geschichte:
Ich bin kein Lehrer, ich bin kein Politiker. Ich hab nix studiert oder so'n Scheiß, aber ich weiß was vom Leben.
Da geh'ich mit. Nur weil jemand studiert oder in dem System eine große Nummer ist, heißt das noch lange nicht, dass diese*r was vom Leben weiß. Auswendig gelernte Knochennamen oder Paragraphen erzeugen 0 Erfahrung.

Und ich weiß, Gott ist auf unsrer Seite, bei den Menschen die ein reines Herz haben.
Wie jetzt? Bei meinem ganzen Leben geht's um Gott? - Ich hoffe schwer, dass dieses vermaledeite Gott-Ding nur so ein Bild ist für Glück haben/sich wohl fühlen/keinen Neid in sich tragen ...
Allerdings macht mir das mit dem reinen Herz echte Sorgen. Das klingt nach Beichte und Aberglaube und Sündenablass ... Ausgerechnet Capital Bra, der ja nun auch nicht gerade der Freund der totalen Einhaltung der 10 Gebote ist, erzählt uns was von reinem Herzen für Gott. Was soll das eigentlich sein? Reines Herz - einfach nur sich selber treu bleiben oder was?

Habt ein reines Herz und ihr kommt weiter!
Genau, das muss dann als Schlussfolgerung kommen. Lebt so wie der Bra und ihr kommt weiter. Wobei ich "reines Herz" und "weiterkommen" einfach mal als "halbwegs aufrecht durchs Leben gehen" deute. Zu seinen Werten stehen. Sich nicht korrumpieren lassen. - Diese Haltung auch bei Bra zu entdecken krieg ich vielleicht noch hin. Das er ein komplett "reines Herz" hat, das trau ich ihm echt zu. Ob das am Ende dann reicht für ein gutes Miteinander, das ist hier mal die Frage. Ich fürchte, dass die völlige Konzentration auf das Ich allein noch nichts reißt. Könnte ja auch sein, dass man selbst einfach nicht alle Informationen hat und genau deshalb Mist baut. Beispiele dafür gibts in der Geschichte genug. Sogar im noch kurzen Leben des Bratan.

Oberlehrer Bra, der uns was vom Leben beibringen will - das ist irgendwie nicht die coolste Rolle für einen noch ziemlich jungen Erfolgsrapper. Da hab ich Angst, dass gleich Xavier Naidoo aus der Kiste gesprungen kommt, der mir auch immerzu erzählen will, was ich zu denken habe. Danke, kein Bedarf!

Freitag, 29. November 2019

REGARD: Ride it.



Uuuh ist das ein hässliches Cover! - Also komplett. Da stimmt gar nichts. Eine Schrift und Gestaltung, die ich einer B- bis C-Produktion aus den 80ern zutraue ... und dieses Revival ist auch schon ordentlich lang vorbei.

Geschenkt!

Ride it. hat seine Popularität nicht durch Art-Work bekommen, sondern viral durch eine TikTok-Challenge. Die ich leider auch eher so semi finde. Also ja, da gab's schon die eine oder andere lustige Sequenz. Aber hey, das hatten wir alles auch schon schmissiger ... Nun ja, Memes sind sowas von subjektiv. Da hab ich mich doch neulich sogar mit Typen gestritten, deren Meinung mir eigentlich völlig egal sein sollte. Und dabei geht's doch eigentlich sowieso um nichts. - Denkt man. Ist aber nicht so.

Die kleinen Snippets erzählen nämlich alles über uns und unser Sein. Da stehen meine Freuden, meine Sorgen, meine Kreativität, meine Einsamkeit, mein Leben ziemlich ungeschminkt in der Welt ... auch wenn ich mich noch so sehr unter Albernheit und Ironie verstecke. Wahrscheinlich haben genau deshalb dann doch eher viele Hemmungen sich dort auszutoben. Erfolgreich ist es trotzdem.

Wenn ich also gar nichts aus dieser ganzen Challenge mitgenommen habe, aber den Sound, den hab ich danach definitiv im Ohr. Eigentlich ist die Hook ja sogar schon ordentlich alt. 2008 wurde sie von Jay Sean in die Welt gesetzt. Sogar mit ordentlich Coolness und überraschenden Rhythmusbreak, was man jetzt nicht so von allen Produktionen dieses Sängers behaupten kann.



11 Jahre später. Deep House ist eigentlich vorvorgestern. Irgendwie fühlt es sich trotzdem gut an. So hat das mal geklungen und uns hat's Spaß gemacht. Das ist so dieses besoffene Oktoberfest- und Weihnachtsmarktgefühl, wo ich sogar sentimental bei Modern Talking mitwippe und mich freue, dass ich das alles so in und auswendig kenne.

Tatsächlich finde ich Ride it. subtiler, hypnotischer, besser als nahezu alles, was uns vor dreivierfünf Jahren auf der ganz großen DeepHouse-Welle so angeboten wurde. Hat vermutlich was damit zu tun, dass nicht jede Produktion, die ein bisschen auf Schubidu macht, gleich ein Hit wird. Heute muss man sich doch anstrengen und irgendwie eine Idee haben, um mit dem Lounge-Dance-Sound eine Masse zu erreichen. Hat hier funktioniert.

Mit dem Track kann ich also eine ganze Menge anfangen, was dann aber Ministry of Sound mit dem Video gemacht hat, das ist echt schon ganz schön abartig. Ok - wir wollen so richtig krasses Zeug in die Welt blasen. Muss ja auffallen. Und wir wollen auch zeigen, wie unorthodox die Dance-Jünger sind. Trotzdem sind so viele Bilder in dem Clip eher fragwürdig bis daneben.



Was ist nochmal das Erstrebenswerte an Prostitution? Frauen, die für Geld jedes nur erdenkliche Klischee vorspielen. Und warum nochmal Lesben-Erotik im Hotel? Der zugedröhnte Typ dazwischen, wird am Ende rausgeschmissen, weil er völlig auf seinem eigenen Trip ist...

Faszinierend ist natürlich schon, wie geil der Kumpel ausrastet. Bisschen schade, dass das halt nur auf Droge geht. "Ride it." mal nicht sexuell konotiert sondern chemisch. Ach ja, ein Auto fährt auch noch fleißig durch den Clip - auch eine Form von Riding. Wie gesagt, das was sich Meji Alabi da ausgedacht hat, ist einigermaßen krank. Schön gefilmt - absolut. Und sowas von oberflächlich.

Am Ende liegt der Typ am Boden. The party is over. Er ist jedenfalls glücklich. Dieser Trip hat sich gelohnt. Wenigstens das Gefühl kann ich feiern - raste aus bis du nicht mehr kannst, egal was das Morgen bringt. Leider finde ich den Weg dahin nicht egal.

Freitag, 22. November 2019

Bausa Joshi Mizu Maxwell Produced By The Cratez:
Skifahren



Ich wiederhole mich: So richtig verstehe ich die Kombination von Acts nicht. Zum Beispiel diese hier. Was hat der gutsituierte Middleclass Rapper Bausa eigentlich mit Maxwell zu tun? Beide haben Hits gelandet und gehören zur deutschen HipHop-Creme. Das isses dann auch schon. Es reicht offenbar.

Ich muss natürlich auch nicht alles verstehen. Wenn alle drei gern Skifahren, dann sollen sie es halt tun. Das Musikconsumervolk hat Freude dran. Ist ja auch schön stromlinienförmig produziert. Dancehall-Beat, Marimba, Vocoder, Lyrics die den Überfluss predigen. Gehört natürlich auch in die Kategorie: Große Jungs träumen. Und deutsche Jungs träumen offenbar gern und viel - nicht nur im HipHop.

Logisch gehört auch der Rausch dazu. Der hilft die Unbill des Lebens zu vergessen. Dafür steht Skifahren: Nimm's nich so schwer, hab Spaß und genieße das, was Du kriegen kannst. Nicht fragen, ob es Sinn macht. Heute leben wir.

Passend zum 08/15-Sound-Lyrics-Gemisch das Video. 90er Style. Ätzend dämliche Grafiken. Videotext-Ästhetik (was nochmal war Videotext?) Dass sich HipHop auch hier so 1:1 zu dem bekennt was mal war ohne eigene Idee vom heute oder morgen ... schon ganz schön traurig. Da hilft es auch nicht, dass teure Designer wie J.W. Anderson diese Einfallslosigkeit adeln. Wobei der ja noch einigermaßen hinkriegt seine Inspirationen ins heute zu transportieren.



Eigentlich fällt mir zu Skifahren auch nicht viel mehr ein als Drogen zu nehmen. Oder doch: Ich zieh mir einfach den Scheiß von TJ_beastboy rein. Der hat wenigstens ne Haltung.

Freitag, 15. November 2019

Apache 207: Doch in der Nacht

Das ist schon irgendwie auch erstaunliches Marketing: Apache 207 bringt seine Platte raus ... aber erst zwei Wochen später sind wirklich alle Tracks auch als Einzelstreams/downloads usw. verfügbar. Und obwohl die Komplettsammlung nun schon drei Wochen lang ziemlich weit oben in den Charts rangiert bringt sich Doch in der Nacht als höchster Neuzugang in Stellung. Wohlgemerkt: neben drei anderen Tracks von ihm, die sich schon eine Weile ganz gut halten. Das ist bei allem DeutschRapHype schon einigermaßen ungewöhnlich.

Noch besser: Sogar der selbsternannte Boss Kollegah hat ordentlich das Nachsehen. Ist vielleicht doch nicht nur verkaufsfördernd, wenn man so gar nicht einsichtig ist, dass problematische Lyrics nicht nur was mit Kunstfreiheit zu tun haben.

Apache 207 kommt zumindest bei diesem Track komplett ohne Rüpel-Slang daher. Und deswegen ist seine Geschichte nicht weniger brutal. Zwei, die sich anziehen und abstoßen, die sich brauchen und verlassen ... ein explosives Gemisch, indem die Emotionen hoch und runter kochen. Das fängt Volkan Yaman ganz gut ein. Und schmeißt es - wie durchaus schon einszweimal - auf einen flockigen 90er Jahre Sound.

Bei andern stößt mir das durchaus problematisch auf. Warum immer dieser Rückbezug auf dieses Scheiß-Jahrzehnt, das definitiv auch nicht besser war als das jetzige oder irgendein anderes? Bei Apache finde ich: Och - irgendwie ganz cool. Obwohl es ganz schön nach Snap oder Vorort-Loveparade klingt. Vielleicht ist das der Effekt, den dieser unsägliche Black Eyed Peas Track hervorruft, der super vormacht, wie ich die 90er wirklich auf gar keinen Fall wieder erleben mag. Bei Apache klingt es trotz aller Bezüge und Reminiszenzen doch noch 2019. Vielleicht weil seine eigenwillige Art des Sprechgesangs so vor 25 Jahren einfach nicht vorhanden war?

Oder weil Apache trotz aller Allüren keine Sekunde lang ironisch rüber kommt. Das was er erzählt ist genauso gemeint. Und deshalb trotzdem nicht frei von Widersprüchen. Er schafft es, zu all dem zu stehen. Zu seinen Abfälligkeiten und Gemeinheiten, zu seinen Schwächen und Unsicherheiten. Das ist schon ziemlich groß.

Vielleicht auch, weil Miksu & Macloud es hier einfach mal wieder ordentlich drauf haben: Treibende Background-Melodie, die sofort im Kopf ist und mich nicht mehr loslassen will. Und auch wenn es ein uraltes durchsichtiges Rezept ist - die Breaks und Beateinsätze funktionieren. Immer noch. Hat offenbar mal einen guten Grund gegeben, dass dieser Sound die Massen infizierte.

Vielleicht bin ich aber einfach auch schon viel zu sehr Fan von Apache. Weil er sich von der Menge der Star-Rapper dann doch genügend abhebt, er selbst ist. Und nicht noch schneller, doofer und brutaler sein muss. Kann ich sehr gut mit leben.


Freitag, 8. November 2019

Nimo: Karma



Das Cover ist der pure Kitsch. Männerhände (von Nimo?) mit einer Rose in der Hand. Da fängt Rosamunde Pilcher sofort an zu schluchzen und das ZDF ruft an um eine Vorabendserie draus zu machen. Nimo hat's also geschafft.

Lange Jahre war er ja eher so der Klassenkasper in der Rapper-Liga. Das hat ihm immerhin eine Menge Features eingebracht. Und ganz so unerfolgreich war er auch nicht. Aber klar: Rapper, Frankfurt - da muss noch bisschen mehr geh'n als Ladies mit jungenhaftem Charme rumzukriegen. Also war es nur erwartbar, dass auch Nimo in der Liga "Böse Buben" mitspielte.

Hat er nun eigentlich erkannt, dass das alles nicht sein Ding ist und er doch eher der lieber Schwiegermama-Sohn-Ersatz ist? Wenn ich den Rhymes von Karma folge, dann ist es wohl so. Die zentrale Rolle spielen ja eindeutig die Eltern.
Krass, dass das im Jahr 2019 schon wieder so eine Rolle spielt. Da muss die second Generation sich echt noch ordentlich abnabeln. Lässt sich hervorragend philosophieren, wie gut das möglich ist. Und wie sehr das die Sprößlinge überhaupt wollen. In der Diaspora-Community ist es ja im Allgemeinen eher heimelig.

Nach wie vor: deutscher HipHop und Rap ist nichts, was eine moderne Entwicklung beschreibt. Er verweist auf eigentlich schonmal abgeschaffte Strukturen und Regeln - und kämpft sich nochmal daran ab. Zeigt natürlich auch, dass die Gesellschaft in ihrer Gesamtheit offenbar noch lange nicht so weit war, wie es die Stars der 90er und 2000er uns weis machen wollten. Und das hat nur bedingt was damit zu tun, das ein Großteil der Rapper Eltern hat, die in anderen Kulturen unterwegs sind. Gefeiert wird das Zeug vom Durchschnitts-Mainstream ... und der sitzt dann offenbar doch noch immer vor dem TV (siehe oben).

Nimo schmeißt also seine Lady raus. Nichts geht mehr. Obwohl es Liebe war. So was passiert natürlich. Und darauf lässt sich schon schön effektvoll jammern. Genau das tut Nimo. Und wie Produzent Rahim analysiert, sogar mit ganz schön aufwendig produziertem Grundbeat. Als Effekt kommt der Track besonders pop-rüber. Quasi als musikalische Entsprechung zum Inhalt. Ist so für jeden anschlussfähig, muss jeder mitsingen können. Garantierter Top-Hit: Platz 4 in der ersten Woche. Alles Berechnung.

Genauso inszeniert ist der Videoclip. Schön stilischer, farblich bis ins kleinste Detail abgestimmt und richtig schön gefilmt. Nur zwei oder dreimal krisselt es ein bisschen und wird derber.



Was mir trotzdem überhaupt nicht gefällt ist die schon wieder zur Schau gestellte Jammerigkeit. Immerhin: Nimo ist konsequent und wird ab sofort keinen Kontakt mehr haben und reißt sich seine Gefühle aus dem Herzen. Dass das weh tut ist schon klar - dann ist er aber doch nicht Kerl genug um SIE komplett aus seinem Leben zu streichen, sondern er macht noch einen Song draus. Zelebriert seine Entscheidung und den Schmerz und all die Kacke. Alles zutiefst menschlich. Alles super in Poppudding einzupacken. Immer wieder. Und erst recht passt so ein Wehklagen zu dem kleinen, albernen Jungen, den Nimo ja immer wieder ganz gerne spielt. Jetzt ist das Spielzeug kaputt und der Kleine weint.

Irgendwie ist das nicht meine Vorstellung von Unterhaltung. Sorry. Heul woanders!

Freitag, 1. November 2019

RIN & Bausa:
Keine Liebe



Kollaborationen sind ja derzeit sowas von ein Muss. Egal wer mit wem - egal wie bescheuert, absurd, sinnlos - es muss ein X zwischen zwei Namen her. Featuring war gestern. Heut ist es crossing: X.

RIN & Bausa ist dabei eine Variante, die ganz gut funktioniert. Rein von dem, was die beiden so in den letzten Jahren auf den Markt geworfen haben, ist die Idee sie gemeinsam zu verramschen nicht so abwegig. Der immer ein bisschen planlos albern wirkende Bausa, der am Ende aber ziemlich genau weiß, wie weit man gehen darf um nicht völlig lächerlich zu wirken. Luxus mag er schon. Ein bisschen wenigstens. Cool genug ist er, um das aber immer auch ins Lächerliche zu ziehen.
Dazu RIN - Markenfetischist vom Feinsten. Aber eben solche Marken, die der Gucci-Lover eher nicht kennt. Oder nicht anziehen würde. Hat auch eine gewisse Schnoddrigkeit, die er zelebriert. Was ihn gleichermaßen cool und nahbar macht.

Die beiden haben also miteinander gespielt und sich einen Hit aus dem Jahr 1999 geschnappt: Du trägst keine Liebe in dir. Damals von Echt schön gelangweilt in nachempfundener Britpop-Haltung zelebriert. Der kommerzielle Höhepunkt der Band.



Übrig geblieben ist von dem Song am Ende nicht viel mehr als eine Textzeile. Und auch die Traurigkeit von RIN ist so ziemlich ganz anders im Vergleich zu Echt. Zumal es im musikalischen wie visuellen Gegenschnitt zu Bausas Part gleich mal einen mindetens doppelten Boden mitliefert. Wer ist jetzt der Typ mit den Nike's? Und wieso jammert der auch rum? Besingt er gar sich selbst?

Erkennt man dann noch die visuelle Anspielung auf American Psycho wird's völlig verrückt. Oder extrem eiskalt. Bausa als der selbstverliebte Yuppie, der natürlich nichts von Gefühlen weiß. Sich maximal wundert oder amüsiert darüber, zu welchem Leiden Menschen fähig sind.



Ach ja, Filmzitate. Genius.com weist gleich mal drauf hin, dass auch das Cover eine Reminiszenz ist. An den Mid-90er Film Kids. Auch nicht die fröhlichste Sorte Unterhaltung.



All diese Zutaten in einem Topf - das zeugt von einer unglaublichen Freude am Rummanschen mit Versatzstücken. Am Spielen mit den konsumenten. Versucht uns doch zu entschlüsseln! Und es macht Spaß.

Schön, dass die beiden sich mal so richtig einsam gefühlt haben.

Freitag, 25. Oktober 2019

Apache 207:
Wieso tust du dir das an?

Es ist spannend zu sehen, wie sich auch die Stars im RapBusiness ganz normal die Klinke in die Hand geben und die wirklich heißen Acts irgendwann auch mal etwas weniger strahlend leuchten. War es vor gut drei Jahren die 187 Strassenbande und dann im Nachgang vor allem RAF Camora, der die Top-Position der Charts vereinnahmte, ging dieses Privileg spätestens im Frühsommer 2018 an Capital Bra über - ganz kurz unterbrochen von MERO - und nun ist es offenbar Apache 207, der auf die Nr. 1 abonniert zu sein scheint. Die anderen gibt es natürlich immer noch, auch erfolgreich und durchaus nah an der Spitze (zumindest der RAF und der Bra), und doch lässt sich eine gewisse Abkühlung feststellen. Der ganz große Hype ist vorbei. Und diese Gier, unbedingt als eine der ersten den neuen Track zu genießen, die findet mittlerweile seltener statt.

Mit dem Wechsel der Protagonisten ist auch eine Änderung im Sound zu beobachten. RAF, der nach wie vor den brutalen Straßensound mit Knarre und Kriminalität feiert, wurde enttrohnt von Bra, der immer noch ganz schön auf böser und unerzogener Junge macht, aber schon viel verpeilter umhergeister. Der kann zwar auch noch ganz schön viel Schaden anrichten und einem vielleicht sogar gefährlich werden, aber so richtig der Angstmacher ist er nicht. Eher der niedliche Verpeilte aus dem Nachbarhaus. Bra gibt den Stab nun einem, der zwar auch seine Ghetto-Wurzeln zelebriert, aber dennoch fast schon als Schwiegersohn präsentierbar ist. Und trotzdem reichlich neben der Durchschnittsnormalität agiert. Die Tendenz geht also deutlich in Richtung brav.

Wieso tust du dir das an? ist Apaches zweiter Nr.1-Hit. Produziert von Miksu & Macloud setzt der Rapper auf ein etabliertes Erfolgsduo und liefert trotzdem einen Song, der zwischen Was Du Liebe nennst und Kuschelrock entlangsegelt. Ziemlich lauschig tuckert der Beat - das könnte ganz gut auch im Mallorca-Lounge-Café laufen. Oder wenigstens auf den unerträglichen Autoradio-Servicewellen.

Trotzdem ist der Track eine ziemlich ungeschminkte Analyse eines enorm verqueren Lebens. Die Frau, die sich aus Liebe, Hoffnung oder warum auch immer nicht traut, ihr Leben in die Hand zu nehmen und einen eigenen Weg zu gehen. Einfach den Alten verlassen und sich selbst mehr wertschätzen. Das aus dem Munde eines Rappers, der Zeichen seiner Zunft eigentlich auf der anderen Seite stehen müsste. Nicht der schlechteste Move.

Apache 207 zeigt, dass man trotz nicht ganz so einfacher sozialer Verhältnisse kein Arschloch werden muss. Er hat erkannt, dass es auch ohne Geld und Blingbling darum gehen kann, andere Menschen mit Respekt zu behandeln. Da hat er vielen seiner Kollegen nicht nur das Abitur voraus. Bei ihm heißt es weniger: Meine Knarre ist dicker als deine und deshalb bin ich KingBossGott. Er sagt: Scheiße, kannst du nicht erkennen, dass ich ein Arschloch bin? Gewöhn dir endlich mal bisschen Selbstachtung an!
Und das ist richtig fortschrittlich. Nicht nur im Pop-Business.



Das Video: Nun ja. Die Apache-Gang in ihrer Coolness den Goldweinenden schönen Frauen gegenüber zu stellen - das find ich hat schon was. Das tanzende Paar ist mir dann aber doch zu sehr Camilla Cabello. Und warum es so ein Barocktheater al Location sein muss? Das biedere Leben als offensichtliche Inszenierung? Nicht mal schön - einfach nur einengend? Nun ja.

Da gefällt mir die Theaterbühne als Schauplatz wesentlich besser. Apache als das Bühnenschwein - angehimmelt und vergöttert. Das hat in dem seltsamen Setting tatsächlich was Ironisches. Zumal in Kombination mit dem Text.

Freitag, 18. Oktober 2019

RAF CAMORA Feat. Ghetto Phénomène:
Puta Madre



In Marseille stehen die Massen auf der Straße: schwarz gekleidet, männlich, testosteronstrotzend und grimmig und mit Leuchtraketen. Das ist die Welt von RAF CAMORA. Fußballstadion-Romantik, die das Recht des Stärkeren feiert. Oder auch der Masse. Hier geht's nicht um Individualität. Hier geht es um Gleichförmigkeit. "Komm mit Armee" - alle hören aufs Kommando. Gleichschaltung total. Gehirn aus.

Und einmal mehr frage ich mich: Warum gefällt den Massen dieser brutale Darwin-Hitler-Scheiß: nur der Härteste setzt sich durch und darf sich fortpflanzen? Sind die heutigen Musikkonsumenten so unfähig, unten, vergessen, Looser, dass sie sich wünschten, es wäre anders? Sie gehörten zur herrschenden Klasse?
Und auch das: Können alle nur noch feiern, wenn es anderen gleichzeitig dreckig geht? Glück ist nur, wenn sich andere dafür die Knochen gebrochen haben? Mit mir selbst hat das nichts zu tun - einfach nur hacken nach unten bis das Blut spritzt.

Wie Scheiße ist das alles eigentlich?

Und ich merke, wie ich mehr und mehr allergisch werde auf diese ganze dümmlich nachgeplapperte Ideologie von Herrscherrasse und Alphatieren. Ich sehe die ausgelassen feiernden Hools und denk mir: Schön, habt Ihr in eurem Ghetto viel Spaß. Wie lange eigentlich noch? Wenn die letzten Wesen niedriger Art zertreten sind, wohin geht ihr dann mit eurer miesen Laune? Selbstzerfleischung, so wie es die Mehrheit der Herren-Ideologie-Vereine immer wieder und wieder zelebrieren?

Da nutzt dann auch kein debil-infantiles Ausrasten mehr. Dann ist die Party einfach aus. Bis dahin: Feiert, was das Zeug hält. Der nächste Scheißtag ist schon fast da.



Natürlich krieg ich mich auch wieder ganz schnell ein mit meinem Gezeter. Erreicht ja niemanden. Denn es gehört zum guten Ton im Rap-Biz, dass man ordentlich posiert. Und möglichst noch krasser drauf ist. Alles Show - alles Blingbling. Unerreichbar für jede Art von Kritik.

Also Kopf aus und einfach den Sound richtig laut zulassen.

Funktioniert. Denn natürlich hat sich RAF bei Puta Madre wieder einen schönen Pop-Hookline-Beat drunter bauen lassen. Das erinnert so ein bisschen an 90er Jahre Nach-Techno-Hits im Mainstream. Die wollte keiner hören - abgefeiert wurden sie von den armen Würstchen dieser Welt trotzdem. RAF sortiert sich in diese Reihe schön ein - unvorstellbar erfolgreich - in spätestens fünf Jahren vergessen - und auf Oldie-Discos in 20 Jahren selbst dem DJ peinlich.

Aber nochmal: es ist nicht nötig, dass jeder Track für die Ewigkeit ist. Reicht, wenn es im Jetzt funktioniert. Und das tut es. Vor allem, weil kein Mensch den Text wirklich versteht - so lässt sich also ziemlich gut auf dem Dr. Alban-Sound abfeiern. In Endlos-Wiederholung. Und sogar abseits jener Mackerwelt, in die sich Raf Camora hineinkatapultiert hat. Könnte sein, dass Puta Madre dann doch auf irgendwelchen PlayLists "Das beste aus den 2010ern" drauf ist. Gratulation!



Freitag, 11. Oktober 2019

Samra Capital Bra:
Berlin lebt wie nie zuvor

Deutschland erstarrt aufgrund eines Terroranschlags und Capital Bra x Samra liefern den Soundtrack dazu: Laut, dunkel, aggressiv. Pechschwarze Herzen, "ich geh über Leichen", der Cop am Boden, "zwei Schüsse fall'n, durch die Decke kommen rote tropfen", "Ich schieße in dein Kopf durch die Gardine" ... das sind so die Versatzstücke, die auch mitgeteilt werden.

Wird ja grad viel darüber diskutiert, wie online-Games Menschen unmerklich beeinflussen. Horst Seehofer stellt mal gleich die komplette Gamer-Szene unter Verdacht und will sie beobachten lassen. Sind die Pop-Rapper dann die nächsten?

Tatsächlich sind die Gewalt-Exzesse oder besser deren Andeutungen, reichlich unnötig. Warum nochmal ist es Bra wichtig so ungemein gewalttätig rüberzukommen? So erbarmungslos? Macht das einen Popstar cool? Gibt es nichts anderes, womit er punkten kann? Ist er nur was mit Knarre?

Es ist vergebens mit Bra darüber ins Gespräch kommen zu wollen. Gangster-Rap funktioniert nunmal so. Und als Junge aus dem Ghetto muss man diese Sprache sprechen. Muss man Stereotype weitergeben. Denn die potenziellen Fans sind ja genauso drauf und verstehen keine andere Sprache .... ähm, wer waren nochmal die 14- bis 25-jährigen, die auf der Tour von Bra ausrasten? Wurden die nicht alle von papa draußen abgeholt?

Bra bedient also die Träume der bürgerlichen Biederkeit-Jugend. Was sie zu Hause und in der Schule nicht dürfen, nicht können, das spielt er ihnen vor. Stellvertretend lebt er den Traum vom regellosen Sein, vom Recht des Stärkeren, von der ungebändigten Diktatur der Gewalt.

Erzählt schon eine Menge, wenn junge Menschen auf so etwas abfahren. Auch wenn es ironisch ist, nicht ernst gemeint, mit Abstand, als Pseudo-Erleben ... Wenns dann auch noch so hochglanztechnisch inszeniert ist wie bei Berlin lebt wie nie zuvor, da kann man schonmal Lust haben irgendeinem den Kopf wegzuknallen...



Freitag, 4. Oktober 2019

Apache 207: 200 km/h

Die Songs von Apache, die nicht auf der 1 landen, sind einfach besser. Siehe 200 km/h.
Wahrscheinlich, weil das alles gar kein richtiger Rap mehr ist, sondern mindestens Pop. Mit ein bisschen HipHop-Beat drunter.

So ist auch 200 km/h schön eingängig. Kann man schnell mitsingen. - Und erzählt doch die Geschichten, die sich Rap-Helden so erzählen. Ein bisschen anders allerdings. Nicht ganz so protzig. Obwohl es auch hier darum geht, was man sich jetzt alles so leisten kann.

Gebrochen wird das Ganze von einer gewissen Ungläubigkeit. Der Typ mit der schrägen Vergangenheit, der nicht nur Positives auf seinem Konto hat, soll jetzt plötzlich cool sein? UNd den Durchblick hat er auch nicht richtig? Woran liegt's?

Die Antwort bei Apache: Ich lebe im Jetzt, genieße das Leben, und schaue immer durch die Rosa Brille. Übersetzt: wenn es Dir selbst gut geht, dann finden auch die andern dich schwer in Ordnung.

Geht natürlich nicht immer auf. So mancher der großen Rapper liebt sich ein bisschen zu sehr - und dann hängen eben auch nur die mit einem rum, die auf oberflächliches Blingbling stehen. Apache macht das schon ein bisschen anders. Sein Hotel ist nicht das 5-Sterne-Luxusding. Das ist die Absteige in Ludwigshafen. Seine Klamotten sind ausgewählt - aber eben nicht nur mit Logos übersät. Und eigentlich auch ganz schön hässlich. Da er es aber mit absoluter Überzeugung trägt, finde ich den 80er Jahre Look plötzlich doch wieder machbar.

Und tatsächlich ist das Unperfekte das wirklich Reizvolle. Der Gesang ist ja besonders in den hohen Lagen nicht unbedingt das, was Gesangslehrer oder Popstar-Juroren jetzt klasse finden würden. Dafür ist da jede Menge Inbrunst drin. Danke dafür!


Freitag, 27. September 2019

Capital Bra X Samra Feat. Lea:
110



Auweia - Lea und Capital Bra. Das verspricht schlimm zu werden. Für den schmerzlosen Bra, der sowieso alles immer mitmacht, Hauptsache die Kohle stimmt, ist das nix Neues. Und für die Sängerin aus Kassel?

Vor zwei Jahren ging es los mit dem richtig kommerziellen Erfolg. Der Gestört aber Geil-Remix einer ihrer Songs tobte durch die Sommerhitlisten und half ihr Leiser zum mittleren Hit zu machen. Auf einem flockigen Dance-Sound verabschiedet sie sich von ihrem zu egozentrischen Freund. So befreiend kann eine Trennung also auch sein.

So fröhlich war Lea aber eher seltener. Meist beschäftigt sich die 27-Jährige mit den Kompliziertheiten von Beziehungen. Vorbei der jugendliche Leichtsinn. Je näher die 30 rückt, umso panischer wird sie. Wie soll das nur gehen mit dem Lebensplan? Muss doch irgendwie funktionieren. Warum nur sind Menschen so verschieden?

Dagegen lehnt sie sich auf. Steht da mit ihren Gefühlen und Gedanken, die sie zurecht sehr ernst nimmt. Und landet doch immer wieder bei vielen Fragen, statt bei Antworten.

So ist es auch bei 110. Und sie schafft es, die Fragen wirklich so zu stellen, dass ich denke: Hey, das müsste doch ganz einfach sein. Das muss doch gehen!

Und dann kommen die Macker. Klar, dass es mit solch selbstverliebten Hengsten nicht so einfach ist. Ich will zwar was von dir, aber mich ändern - geht nicht. Oder auch: Ich finde keine Worte um meine Gefühle auszudrücken. Und deshalb besaufe ich mich lieber. Hmmmm... immer noch nix gelernt. Rollenklischees erfüllen, weil es einem niemand anders gezeigt hat. - Über den eigenen Schatten springen - funktioniert nicht.

So ist 110 ein gnadenloses Abbild der Unfähigkeit miteinander klar zu kommen. Sich nicht gegenseitig zu verletzen. Und irgendwie ist es auch die Erklärung dafür, dass der deutsche HipHop so oft zum Jammerlappen-Gewäsch wird. Selbstmitleid steht hoch im Kurs. Selbst eine andere Richtung zu wählen, fällt den wenigsten ein.

Dabei könnte es auch ganz anders laufen. Juju & Henning May haben es im Frühjahr vorgemacht. Nicht, dass die beiden glücklicher wären. Sie sind lediglich in einer Phase, in der sie bereits agiert haben. Und das ist vielleicht der Unterschied. Lea, Capital & Samra rechtfertigen sich die ganze Zeit und scheinen unfähig irgendwas zu tun. Juju & Henning May gehen dagegen mit den Konsequenzen ihres Handelns um. Wahrscheinlich sind die beiden letzteren genau deshalb das schönere Traumpaar des Raop.


Freitag, 20. September 2019

Tones And I: Dance Monkey



Es ist gut ein Jahr her, dass zum letzten Mal eine Dance-Nummer auf Platz 1 der deutschen Charts stand. Im späten Oktober 2018 erreichte Dynoro zum insgesamt vierten Mal den Top Spot und machte In My Mind zum erfolgreichsten Track des Jahres.

Im beginnenden Herbst 2019 ist es Tones And I. Wobei wir uns schon über die Klassifizierung hübsch streiten können. Der Track heißt zwar Dance Monkey und ja, er animiert in gewisser Weise auch zum Tanzen. So ein wirklicher Track aus den Clubs ist es am Ende aber nicht - insgesamt zu akustisch ... gut, zum Refrain hin gibt es ein paar elektronische Sequenzen. Insgesamt platziert sich der Song dann aber doch eher in Gefilde, in denen sich auch Feel It Still vor zwei Jahren rumtrieb: Tanzbarer Indie-Pop. Mal so ganz schwungvoll ausgeholt.

Diese Zuordnung kommt nicht von Ungefähr. Tones And I ist eine Sängerin, die sich laut wikipedia eher als Straßenmusikerin versteht. Das muss nicht immer Ethno-Folk oder Hippie-Gedudel sein, auch nicht Hammond-Gewimmer - das kann im besten Fall ziemlich zeitgemäßer Sound sein. Tones And I macht es vor.

Als Singer-Songwriterin hat die Künstlerin dem Song Dance Monkey dann aber doch eine eher dünne Story beschert. Immerhin, hier gehts um die Lust und Freude, der Geliebten beim Tanzen zuzuschauen oder eben auch für sie zu tanzen. Das kann schon atemberaubend oder lebenserhaltend sein. Durchdrehen bei jedem Move, den der Geliebte macht - das ist Verlangen pur. Da braucht es nicht vioele Worte. Erst recht nicht im Jahr 2019.

Um das beschriebene Verlangen im Gesang auch zu entdecken brauche ich eine ganze Weile. Zuerst löscht mich die Stimmlage doch ordentlich ab: Kindergesang? Autotune? Schlumpfenlied? - Das mag der 19-jährigen ungerecht tun. Dennoch bewegt sie sich nicht im luftleeren Raum und hat ziemlich Pech, dass auf im Popbusiness mit quäkenden Stimmen schon reichlich Schindluder betrieben wurde. Als rein akustische Erfahrung auf Spotify & Co. höre ich irgendwann dann doch stimmliche Qualitäten. Das, was mich dannallerdings jedes Mal wieder komplett erdet ist der dazugehörige Videoclip.



Da stimmt ja leider gar nichts dran. OK - es ist ehrenwert älteren und alten Menschen zuzugestehen, dass sie auch Spaß haben dürfen, ausrasten, tanzen. Aber warum muss diese Lust dann so albern rüberkommen? Die tanzenden Alten kann ich in keiner Minute ernst nehmen - das sind groteske Schaubilder. Die Botschaft rauscht durch den Gulli des Bloß-nichts-ernst-Meinens. Irgendwie auch schade.

Wäre natürlich zu viel verlangt, an der Entwicklung einer Idee zum Pop-Clip auch Ältere zu beteiligen. Wie sieht ihr Rausch aus? Ihre Lust? Das hätte zu dem vorliegenden Sound vielleicht sogar richtig gut gepasst. Und wäre ungewöhnlich gewesen.

Einfacher war es hier ein von jungen Menschen ausgedachtes Zerrbild zu inszenieren. Logisch: die Zielgruppe sind am Ende auch nicht die 70- oder 80-Jährigen. Lachen sollen die Teenies. Und das tun sie vermutlich. Unbeschwert sogar. Immerhin macht der eine oder andere Opa den ganzen Quatsch sogar mit.

Belassen wir den Song also bei dem, was er sein will: unbeschwerter Tagessound. Für ein paar nette Momente. Mit bloß nicht zu vielen Hintergedanken. Dance-Music irgendwie.




Freitag, 13. September 2019

Loredana Feat. Mero: Kein Plan



Miksu & Macloud haben wieder einen schönen Beat gebastelt, ein paar hübsche Geräusche hinzugefügt - der Sound geht gut nach vorn. Was macht Loredana damit? - Nicht allzu viel. Liegt vielleicht auch daran, dass sie wirklich recht hat, wenn sie singt "Ich hab' kein Plan."

Das kann man ihr eigentlich wirklich glauben. Sie hat keine Ahnung, wie das alles so kommt mit ihrem Erfolg und dem vielen Ruhm. Deshalb passiert es auch immer wieder mal, dass sie tüchtig daneben greift, am Finanzcrash vorbeischliddert, den Wald vor Bäumen nicht sieht. Das macht ihr nicht viel aus. Das findet sie eher lustig. Davon erzählt Kein Plan.

Und irgendwie ist das ja auch schön, dass man so unbedarft zum Star werden kann, sich verwirklichen kann ... Da haben sich die Versprechungen des Internets nun also doch bewahrheitet. Wer hätte das gedacht.

Das Schlimme an Loredana ist, dass sie so wirklich gar nichts checkt. Chice Klamotten anziehen, das kann sie. Ein debiles Porno-Gesicht machen, das tut sie ohne mit der Wimper zu zucken. Nur das, was sie so von sich gibt ist gequirlter Unsinn: "Ich hab's verdient - auch wenn ich gar nicht weiß warum." Kann man ja mal so von sich geben. Passt auch gut in die aktuelle Zeit, einfach irgendwas Paradoxes behaupten und dabei bleiben. Fertig.

Loredana verkörpert sehr schön den aktuellen Zustand gesellschaftlichen Austauschs: Auf die Kacke hauen bis es spritzt und dran drüber lachen, wenn Leute Flecken auf ihrer Jacke entdecken. Das Ganze ist nie ernst gemeint, alles nur Spiel. So inszeniert sie sich dann auch zusammen mit Mero. Die beiden klatschen und spielen sich durch ihr Video. Hübsch ist das anzusehen. Und reichlich belanglos.


Freitag, 6. September 2019

Apache 207: Roller

Und jetzt hat er es doch noch geschafft: Apache 207 landet auf der Nr.1 der deutschen Songcharts. So schnell geht das also. Erste Veröffentlichungen im Sommer 2018, erster Chartkontakt im April und im September Nummer 1. Ja klar, geht alles auch schneller, siehe Mero. Beeindruckt mich trotzdem, wenn so ein Anti-Teenie-Star mit eher abwegiger Inszenierung sich so schnell beliebt macht.

Denn irgendwas Besonderes hat Apache. Sei es dieses fürchterliche und völlig übertriebene Früh-90er-Jahre-Outfit. Seien es die musikalischen Anleihen beim 80er Synthpop oder 90er Eurodance - seine besten Tracks heben sich angenehm ab vom üblichen DeutschRap-Mainstream.

Das trifft auf Roller zwar nur bedingt zu - irgendwie klingt der Track schon ordentlich nach der KMN Gang. Oder einem anderen beliebigen Hit-Rap-Fabrikanten-Team. Da sehen ich mich wirklich zurück an Nicht wie du. Aber schauen wir uns Roller mal genauer an.



Wunderbar, weil eher die Ausnahme bleibt die Verweigerung des Luxus-BlingBlings. Stylish ist es trotzdem, nur eben sehr eigenwillig. Das muss man erstmal schaffen in solchen Klamotten cool auszusehen. All die übriggebliebenen Opas, die auf Dauerjugendlich machen, haben das Zeug ja immer noch im Schrank hängen. Apache dagegen entdeckt es neu, übertreibt, kombiniert Neues dazwischen ... und lebt damit auf einem komplett anderen Planeten als beispielsweise der überpräsente Bra.

Dem äußeren Bild fügt Apache einen entsprechenden Text hinzu "Ich trag' Gucci-Sandalen nur aus Trotz ... Scheiß auf Kawasaki ..."
Muss man nicht gleich Konsumverweigerung nennen, aber vielleicht Bodenständigkeit. Apache weiß, dass 10 PS schon völlig glücklich machen können. Messerstechereien und kriminelles Leben - laangweilig. Lieber 'n paar Runden drehn mit dem Roller.

Das sieht irgendwie auch ganz schön provinziell aus, und ist genau genommen wirklich die komplette Anti-Haltung zum Leben in der immer maßloser werdenden globalen Großstadt. Nur eben, dass es auf die ansonsten immer hübsch mitschwingende Biederkeit verzichtet. Deshalb mag ich Apache 207. Er macht schlichtweg sein eigenes Ding, lässt sich nicht vorschreiben was gerade ON ist und was OFF. Und kann mit seiner Haltung wirklich überzeugen. Früher haben wir dazu Authentizität gesagt. Bis der Begriff zum Schimpfwort wurde. Weiß nicht, ob wir für Apache eine Wiederbelebung versuchen sollten.

Freitag, 30. August 2019

Capital Bra X Samra:
Nummer 1



Ein Track mehr, der bebildert, wie wenig es braucht um erfolgreich zu sein. Capital bra und Samra schicken das chillig-softe Nummer 1 ins Rennen. Das ist so relaxed, dass ich fast gar nicht schnalle wie mir hier ein neu angestrichenes Rolex untergejubelt wird. Mindestens 50% der Marken und der Melodie-Fetzen habe ich mir im Frühjahr schon genauso reingezogen.

Nun muss ich natürlich zugeben, dass es der heutigen Popkultur niemals um wirkliche Innovation und Erneuerung geht. In Zeiten der beständigen Verfügbarkeit und nahezu verlustfreien Kopie ist Pop ein einziges sich drehendes Rad, das aus Wiederholungen und Aufgüssen besteht. Capital und Samra haben das ganz gut verinnerlicht. Kapitalismus lebt vor allem davon, altes in neue Verpackungen zu stecken und wieder auf den Markt zu schmeißen.

Und das Publikum ist ziemlich froh, sich einlullen zu lassen. Hat auch was mit Geschichtsvergessenheit zu tun. Was interessiert uns das Gerede von gestern - und warum soll man nicht Gutes einfach auch wiederholen? Immer und immer wieder.

Die Stimmung hat sich im letzten halben Jahr kaum verändert - wir lieben es immer ncoh, wenn wir uns per Gucci, Burberry und Nike selbst versichern. Ist auch hübsch, dass in dem Track vor allem betont wird, dass man das Gucci-Kleid liebt, nicht den Menschen, der es trägt.

Hier geht es also einmal mehr um Oberfläche und Lack. Oder eigentlich noch weniger: es geht um Namen. Leere Hüllen. Nichts.

So sieht dann auch der Videoclip aus. Capital darf mit überdrehtem Girlie im etwas altmodischen aber teuren Hotelzimmer auf eer Matratze rumspringen. Samra gesellt sich dazu und beide posen im Treppenhaus. Das Ganze geschieht vor allem, um die angesagtesten Outfits zu präsentieren.



Mit dem Einstieg direkt an der Spitze der Charts hat Nummer 1 seine Schuldigkeit getan. Wir können uns auf die nächste Woche freuen.

Die eigentliche Sensation dieser Woche, Apache 207 auf Position 2 können wir vielleicht ein andermal genauer betrachten.

Freitag, 23. August 2019

Luciano: Yeah



Im deutschen HipHopBiz hat fast jeder kommerziell Erfolgreiche seine eigene Nische belegt. Es gibt den mit viel Style, den Zugedröhnten, den Albern, den Proll, die Kleinkriminellen, den ganz Bösen, den Intellektuellen, den Mädchenschwarm, den ganz Dunklen, den Fitnessfreak, den Wütenden, den sich Ereifernden, die Zicke ... und was ist eigentlich Luciano? Wofür steht der?

Seit zwei Jahren trollt er sich durch die deutschen Kommerzcharts, seit gut einem Jahr mit Vorliebe in den Top 10 - aber warum eigentlich? Was ist das Besondere, das Eigene?

Ich schaue mir Yeah an und gähne. Ist Luciano einer, der besonders belanglos sein will? Seine Inszenierung: Sonnenbrille und dadrunter ganz böse gucken. Kopf nicken - Woddi verschütten - vor starken Maschinen posen ... Fast & Furious lässt grüßen. Der Sound: ähm - erinnert mich das jetzt wirklich an 50 Cent? 15 Jahre alt? Luciano der Zurückgebliebene? Oder ist es eine Hommage: Damals, da gab es noch gute Mucke und Möglichkeiten...
Die Lyrics: Aneinanderreihung von seinen Lieblingstätigkeiten, -marken, -fantasien - schön sinnfrei. Schöner Dada. Hatten wir auch schon. Reichlich.

Und dann gibt es da diese Szenen: Luciano im historischen Kabinett eines Prunkbaus von vor über 200 Jahren. Warum denn das? Da steh ich ja schon in normal nicht drauf. Der Motten-Prunk aus blaublütigen Zeiten ist jetzt real eine Kulisse, in der man sich ablichten lässt. Wahrscheinlich zu viele Musketier-Verfilmungen im öffentlich-rechtlichen gesehen. Das muss wirklich eine schlimme Kindheit gewesen sein.

Damit nicht genug: Im leeren Kabinett ist auch immer wieder ein glänzender schwarzer Flügel zu sehen. Ganz pathetisch steht er da. Warum eigentlich? Insignie von viel Kohle? - Wenn er die ganze Bude wenigstens anzünden würde... Nach dem Motto, Scheiß auf euren alten Prunk, ich lebe heute wie ich will, mit eigenem Luxus! Nee - so isser nich der Luciano, der lässt sich lieber umgarnen von Dingen, die nur richtig schlimm konservative Menschen noch als Lebensstil empfinden. Irgendwas ist da grundsätzlich schief gegangen.



Musik und Stil geben also nicht so viel her. Schaun wir mal in seine Biographie. Aha ... der gute ist gar nicht so bunt und wild wie er sich gibt. Künstlername mit Flair einer fernen Welt. Wer will schon Patrick Großmann auf seinem Album drauf stehen haben. - Dabei wäre das mal noch ne Haltung gewesen. Und unter dem Label hätte sogar Yeah nochmal eine ganz andere Aussagekraft: Der Junge aus der Provinz. Wenn mans genau nimmt, sogar aus der ostdeutschen Provinz. Der Held, der das wirkliche Leben repräsentiert - nicht so globalspaßig verramscht wie bei der KMN Gang. Damit ließe sich doch was anfangen. So viel Schneid hat Luciano dann aber doch nicht. Wahrscheinlich ist auch genau deshalb seine Musik genauso schneidlos.

Freitag, 16. August 2019

DJ Snake J. Balvin Tyga:
Loco Contigo



Seit zweidrei Monaten ist der Videoclip zu Loco Contigo ungefähr das angefahrenste, was im Netz zu finden ist. Tanzende Fusselmonster in der Wüste und ein fiktiv-phantastisches Stadttor, eine Arena mit Gestalten zwischen Tradition und exaltiertem Karneval, dazwischen J. Balvin und DJ Snake die in einem rosa(!) Schlitten und den bis dahin farbig coolsten Klamotten der Saison an Riesenschneckenherden und Konfettikanonen vorbei fahren. Klar, dass sich die Wüste dann zu einem Meeresstrand wandelt.



Wer will kann diese 3 min als wunderbares Beispiel für Magischen Realismus betrachten. Und so ganz aus dem Nichts, kommt dieses Feuerwerk an Surrealem nicht. Im Frühjahr haben Madonna und Maluma schonmal einen vorsichtigen Blick in diese Welt gewagt. Colin Tilley geht bei Loco Contigo allerdings noch ein ganzes Stück weiter. Und das sehr konsequent.

Der Clip ist vor allem deshalb so faszinierend, weil es auch beim zehnten Mal noch was zu entdecken gibt. Und tatsächlich finde ich mich wieder, wie ich Lust habe, diesen Stil- und Ausstattungsfasching mitzumachen. Aber ach, wir leben in Mitteleuropa. Schlimmer noch: In Deutschland.

Geht so was nur in den sonnenverwöhnten Regionen dieser Welt? - Dann könnte sich mit fortschreitender Klimaerwärmung ja auch hierzulande einiges ändern. Ich vermute aber mal, dass es nicht einfach nur mehr Sonnenschein und höhere Temperaturen sind, die Farbenfreude zu gesellschaftlicher Akzeptanz verhelfen.

Und schon bin ich versucht zu behaupten, dass es den Südamerikanischen Macho-Männern offenbar kein bisschen was ausmacht, sich zu schmücken und outfittechnisch kaum Grenzen zu akzeptieren. Schaut euch nur den Clip zu China an: Musikalisch unterirdisch - leider auch viel zu viel gezeigter Marken-Blingbling, aber in Sachen Auffälligkeit schlagen die Kerle die Frauen um Längen.



Warum trauen sich deutsche Rapper das nicht? Ja, da darf es auch exaltiert sein, auch mal Pelz - aber insgesamt bleibt es immer schön im biederen Kanon von gediegenem Design. Hauptsache das Logo ist gut erkennbar. - RIN vielleicht mal ausgenommen. Manchmal zumindest.

Ob Loco Contigo nun wegen des Videoclips zum Erfolg geworden ist, wage ich zu bezweifeln. Vielleicht werden die Bilder auch nur als Spinnerei oder nebensächlich abgetan. Kann sein. Schön ist es in jedem Fall, dass neben dem ganzen Luxus- und Gangster-Einheitsbrei auch so etwas mal stattfindet.

Das wirklich Schöne an Loco Contigo ist, dass die außergewöhnliche Bildsprache einem Sound hinzugefügt wurde, der zumindest ein klein wenig Abseits der Radiostationen-Raggaton-Hits liegt. Der Beat nahezu allein, die Instrumentierung sparsam, das gesungene Hookline-Sample schraubt sich mit jeder Wiederholung mehr ins Ohr - ansonsten vor allem Konzentration auf die Rhymes. Mutig. Einmal mehr beweist DJ Snake, dass es sich lohnt, ausgetretene Pfade zu verlassen und ein bisschen abseits zu grasen.

Freitag, 9. August 2019

Loredana Ft. Mozzik:
Eiskalt



Das kosovarische Traumpaar Loredana & Mozzik ist wieder da! Stylish wie eh und je. Aber auch ein bisschen glücklos. Denn Eiskalt schafft es schon wieder nur bis zu Platz 2. Und in ihrer Wahlheimat Schweiz sogar nur bis Platz 7. Ach Mensch, das ist schon nicht so einfach als Superstar-Influencerin. Da muss man sich doch eine ganze Menge Kritik anhören.

Dazu dann auch noch der Gossip über gesperrte Konten ... Klar muss man als Pop-Starlet dagegen halten. So kann man Eiskalt verstehen: Ich hab Erfolg, ich mache Kohle, ich kann mir leisten, was ich will - was interessiert mich euer Gerede?

Und weiter geht's mit trendy Outfits und frechen Sprüchen. Gibt genug Fans, die sich von nichts etwas vormachen lassen. Große Fresse reicht für viele schon um cool zu sein. Ist ja auch beneidenswert, wenn sich Menschen ungestraft trauen können, rauzurotzen was sie denken. Im Alltag der Millionen Looser funktioniert das nie so. Da hat ein falsches Wort dann meist doch irgendwelche Konsequenzen. Mist!

Loredana als Geld- und Trendmaschine, das sieht schon reichlich sorglos aus. Nicht umsonst veröffentlicht sie Vlogs unter dem Titel "Wie teuer ist dein Outfit?" Muss nicht mal gut aussehen, muss einfach unerschwinglich sein.

Schade ist, dass diese Influencerin wirklich Musik veröffentlicht. Also ihr Mann, der Mozzik, der kann das schon ganz gut. Zumindest wenn er in seiner Muttersprache rapt. Aber die Proll-Göre aus Luzern? Kantig, abgehackt, ok - wenigstens schnoddrig. Aber wie ungewöhnlich ist das eigentlich noch?

Vielleicht guck ich mir den Videoclip lieber ohne Ton an. Da hab ich wenigstens gut ausgeleuchtete Aufnahmen. ... Aber oh je, was ist denn das? Kellogs-Froot Loops essen, ist jetzt in? Zuckerwatte und Teddy auf dem Spielzeugauto? - Leiderleider, Loredana will offenbar Kinder mit ihrem Sound erreichen. Dankbare Zielgruppe. Und für Menschen, deren Leben nicht nur aus konsequenzlosem Gebrabbel bestehen total unrelevant.




Freitag, 2. August 2019

UFO III IIIIII I Feat. Raf Camora:
Nummer



Und nochmal Raf Camora. Jetzt aber wieder in voller Größe und Arroganz. Weltschmerz war gestern. Heute fühlt sich der Macho wieder gut. Und zeigt uns an der Seite von UFO, wie echte Kerle aus dem Biz ihre Frauen anmachen.

Da ist zuerst mal das Problem mit den Brüdas. Wenn man alles im Team macht, dann bleibt nicht viel Zeit für Kennenlernen und lange Balzrituale. Da muss es halt schnell zur Sache gehen. Nummer her - und ab in die Kiste.

So weit, so aufrichtig. Was soll auch der ganze Schmus drumrum, wo es doch eh nur um das eine geht?
Ufo bringts auf den Punkt: "du weißt, ich will deine Vagina"
Kann man eine Frau noch direkter zum Beischlaf einladen?

Problematisch bleibt, dass im Jahr 2019 eine Menge an Porn virtuell passiert. Da müssen die beiden Helden echt nochmal ganz konkret auf den Punkt kommen: "Kein Snap, kein Chat, ... Will ein Date mir dir, nicht mit deinem Computer, Schick mir keine Pics von deinem Arsch, er fühlt sich gut an"
Druck ablassen auf Videos und Pics ist nicht so das Ding der beiden. Kann man sogar verstehen.
Passend dazu haben sie ihr Video auch ganz ungeschminkt und bodenständig inszeniert. UFO streckt total selbstbewusst seine Wampe in die Kamera ... das ist alles andere als Fitnessstudio-Insta-Style. Oben drauf gibt es reichlich blöde Verzerrungs-Effekte. War in den 90ern auch schonmal ordentlich in und hat eher was mit drogenvernebelter Wahrnehmung als perfekter Social-Media-Inszenierung zu tun.



Offen bleibt noch ein bisschen die Frage, was diesen Track so erfolgreich macht. Klar, sowohl UFO als auch Raf gehören zu den Leuten, die gerade machen können was sie wollen - die Massen stürzen sich drauf und lassen es in Dauerschleife laufen.

Punkt 2: die Schwierigkeit zum analogen Sex zu kommen scheinen aktuell wirklich groß zu sein. Die beiden sprechen ohne Hehl aus, was eine ganze Generation sich nicht zu formulieren traut: Lass uns einfach Kinder zeugen ... keine umständlichen Beziehungsgeschichten mehr ...

Und drittens ist Nummer musikalisch allermittelmäßigster Pop-Scheiß. Pietro Lombardi oder Kay One hätten es nicht besser hingekriegt. Höchstens geleckter.


Freitag, 26. Juli 2019

KC Rebell & Raf Camora:
Neptun



Blau schimmert er vom Cover, der Eisplanet Neptun. Von der Erde aus ist er mit bloßem Auge nicht zu sehen. Neptun ist also so etwas wie ein nicht vorhandener Ort. Synonym für Weite und Unendlichkeit. Zumindest wenn man sich ein bisschen für Astronomie interessiert.

Dann weiß man auch, dass Neptun außerordentlich kalt ist. Und da kommt vermutlich der Link her, warum KC Rebell & Raf Camora den Videoclip zu ihrem Track Neptun auf Island haben drehen lassen. Da ist es auch schön kalt. Und Regisseur Shaho Cassado darf sich ausnahmsweise mal an Naturbildern versuchen, statt an urbanem Großstadtjungle. Heraus kommt ein Clip nah am Reader's Digest-Stil. Unterlegt mit fast melancholischem Sound. Und unweigerlich denke ich an den Track der letzten Woche. Da waren KC Rebell und Raf Camora dann doch einen Tick zu langsam. Wahrscheinlich reicht es deshalb auch nur bis zu Platz 2.



Zudem erinnert die Hook ''Trink bis mein Herz nicht mehr weh tut'' sehr an das Thema von Tilidin. Die deutschsprachige Rap-Gilde leidet offenbar flächendeckend an Seelenschmerz. Die isländische Vulkanlandschaft steht als Sinnbild dafür: wunderschön, schwer zu erreichen und unglaublich rauh bis lebensfeindlich. Kein Ort für ein wirklich entspanntes Leben.

Ironischerweise ist diese Lebensleere wesentlich verursacht von dem Lebensstil, der doch so verheißungsvoll schien. Den die Recken so angehimmelt haben. Nun landen die Helden langsam auf den Boden der kapitalistischen Tatsachen: Geld macht nicht glücklich. Auch wenn es so viele schöne Dinge möglich macht. Kohle und Luxus verändern die Welt dafür auf ganz andere Art: Freunde sind nicht mehr gleich Freunde. Jeden Tag Party ist auch nur langweiliger Alltag. Wie kommt man aus diesem Teufelskreis eigentlich raus?

Für KC Rebell ist die Lösung: "Droppe noch zwei Alben und dann Kamikaze und feier' bis zum Tag, an dem ich nicht mehr da bin"
In den 1980ern hatten die Nach-Punks einen ähnlichen Slogan: "Verschwende Deine Jugend" - Ist vielleicht keine Lösung aber durchaus konsequent.

Raf Camora geht ein bisschen einen anderen Weg. Er hat bereits angekündigt, dass er sich aus dem Scheinwerferlicht des Pop-Raps zurückziehen will. Als Superproduzent im Hintergrund agieren und so ganz andere Freiheiten haben um das gute Leben zu genießen. Ist also auch möglich. Und endet hoffentlich nicht im spießigen Vorort irgendeiner Großstadt so wie bei anderen Rappern.


Freitag, 19. Juli 2019

Samra x Capital Bra:
Zombie



Ein bisschen haben Samra und Capital Bra sich vorgenommen, jetzt möglichst viele Nummer 1-Hits rauszuhauen. Strategisch gut platziert erscheint also mindestens alle drei Wochen eine neue Produktion vom anstehenden Album Berlin lebt 2. Aktuell Zombie.

Das ist nach dem schwarz-verzweifelten Tilidin ein wesentlich weinerlicher Track. Erinnert schon ganz schön an die eher schlechten Selbstmitleid-Hymnen von KC Rebell oder (noch schlimmer) MoTrip. Sogar sentimentale E-Gitarren-Harmonien werden eingesetzt. Und es auch hier geht es wieder um Drogen.

Wenn man will, kann man auch ein bisschen auf die Lyrics hören und vielleicht entdecken, dass dieser Track noch ein härterer Abgesang auf das schöne, schnelle Leben ist. Wie gewohnt konsequent in der Ich-Perspektive erzählt - natürlich frage ich mich unweigerlich: wie autobiographisch ist das jetzt? Sind die beiden wirklich so drauf und dieser Track die große Einsicht? Oder ist es der Abgrund, in den sie schonmal blicken, weil sie wissen, dass es für sie keinen anderen Ausweg gibt?

In dieser Atmosphäre der Ausweglosigkeit hat das Geständnis an die Mama "Ich bin ein Junkie" fast schon etwas Bemitleidenswertes. Wie abgrundtief muss man gestürzt sein, um der geliebten Mutter, der Heiligen, die doch über alles steht, zu sagen: Vergiss es, dein Sohn hat es zu nichts gebracht.

Natürlich tragen Samra und Bra das wie richtige Männer. Da wird heldenhaft gelitten und verklärt. Es gibt keinen Ausweg - ich habe mich zu diesem Leben entschieden und deshalb führe ich es so zu Ende. Man kann das ruhig auch pathetisch nennen.

Und völlig lebensfern. Denn natürlich gibt es immer einen Ausweg. Ich kann mich zu jedem Zeitpunkt entscheiden: Nein, das was ich hier grad mache ist Scheiße. Und ich kann umkehren, abbiegen, aussteigen. Dazu gehört allerdings eine andere Größe als die, vor den vermeintlichen Freunden und Kumpels das Gesicht zu wahren. Dazu gehört der Mut, einen Fehler einzugestehen. Oder sich selbst auch zu sagen: So wie es bisher lief war es daneben.

Das ist aber eine viel weniger kinotaugliche Geschichte. Stories, die mit dem totalen Absturz enden, klingen viel heroischer. Das Leben davor sieht viel schillernder aus. Und für diesen Spaß lohnt es sich schonmal, die Verantwortung zu übernehmen. Immerhin das: Aufrecht stehen zu dem Bockmist, den man verzapft hat - eine Eigenschaft, die auch nicht so selbstverständlich ist.

Wie schon gewohnt, erzählt der VideoClip mit seinen Bildern eine komplett andere Geschichte. Die beiden lassen sich zwar in abgeranzten Hochhausfluren und Kellern ablichten - und trotzdem sind sie die stolzen Macker. Posieren auf Luxusschlitten, hampeln sich einen ab und ziehen genußvoll den drogengeschwängerten Rauch ein. Dass, was textlich vielleicht als Reue rüberkommen könnte, wird hier noch mal ordentlich konterkariert: Rausch lohnt sich in jedem Fall. Und alle die was anderes behaupten sind Loser.



Es liegt auf der Hand, dass der Spaß irgendwie wertvoller scheint, wenn dahinter das tiefe Loch klafft. So musst du erstmal drauf sein: Genießen in der Gewissheit, dass dies dein letztes Mal sein könnte. Allerdings finde ich diese Jammerattitüde dann doch eher ätzend. Um seine Vergangenheit toll zu finden, muss man sich erstmal vergewissern, dass es jetzt gleich zu Ende ist ...

Da macht mir der selbstverliebt arrogante Luxus-HipHop aus Bietigheim-Bissingen irgendwie doch mehr Spaß. Genuss bis zum Abwinken. Egal, was danach kommt.

Freitag, 12. Juli 2019

Loredana: Jetzt rufst du an



Miksu & Macloud sind sowas wie die Hitgaranten der Stunde. Erste Schlussfolgerung: Die beiden haben den Zeitgeist im Blut.

Schaut man sich die Liste der Acts an, die sie gerade produzieren, kommt man dann schon ins Zweifeln: Farid Bang, Kollegah, Summer Cem, KC Rebell ... aber dann auch Howard Carpendale (zumindest Miksu solo). Das ist dann schon ein bisschen wie Prostitution. Hauptsache, der Kunde zahlt.

Wie weit das auseinander liegt und wie wenig eigene Handschrift das dann doch hat, zeigt sich diese Woche: Platz 2 für Loredana Jetzt rufst du an und Platz 5 Summer Cem x Gringo Yallah Goodbye. Das eine ne cool-treibende Verramschung von I Like To Move It, fett und laut. Das andere ein liebliches Schlagerliedchen mit Schmollmund. Das einzige, was beiden Songs gemeinsam ist: Die Lust auf dicke Hose zu machen. Wir haben es halt drauf!

Und so denken wahrscheinlich auch die beiden Produzenten. Mir doch egal, was ihr andern über uns redet. Wir machen halt die Kohle.

Das ist dann auch genau die Haltung, die Jetzt rufst du an zelebriert. Genugtuung, Selbstbestätigung, egomane Streicheleinheiten - das wird gefeiert und ausgelebt.

Für eine Menge Menschen Gefühle, die sie auch gern hätten. Ein bisschen Bestätigung. Ein bisschen mehr Selbstwert.

Aber wie erreicht man das, wenn immer nur die anderen wahrgenommen werden? Wenn die eigenen Ideen nichts gelten, verlacht werden? Wenn es keine Unterstützung gibt?

Ist unsere Gesellschaft so eiskalt?

Im Pop-Biz offenbar schon. Loredana zieht demzufolge die Konsequenz: Ich muss Popstar sein, auf der Nummer 1 stehen und mein Auto mit Bargeld zahlen können, dann wollen mich alle kennen. Dann bin ich wer. Sogar wenn mein Rapstil eigentlich eher abgehackt holprig ist. Wen stört's? Ich kann in heißen Outfits umherturnen, ein bisschen auf lasziv machen und meinen Freund Mozzik im Video auftreten lassen. Wir beide haben viel Spaß. Die andern sind uns egal.



Schade, dass ausgerechnet dieser Song so erfolgreich ist. Schlager-Glöckchen-Coolness aus dem Weichspüler. Die eine 100%ige Fake-Welt vorgaukelt. Ehrlich, Ed Sheeran mit seiner Demaskierung der Beautiful People ist mir da wesentlich lieber. Und obendrein lustiger. Cool kann ich auch sein ohne den fetten Blingbling.




Freitag, 5. Juli 2019

Shawn Mendes & Camila Cabello:
Señorita



Hit mit Ansage. Wenn Shawn Mendes und Camila Cabello gemeinsam ins Studio geschickt werden, dann muss da ein Hit rauskommen. Das war vor vier Jahren noch anders. Da durfte I Know What You Did Last Summer noch unter "ferner liefen" dahin dümpeln. Mittlerweile sind beide erste Pop-Liga - da geht es gar nicht, wenn nicht mindestens ein Sommerhit rausspringt.

Und so kommt Señorita dann auch daher: ein luftig flockiger Popsong, der mich wahrscheinlich mit Vorsatz an Havana erinnert. Zu dieser Schmonzette kann ich wunderbar meinen Sommerdrink genießen und mir schöne Menschen anschauen, wie sie wahlweise balzen oder turteln. Und wenn alles gut läuft, dann finde ich mich ganz schnell in einer ähnlichen Situation wieder. Besoffen vom Urlaubssound und dem schlüpfrig-lasziven Gesang der beiden.

Ja, hier geht es schon einigermaßen explizit zu. Wobei die wirklich expliziten Sentenzen mit einem ooh lalala quasi weggepiepst werden. Das ist im heutigen Parental-Advisory-Must-Zeitalter fast schon sensationell, dass sich jemand die wirklich ausgesprochenen Bilder einfach spart und an die Fantasie appelliert. Denk' Dir Deinen Teil selbst!

Kann man natürlich alles auch spießig finden. Oder wahlweise auch verführerisch. Je nachdem, was ich mir so als erregend vorstelle, kann ich dem Song was abgewinnen oder finde ihn eben nur öde serviceradiotauglich.

Das Video zumindest schippert ganz schön offensichtlich in seichten Gewässern umher. Ich weiß gar nicht genau an welchen Erotik-Streifen mich der erinnern soll. Die Bildsprache sag in jedem Fall: es bleibt immer alles gleich. Und das ist ein bisschen das Langweilige daran. Doch schon 1.000 x gesehen. Da muss ich schon großer Fan von Camila oder Shawn sein, um hier voll aufzugehen.



Froh sein kann man vielleicht, dass es dieses Jahr bis jetzt noch keinen von diesen unsäglichen Macarena- oder Dumpfbeat-Remix-Sommerhit gibt. Kann alles noch kommen. Da bleib ich dann doch lieber bei Señorita.


Freitag, 28. Juni 2019

Capital Bra x Samra:
Tilidin



Diese zwei haben sich gefunden. Jetzt also ein gemeinsames Album: Berlin lebt 2. Und für den neuen dicken Kumpel hat Samra sogar den Release des eigenen Debüts um ein paar Monate verschoben. Das ist Freundschaft.

Aber ach - der Vorgeschmack auf das gemeinsame Werk ist rabenschwarz. So wie das Cover. In Tilidin geht es nicht lustig zu. Da klagen die beiden ordentlich über ihr Scheiß-Leben. Jaja - Lambo in Monaco, das ist ormaler Lebensstil. Und trotzdem fehlt da was. Was fürs Leben. Was lebendiges.

Und weil Einsamkeit so weh tut, verlangen die beiden nicht nur nach Narkoticas sondern klammern sich ganz ganz fest aneinander. Vor lauter Schmerz können sie manchmal nicht anders als noch schlimmer den Macho spielen und jedem drohen, der sich auch nur zu nähern versucht. Sie beißen um sich, obwohl es Ihnen besser ginge, wenn sie es nicht täten. Haben sie nie anders gelernt.

Samra steht diese Verzweiflung sehr gut. Das war schon bei Cataleya so. Der Typ weiß ziemlich gut, was es heißt völlig abzudrehen. Capital Bra kriegt das dagegen nicht so gut hin. Der pöbelt einfach in seinem immer gleichen Stil rum. Hat es ja auch nicht nötig, irgendwie originell zu sein. Hat dann aber leider auch nicht viel mitzuteilen.

So rennen die beiden in ihren Pullovern von LV durch die Nacht. Zwei Markenzwillinge - wie süß! Am liebsten würden sie Papierkörbe anzünden oder Autospiegel abbrechen. Oder überhaupt gleich alles in Schutt und Asche versenken. Schade, dass das nicht hilft gegen die Sehnsucht. Wahrscheinlich ist Betäubung wirklich die einzige Lösung. Das könnte der Grund sein, warum Tilidin in der Masse ihrer Veröffentlichungen wirklich zum besseren Output gehört.

Freitag, 21. Juni 2019

Kalazh44 Nimo Luciano Samra Capital Bra:
Royal Rumble



Am witzigsten sind tatsächlich die Kommentare, die man so zu diesem Track in den Netzwerken finden kann:
"Völlig egal, wer da schon wieder gefeatured wird."
"Auf den Part von Kalazh44 kann ich verzichten."
"Neuer Track? Klingt doch eh alles gleich."
"Weiß gar nicht, warum die alle so auf alte Frauen stehn."
...


Ist damit alles schon gesagt?
Vielleicht soviel noch: Passend zum Name Listing verweist der Titel auf das Massen-Wrestling-Ereignis, das mit viel Tamtam jährlich über die Bühne geht. Und jeweils auch einen Gewinner kürt - was aber nicht wirklich etwas zu bedeuten hat.

So ist das auch bei den hier Aufgeführten: wer da gerade was darstellt ist einigermaßen beliebig und vor allem Poserei. Ist halt Show. In diesem Fall Kiezgangster-Show. Wer am bösesten guckt, hat gewonnen. Und wer sich dazu noch möglichst tierisch schüttelt ist gleich noch besser. Schöner Kindergarten.

Man kann das Ganze natürlich auch als Hollywood-Blockbuster sehn: Das hier sind die Bösewichter, die ja sowieso immer cooler sind als die positiven Helden. Auch wenn sich Horden von Dramaturgen und Producer sonst wie bemühen. Und die hier sind wirklich ordentlich böse. Könnte ich auch sagen: Ins Absurde überzeichnet. So hässlich lacht nich mal der Joker. Huhuhu ... hab ich jetzt aber Angst.

Und warum gucken wir eigentlich solche Filme? - Weil wir sowieso wissen, dass die da im Digitalkasten nicht echt sind. Weil auch das mit der Vororthöllenkacke maximal spannend für einen wikipedia-Artikel ist. Dass das System nur diejenigen überleben lässt, die gegen die Spielregeln verstoßen, wissen wir doch schon längst alle. Erzählt uns doch mal was Neues. Oder erzählt überhaupt mal was.

Na gut: Deutschrap hat schon vor einer Weile die Grenze zu Dada-Lyrics überschritten. Stellen so langsam ja auch Germanisten fest und fangen an Abhandlungen drüber zu schreiben. In 100 Jahren werden dann Schulkinder mit dem Zeug von heute gequält. Als Literatur-Kanon. Fein gemacht.




Freitag, 14. Juni 2019

Farid Bang French Montana Khaled:
Maghreb Gang



Grundsätzlich ist es absolut notwendig, dass sich die vollkommen auf ihre jeweilige Vorstadt-Hood bezogenen DeutschRapper mal in die Welt hinaus begeben und im besten Fall nicht nur kolonialistisch-urlaubsmäßig neue Einflüsse und vielleicht sogar Ideen abkriegen. Insofern sehr gut, dass Farid Bang sich auf den Weg nach Marokko gemacht hat, dort Cheb Khaled zu einer Kollaboration bewegen konnte und nun einen Rai-inspirierten Track auf den Markt schmeißt.

Allerdings ist die Freude an Maghreb Gang dann doch ziemlich schnell vorbei, denn alles was Farid aus der Heimat seiner Eltern mitbringt sind nur ein paar oberflächliche Glitzeransichtskartensouvenirs. Mit schnellem Auto durch die Wüste flitzen oder in vergoldeten Shopping-Malls und Hotel-Lobbies posieren - dazu Sound-Einsprengsel von Khaled ... sind sich die beiden überhaupt jemals begegnet? Natürlich nicht, denn das was da in Maghreb Gang erklingt, ist eine Aufnahme aus dem Jahr 1993 Abdelkader - عبدالقادر . Das ist ungefähr so innovativ wie der Yeke Yeke Remix in den späten 1980ern. Sampling halt. Andere sagen referenzloser Kulturklau dazu.

So böse muss man natürlich nicht sein. Sampling und Remix als immer noch zeitgemäße Kulturtechnik funktioniert ganz gut. Der große Hype um Farid Bangs neuesten Output ist dennoch völlig übertrieben. Nur weil jemand ein bisschen in seiner Familiengeschichte forscht und dann jemanden ausgräbt, der ursprünglich in Algerien geboren wurde, dann lange Zeit aufgrund angenehmerer Lebensbedingungen in Monaco lebte und erst kürzlich - nachdem es ihm dort doch zu ungemütlich wurde (Homo-Ehe und so) - Marokko als ein Paradies für Wohlbetuchte entdeckte ... allein das macht Maghreb Gang jetzt nicht innovativ.

Auch die Kombination mit French Montana hilft da nicht so viel.



Was bleibt von Maghreb Gang? - Immerhin dieses schön orientalisch klingende Sample von Khaled. In Zahlen ist diese Produktion sein höchstplatzierter Hit und macht ihn vielleicht nun auch in Deutschland ein bisschen mehr außerhalb von eingefuchsten Weltmusikfreaks bekannt.

Der Rest reiht sich ein in die lange Liste von Farid Bang-Veröffentlichungen, die doch irgendwie seit Jahren ganz ähnlich tönen. Wahrscheinlich muss der Held auch gar keinen neuen Rhymes mehr aufnehmen. Einfach einen anderen Beat oder Sound drunter mixen - fertig ist der nächste Hit. Ich würde mal sagen: Der Typ hat ausgesorgt.

Freitag, 7. Juni 2019

RAMMS+EIN: Ausländer



Natürlich haben die Jungs von Rammstein ein sehr gutes Gefühl für Reizthemen und setzen diese bewusst ein. Um uns zu zeigen wie doof wir sind, dass wir immer wieder auf bestimmte Triggerpunkte reinfallen. Um überhaupt aufzufallen. Um mit Spaß im Fahrwasser der Uneindeutigkeit herumzuschiffen. Das war schon bei Engel so, erst recht vor kurzem bei Deutschland und natürlich ist es bei Ausländer genauso. Allein schon der Titel kann auf turmhohe Bäume treiben.

Im Track selber wird das Ganze dann bis ins Absurde hinein verwurstet. Deutungshorizonte werden verschmiert. Und jede/r, derdie sich wagt eine Interpretation vorzugeben kriegt mit kaltem Grinsen gesagt: Reingefallen, war absichtlich ganz anders gemeint!

Nun ist das mit dem "meinen" auch so eine Sache. Gut gemeint kommt nicht immer genauso an, sondern kann auch mal gehörig nerven. Umgekehrt ist es ebenso: Fies gemeint kann auch schon mal lächerlich ankommen. Wer sich also drauf beruft, was ersie meint - und das sei die einzig mögliche Art das Ganze aufzufassen - derdie hat von Kommunikation schonmal gar nichts begriffen.

Lassen Rammstein deshalb anders als bei Deutschland im Fall von Ausländer die Tore sperrangelweit offen für alle möglichen Lesarten? Nichts vorgeben als Strategie? Um sich vor Angriffen zu schützen? Oder allen zu gefallen? Oder einfach nur weil man es halt kann und auch keine Lust hat immer den Erklärbären raushängen zu lassen?

Also loben sich die Jungs mit gespaltener Zunge durch die Vielsprachigkeit als Bildungsideal. "Ich mache es gern jedem recht" klingt in meinen Ohren jedenfalls wie eine Drohung. Nicht wie ein besonders kluger Move zur Verständigung auf Augenhöhe. Also bleibt folgerichtig der einzige Zweck für linguale Vielfalt die Befriedigung des Fortpflanzungsdranges. Kein höheres Ziel.

Auch das Video lässt viel Platz für Fantasien. Es spielt mit allem was während Welterkundungen und -entdeckungen falsch lief. Kolonialfantasien pur: der weiße Mann, der sich irgendwo in Afrika breit macht, Bildung bringt, Traditionen studiert, seinen Samen verstreut ... und dann abhaut.



Kann man ironisch witzig finden - muss man aber nicht. Denn selbst wenn hinten dran eine knallend klare Botschaft gezeigt würde: erstmal werden Stereotype reproduziert. Auf beiden Seiten. Bewegt das Musikkonsumenten zum Nachdenken?

Das ist das Manko der dritten Single aus dem siebten Rammstein-Album. Es bleibt inhaltlich schwach, will einfach nur Druck ablassen - alles legitim - bleibt dabei aber auch musikalisch nur ein Mittelmaß-Aufguss der Neuen Deutschen Härte. Die lauten Gitarren höre ich bei anderen Bands in wesentlich spannenderen Kombinationen. Von elektronisch bis akustisch ... da war Deutschland im Vergleich schon richtig innovativ.

Na gut, nicht jeder Song muss ein Meilenstein sein. Heute geht es oft nur darum möglichst viel Material auf den Markt zu schmeißen - irgendeins der tausend Produkte wird schon Liebhaber finden. Nach drei Jahren Produktionszeit finde ich dieses Ergebnis dann aber doch irgendwie enttäuschend.

Und je öfter ich den Song höre um so mehr erinnert mich die Kombination aus gesprochenen Versen und dem kurzen Liedpart an Witt. Ob das so erstrebenswert ist?


Freitag, 31. Mai 2019

Ed Sheeran Justin Bieber:
I Don't Care



Endlich ein würdiger Nachfolger zu Shape Of You. Ein bisschen hatte ich ja schon Angst, dass Ed Sheeran jetzt nur noch Balladen macht und in der Schmuseromantikecke alt wird. Zum Glück zeigt er mit I Don't Care, das dem nicht so ist.

Und hat sich gleich noch einen Duettpartner rangeholt, der dann doch irgendwie ein bisschen überrascht. Klar, heutzutage geht alles: Rap mit Schlager, Electronic mit Liedermaching, Ed Sheeran mit Justin Bieber. - Das geht nicht nur, sondern ist in seiner Fusion sogar ganz funky.

Daran schuld ist natürlich zuallererst der ordentlich anheizende Rhythmus. Nicht zu sehr Latino-Ragga, aber doch erkennbar dort entlehnt. Und über weite Strecken ganz allein den Song bestimmend. Plus Gesang. Hübsch minimaler Einsatz mit enormem Effekt.

Und natürlich muss dieser Song Spaß machen, denn er erzählt genau davon: Eigentlich will ich hier auf dieser Party gar nicht sein. Ich find diesen Latino-Müll total ätzend - auch und gerade, weil sogar Madonna auf den Zug drauspringt. Aber ehrlich: Mit dir halte ich auch das aus. Mehr noch: Ich feier sogar richtig drauf ab. Denn I don't care...

Egal ob mich alle schräg angucken, egal ob ich mich falsch angezogen fühle - Stärke gibt mir die Person neben mir, die mich nimmt wie ich bin.
Mensch, das ist mal eine Liebeserklärung!

Und wenn man das kapiert hat, funktioniert auch das völlig alberne Video, das eigentlich nur Müll im Snapchat-Stil macht. Snapchat? Gibs das überhaupt noch? Genau - die visuelle Inszenierung ist so oberpeinlich, Justin Bieber im Eistütenkostum oder als Mais, Ed Sheeran im Morgenmantel oder als Pandabär verkleidet... Wer will so etwas eigentlich sehen?
Richtig - Fans, die ihre Stars abgöttisch lieben. Da gibt es kein unpassendes Kostüm oder bescheuerte Rollen - da ist alles mindestens ein Ausdruck von Coolness.



Und obendrein wirklich 7.000 mal cooler als die angestrengte Gestelztheit der Mehrheitsrapper - Lil Dicky an dieser stelle explizit ausgenommen.

Jetzt bin ich fast schon wieder versöhnt mit der aktuellen Chartmusik. Doch nicht alles nur blöd.

Freitag, 24. Mai 2019

Samra & Capital Bra:
Wieder Lila

Und noch eine Kollaboration zwischen Samra und Capital Bra. Und immer noch das selbe Schema. Mit der Nuance, dass es hier nicht nur um die Feindschaft zur staatlichen Ordnung geht sondern auch gegen Familienclans ... na, wer da nicht sofort schnallt, welche Personen gemeint sind.

Das Eindrucksvollste an dieser Produktion ist vielleicht das Cover. So sehen sich die beiden also. Liebe Gesichter und die Knarre im Anschlag. Hinten der Stoff in großen Ballen.



Davon rappen die beiden dann auch. Was sie nicht alles für Freiheiten haben als gesetzlose Dealer. Und natürlich die lila Scheine - die flattern nur so durch die Strophen.

Wenn also jemand wie ein Dealer tickt, dann ist sein Leben gefährlich, schnell, ohne Geldsorgen ... und am Ende kann man den guten Stoff sogar selbst genießen. Schöne Träume - an die so manche nur zu gern glauben. Ein Leben ohne Geldsorgen, schnell verdient und immer schnell. Geil.
Ich muss hier nicht erzählen, was die mir bekannten Dealer nach ein paar Jahren im Geschäft tatsächlich für Existenzen waren.

Die deutschen Kids träumen gern von dieser Freiheit ohne Regeln. Verständlich, das Leben ist so vollgepfropft mit Verboten und Erwartungen. Schön wär's, so sinn- und haltlos sein Leben feiern zu können wie es Samra und Capi vormachen. Und wenn einem schon der Mut nicht dazu reicht, diesen Schritt wirklich zu tun, dann wenigstens doch diesen Sound feiern. Ein Hauch von Unabhängigkeit.

In Echt ist das Dealerleben dann wirklich kein Zuckerschlecken. Das ist harter Marktkampf und vor allem ziemlich eiskalte Berechnung. Das kriegt jetzt auch nicht jeder so ohne Weiteres hin. Vor allem sind die Plätze jetzt nicht unbedingt einfach frei wie Handwerkerlehrstellen - da muss man sich schon ordentlich reindrängeln. Das kostet richtig Kraft und Ausdauer. Und Eier brauch man dafür auch. Deshalb sind also alle, die Stoff verticken per se Helden.

Moderne Märchen. In denen Samra und Capi die Helden spielen. Oder die verkannten Prinzen.

Auffällig aber schon, dass beide - obwohl unglaublich cool - zur Untermauerung ihres Status dann doch immer und immer wieder die äußerlichen Zeichen brauchen: Knarre, schnelles Auto, teure Klamotte. Gegen wen müssen sie sich absetzen? Wem beweisen, dass sie es drauf haben? Am Ende sogar sich selbst?

Da könnte dann doch noch ein tragisches Drama draus werden. Die Märchenhelden sind in Wirklichkeit ganz unsicher, ganz kleine Jungs, die mit ihren teuren Spielsachen so tun als hätten sie Macht. Die hübsche Cover-Zeichnung verniedlicht nämlich gar nicht die Realität, sondern zeigt sie ganz ungeschminkt. Und schon ist der Bra nicht mehr der böse Ukra sondern das kleine Kuschelbärchen... auweia.


Freitag, 17. Mai 2019

Shindy: Nautilus



Shindy macht absolut ernst mit seinem Versprechen die späten 90er und frühen 2000er ins heute zu holen. Road2Goat sampelte mal ganz frech Whitney Houston, das sehr sehr coole Affalterbach holte sich die Inspirationen bei P. Diddy und Nautilus ist ganz dicht bei 50 Cents Candy Shop aus dem Jahr 2005. Musikalisch hübsch angereichert mit arabisch-orientalisch klingenden Einsprengseln, das Video zumindest in der Anfangs- und Endsequenz 1:1 übernommen.


Die 2019er Version à la Shindy


Das 2005er Original von 50 Cent

Bei Shindy kann man nun also sogar richtig Referenzen studieren und (Pop)Geschichte lernen. Das ist schon allein deshalb großartig, weil sich der Rapper offenbar nicht mehr nur selber genügt. Er sortiert sich ein, stellt sich in Traditionen - und relativiert damit auch sein eigenes Sein und Tun. Deshalb ist er nicht weniger eitel oder großkotzig. Der Unterschied ist: Er weiß vor allem, dass der ganze Spaß erstmal nur Show ist und spielt dieses Spiel bewusst mit. Sogar mit Freude. Sogar mit Ironie.
Damit hat er sich etwas erarbeitet was den meisten Rapstars aus Deutschland eindeutig abgeht. Die nehmen sich alle noch viel zu ernst.

Es tut Shindy offenbar sehr gut, sich aus allen Abhängigkeiten loszusagen, sein eigenes Ding zu machen und vor allem seinen Vorlieben zu folgen. Vor 15 Jahren in den USA wäre Shindy der Megastar geworden - mal beobachten, ob das in Deutschland auch klappt. Vor allem mit so viel Verzögerung. Eventuell ist Deutschland 2019 aber wirklich auf einem Stand wie die Vereinigten Staaten im Nach-9/11-Luxushype. Äußere Parallelen gibt es durchaus. Wäre allerdings schade, wenn wir komplett die gleiche Entwicklung durchmachen würden ... Auch das hat jede/r von uns in der Hand.

Freitag, 10. Mai 2019

Juju Feat. Henning May:
Vermissen



Ich geb's ja zu: Juju fand ich bislang eher zu krawallig, zu laut, zu aufgesetzt. Mit SXTN hat sie zusammen mit Nura ordentlich auf die Kacke gehaun. Das war schon auch geil - und trotzdem immer auch einen Tick zu dolle übertrieben. Show halt. Wer am lautesten schreit, wird auch wahrgenommen.

Dann kam im letzten Sommer das Capital Bra-Duett Melodien: erstes Popstar-Getue mit Pietro Lombardi-Appeal. Immerhin durch den Ukro-Germanen so sehr durchgeknallt, dass es höchstens als Ironie durchging. Jetzt aber mit Henning May ein richtig ernstzunehmender Liedermacher - und plötzlich zeigt sich Juju als eine auf Emotionen abzielende Sängerin, die gut und gerne auch bei DSDS starten könnte. Das finde ich einerseits ziemlich beachtlich: Juju hat ja noch mehr drauf als Straßenmädchen. Da sind - bei allem Slang - plötzlich Zweifel und gefühlsartige Anwandlungen zu hören. Da schreit eine nicht nur rum, sondern kriegt's auf die Reihe, dass da was mit ihr komisch läuft. Und wundert sich sogar darüber, was alles möglich ist. So viel Selbstreflexion hätte ich ihr wirklich nicht zugetraut.

Und man kann diese Wandlung aber auch sehen als: Jöh, steckt in der kleinen doch nur ein Pferdemädchen! Wenn ich bei ihrem Part irgendwie an Sabrina Setlur denken muss, dann ist das nicht unbedingt als Kompliment gemeint. Besonders in den Parts, wo ihre Stimme dann auch noch gedoppelt oder sogar durch Hintergrundfrauenchor unterlegt wird. Will Juju jetzt wirklich zur Helene Fischer des Rap werden? So kommt's mir vor. Und deshalb distanziert sie sich gleich auch mal von Nura ... war eben doch alles nur ein jugendlicher Fehlgriff. Hmm - gut, dass die Popszene wirklich alles ganz schnell vergisst.

So in der Art ist dann auch das Video. Schöne Großstadtszenebilder. Alles abgeranzt genug um nicht bei Manufactum zu landen, aber in keiner Sekunde wirklich verstörend. Das heimelt schon ganz schön alles...



Henning May ist hier eher der Gewinner. Der kann im Moment wahrscheinlich nichts falsch machen. Mit AnnenMayKantereit zaubert er Hits hin, die auf allen Parties laufen und trotzdem niemals die Top10 erreichen. Das ist mal Erfolg.

Und klar: wer so eine Stimme hat, der muss eigentlich gar nichts mehr machen. Da klingt alles existenziell. Von Pocahontas bis Vermissen. Wenn man dann noch das Talent hat, seine Zustände in Worte zu packen, die wunderbar alltagspoetisch sind und trotzdem mitten ins Schwarze treffen... Insofern ist die Mischung auf Vermissen vielleicht etwas, das uns einen kleinen Blick auf die Zukunft deutscher Popmusik ermöglicht.

Freitag, 3. Mai 2019

UFO III IIIIII I Feat. RIN:
NEXT



Hier haben sich also zwei Rap-Popstars aus der zweiten Reihe zusammen getan. Beide gut unterwegs mit ordentlicher Fangemeinde, aber bei weitem nicht so ultraerfolgreich wie Capital oder Strassenbande oder eben die Uralt-Haudegen ... Könnte man auch gut sagen: die beiden haben noch so etwas wie Street-Credibility und Authentizität. Bis vor ein paar Monaten hätte ich das wahrscheinlich sogar ohne Zögern unterschrieben. Mit Next in den Ohren (und vor allem vor Augen) zögere ich dann doch ein wenig.

Zuerstmal: Hat sich UFO361 nicht nach seinem Album VVS ganz lautstark aus dem Musikbusiness verabschiedet? "Familie ist wichtiger." - so ungefähr tönt es mir noch im Ohr. Neun Monate später ist das alles nicht mehr gültig. Heißt also: die Generation Z hat nochmal ein ganz anderes Zeitempfinden: neun Monate - das ist eine Ewigkeit. Vor allem bei reichlich Betäubungsmittelkonsum sind solche Kategorien wie Dauer und Länge eher unwichtig. Und dass UFO361 immer schön drauf ist, das zelebriert er ja nahezu von Beginn seiner Karriere an.

Das hat ihn für viele auch so attraktiv gemacht: Einer, der sich nicht benehmen muss, der sich einfach die Birne zudröhnt, drüber lacht und das Ganze als Kunst verkauft. 15 Songs in einer Woche - kein Ding... Schade, dass ihm dieses Markenzeichen "high und kreativ" der Bra innerhalb von ganz kurzer Zeit total entwendet hat. Bra ist immer noch einen Zacken schräger drauf, noch durchgeknallter. Und was seinen Ausstoß angeht - ist der überhaupt zu toppen.

Da hechelt UFO doch ganz schön hinterher. Vielleicht war das auch der Grund, im Sommer erstmal die reißleine zu ziehen. Nun ist er also wieder da und versucht es im Wochentakt mit neuem Material. Bei NEXT ist er gut dabei: Zweiter Track innerhalb von 10 Tagen und sofort Karriere-Bestwert mit Platz 3.

Und RIN? - Neues Outfit, so viel Gossip muss schon sein. Und als markenbewusster Trendsetter im Rap-Universum hat er ohnehin seine Nase vorn. Das ist also der angesagte Stil.

Und musikalisch? - Man kann ihn noch erkennen, das schon. Von seinem Markensound entfernt er sich trotzdem ein ganzes Stück. Man kann ja plötzlich richtig alle Rhymes verstehen. Ob das so geil ist? Vielleicht hätte es sich doch gelohnt mal drüber nachzudenken, ob man nicht auch mal eine Feature-Anfrage ablehnt. Das ist zwar in der Szene nicht so wahnsinnig angesehen, hätte aber echten Stil gehabt.

Der Sound insgesamt kommt reichlich dark daher. Das ist für UFO361 noch nachvollziehbar, bei RIN bin ich mir gar nicht so sicher. Als gut betuchter Stuttgart-Rapper ist diese Art von Underground-Touch vielleicht doch ein bisschen zu viel Show. Wie schon angedeutet: Seine Stärken sehe ich eher woanders.

Das Video krönt diese Kolaboration mit Marken-Glanz. Sowohl UFO als auch RIN lassen sich hier nahe an dem inszenieren, wie es Samra, KC Rebell et co in den letzten Wochen vorgemacht haben. Klare Markenbilder und Styling-Posen. Das schön Zwielichtige mit Understatement-Bewusstsein ist fast weggefegt. Irgendwie fehlt mir da was.