Freitag, 10. Mai 2019

Juju Feat. Henning May:
Vermissen



Ich geb's ja zu: Juju fand ich bislang eher zu krawallig, zu laut, zu aufgesetzt. Mit SXTN hat sie zusammen mit Nura ordentlich auf die Kacke gehaun. Das war schon auch geil - und trotzdem immer auch einen Tick zu dolle übertrieben. Show halt. Wer am lautesten schreit, wird auch wahrgenommen.

Dann kam im letzten Sommer das Capital Bra-Duett Melodien: erstes Popstar-Getue mit Pietro Lombardi-Appeal. Immerhin durch den Ukro-Germanen so sehr durchgeknallt, dass es höchstens als Ironie durchging. Jetzt aber mit Henning May ein richtig ernstzunehmender Liedermacher - und plötzlich zeigt sich Juju als eine auf Emotionen abzielende Sängerin, die gut und gerne auch bei DSDS starten könnte. Das finde ich einerseits ziemlich beachtlich: Juju hat ja noch mehr drauf als Straßenmädchen. Da sind - bei allem Slang - plötzlich Zweifel und gefühlsartige Anwandlungen zu hören. Da schreit eine nicht nur rum, sondern kriegt's auf die Reihe, dass da was mit ihr komisch läuft. Und wundert sich sogar darüber, was alles möglich ist. So viel Selbstreflexion hätte ich ihr wirklich nicht zugetraut.

Und man kann diese Wandlung aber auch sehen als: Jöh, steckt in der kleinen doch nur ein Pferdemädchen! Wenn ich bei ihrem Part irgendwie an Sabrina Setlur denken muss, dann ist das nicht unbedingt als Kompliment gemeint. Besonders in den Parts, wo ihre Stimme dann auch noch gedoppelt oder sogar durch Hintergrundfrauenchor unterlegt wird. Will Juju jetzt wirklich zur Helene Fischer des Rap werden? So kommt's mir vor. Und deshalb distanziert sie sich gleich auch mal von Nura ... war eben doch alles nur ein jugendlicher Fehlgriff. Hmm - gut, dass die Popszene wirklich alles ganz schnell vergisst.

So in der Art ist dann auch das Video. Schöne Großstadtszenebilder. Alles abgeranzt genug um nicht bei Manufactum zu landen, aber in keiner Sekunde wirklich verstörend. Das heimelt schon ganz schön alles...



Henning May ist hier eher der Gewinner. Der kann im Moment wahrscheinlich nichts falsch machen. Mit AnnenMayKantereit zaubert er Hits hin, die auf allen Parties laufen und trotzdem niemals die Top10 erreichen. Das ist mal Erfolg.

Und klar: wer so eine Stimme hat, der muss eigentlich gar nichts mehr machen. Da klingt alles existenziell. Von Pocahontas bis Vermissen. Wenn man dann noch das Talent hat, seine Zustände in Worte zu packen, die wunderbar alltagspoetisch sind und trotzdem mitten ins Schwarze treffen... Insofern ist die Mischung auf Vermissen vielleicht etwas, das uns einen kleinen Blick auf die Zukunft deutscher Popmusik ermöglicht.

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