Freitag, 30. August 2019

Capital Bra X Samra:
Nummer 1



Ein Track mehr, der bebildert, wie wenig es braucht um erfolgreich zu sein. Capital bra und Samra schicken das chillig-softe Nummer 1 ins Rennen. Das ist so relaxed, dass ich fast gar nicht schnalle wie mir hier ein neu angestrichenes Rolex untergejubelt wird. Mindestens 50% der Marken und der Melodie-Fetzen habe ich mir im Frühjahr schon genauso reingezogen.

Nun muss ich natürlich zugeben, dass es der heutigen Popkultur niemals um wirkliche Innovation und Erneuerung geht. In Zeiten der beständigen Verfügbarkeit und nahezu verlustfreien Kopie ist Pop ein einziges sich drehendes Rad, das aus Wiederholungen und Aufgüssen besteht. Capital und Samra haben das ganz gut verinnerlicht. Kapitalismus lebt vor allem davon, altes in neue Verpackungen zu stecken und wieder auf den Markt zu schmeißen.

Und das Publikum ist ziemlich froh, sich einlullen zu lassen. Hat auch was mit Geschichtsvergessenheit zu tun. Was interessiert uns das Gerede von gestern - und warum soll man nicht Gutes einfach auch wiederholen? Immer und immer wieder.

Die Stimmung hat sich im letzten halben Jahr kaum verändert - wir lieben es immer ncoh, wenn wir uns per Gucci, Burberry und Nike selbst versichern. Ist auch hübsch, dass in dem Track vor allem betont wird, dass man das Gucci-Kleid liebt, nicht den Menschen, der es trägt.

Hier geht es also einmal mehr um Oberfläche und Lack. Oder eigentlich noch weniger: es geht um Namen. Leere Hüllen. Nichts.

So sieht dann auch der Videoclip aus. Capital darf mit überdrehtem Girlie im etwas altmodischen aber teuren Hotelzimmer auf eer Matratze rumspringen. Samra gesellt sich dazu und beide posen im Treppenhaus. Das Ganze geschieht vor allem, um die angesagtesten Outfits zu präsentieren.



Mit dem Einstieg direkt an der Spitze der Charts hat Nummer 1 seine Schuldigkeit getan. Wir können uns auf die nächste Woche freuen.

Die eigentliche Sensation dieser Woche, Apache 207 auf Position 2 können wir vielleicht ein andermal genauer betrachten.

Freitag, 23. August 2019

Luciano: Yeah



Im deutschen HipHopBiz hat fast jeder kommerziell Erfolgreiche seine eigene Nische belegt. Es gibt den mit viel Style, den Zugedröhnten, den Albern, den Proll, die Kleinkriminellen, den ganz Bösen, den Intellektuellen, den Mädchenschwarm, den ganz Dunklen, den Fitnessfreak, den Wütenden, den sich Ereifernden, die Zicke ... und was ist eigentlich Luciano? Wofür steht der?

Seit zwei Jahren trollt er sich durch die deutschen Kommerzcharts, seit gut einem Jahr mit Vorliebe in den Top 10 - aber warum eigentlich? Was ist das Besondere, das Eigene?

Ich schaue mir Yeah an und gähne. Ist Luciano einer, der besonders belanglos sein will? Seine Inszenierung: Sonnenbrille und dadrunter ganz böse gucken. Kopf nicken - Woddi verschütten - vor starken Maschinen posen ... Fast & Furious lässt grüßen. Der Sound: ähm - erinnert mich das jetzt wirklich an 50 Cent? 15 Jahre alt? Luciano der Zurückgebliebene? Oder ist es eine Hommage: Damals, da gab es noch gute Mucke und Möglichkeiten...
Die Lyrics: Aneinanderreihung von seinen Lieblingstätigkeiten, -marken, -fantasien - schön sinnfrei. Schöner Dada. Hatten wir auch schon. Reichlich.

Und dann gibt es da diese Szenen: Luciano im historischen Kabinett eines Prunkbaus von vor über 200 Jahren. Warum denn das? Da steh ich ja schon in normal nicht drauf. Der Motten-Prunk aus blaublütigen Zeiten ist jetzt real eine Kulisse, in der man sich ablichten lässt. Wahrscheinlich zu viele Musketier-Verfilmungen im öffentlich-rechtlichen gesehen. Das muss wirklich eine schlimme Kindheit gewesen sein.

Damit nicht genug: Im leeren Kabinett ist auch immer wieder ein glänzender schwarzer Flügel zu sehen. Ganz pathetisch steht er da. Warum eigentlich? Insignie von viel Kohle? - Wenn er die ganze Bude wenigstens anzünden würde... Nach dem Motto, Scheiß auf euren alten Prunk, ich lebe heute wie ich will, mit eigenem Luxus! Nee - so isser nich der Luciano, der lässt sich lieber umgarnen von Dingen, die nur richtig schlimm konservative Menschen noch als Lebensstil empfinden. Irgendwas ist da grundsätzlich schief gegangen.



Musik und Stil geben also nicht so viel her. Schaun wir mal in seine Biographie. Aha ... der gute ist gar nicht so bunt und wild wie er sich gibt. Künstlername mit Flair einer fernen Welt. Wer will schon Patrick Großmann auf seinem Album drauf stehen haben. - Dabei wäre das mal noch ne Haltung gewesen. Und unter dem Label hätte sogar Yeah nochmal eine ganz andere Aussagekraft: Der Junge aus der Provinz. Wenn mans genau nimmt, sogar aus der ostdeutschen Provinz. Der Held, der das wirkliche Leben repräsentiert - nicht so globalspaßig verramscht wie bei der KMN Gang. Damit ließe sich doch was anfangen. So viel Schneid hat Luciano dann aber doch nicht. Wahrscheinlich ist auch genau deshalb seine Musik genauso schneidlos.

Freitag, 16. August 2019

DJ Snake J. Balvin Tyga:
Loco Contigo



Seit zweidrei Monaten ist der Videoclip zu Loco Contigo ungefähr das angefahrenste, was im Netz zu finden ist. Tanzende Fusselmonster in der Wüste und ein fiktiv-phantastisches Stadttor, eine Arena mit Gestalten zwischen Tradition und exaltiertem Karneval, dazwischen J. Balvin und DJ Snake die in einem rosa(!) Schlitten und den bis dahin farbig coolsten Klamotten der Saison an Riesenschneckenherden und Konfettikanonen vorbei fahren. Klar, dass sich die Wüste dann zu einem Meeresstrand wandelt.



Wer will kann diese 3 min als wunderbares Beispiel für Magischen Realismus betrachten. Und so ganz aus dem Nichts, kommt dieses Feuerwerk an Surrealem nicht. Im Frühjahr haben Madonna und Maluma schonmal einen vorsichtigen Blick in diese Welt gewagt. Colin Tilley geht bei Loco Contigo allerdings noch ein ganzes Stück weiter. Und das sehr konsequent.

Der Clip ist vor allem deshalb so faszinierend, weil es auch beim zehnten Mal noch was zu entdecken gibt. Und tatsächlich finde ich mich wieder, wie ich Lust habe, diesen Stil- und Ausstattungsfasching mitzumachen. Aber ach, wir leben in Mitteleuropa. Schlimmer noch: In Deutschland.

Geht so was nur in den sonnenverwöhnten Regionen dieser Welt? - Dann könnte sich mit fortschreitender Klimaerwärmung ja auch hierzulande einiges ändern. Ich vermute aber mal, dass es nicht einfach nur mehr Sonnenschein und höhere Temperaturen sind, die Farbenfreude zu gesellschaftlicher Akzeptanz verhelfen.

Und schon bin ich versucht zu behaupten, dass es den Südamerikanischen Macho-Männern offenbar kein bisschen was ausmacht, sich zu schmücken und outfittechnisch kaum Grenzen zu akzeptieren. Schaut euch nur den Clip zu China an: Musikalisch unterirdisch - leider auch viel zu viel gezeigter Marken-Blingbling, aber in Sachen Auffälligkeit schlagen die Kerle die Frauen um Längen.



Warum trauen sich deutsche Rapper das nicht? Ja, da darf es auch exaltiert sein, auch mal Pelz - aber insgesamt bleibt es immer schön im biederen Kanon von gediegenem Design. Hauptsache das Logo ist gut erkennbar. - RIN vielleicht mal ausgenommen. Manchmal zumindest.

Ob Loco Contigo nun wegen des Videoclips zum Erfolg geworden ist, wage ich zu bezweifeln. Vielleicht werden die Bilder auch nur als Spinnerei oder nebensächlich abgetan. Kann sein. Schön ist es in jedem Fall, dass neben dem ganzen Luxus- und Gangster-Einheitsbrei auch so etwas mal stattfindet.

Das wirklich Schöne an Loco Contigo ist, dass die außergewöhnliche Bildsprache einem Sound hinzugefügt wurde, der zumindest ein klein wenig Abseits der Radiostationen-Raggaton-Hits liegt. Der Beat nahezu allein, die Instrumentierung sparsam, das gesungene Hookline-Sample schraubt sich mit jeder Wiederholung mehr ins Ohr - ansonsten vor allem Konzentration auf die Rhymes. Mutig. Einmal mehr beweist DJ Snake, dass es sich lohnt, ausgetretene Pfade zu verlassen und ein bisschen abseits zu grasen.

Freitag, 9. August 2019

Loredana Ft. Mozzik:
Eiskalt



Das kosovarische Traumpaar Loredana & Mozzik ist wieder da! Stylish wie eh und je. Aber auch ein bisschen glücklos. Denn Eiskalt schafft es schon wieder nur bis zu Platz 2. Und in ihrer Wahlheimat Schweiz sogar nur bis Platz 7. Ach Mensch, das ist schon nicht so einfach als Superstar-Influencerin. Da muss man sich doch eine ganze Menge Kritik anhören.

Dazu dann auch noch der Gossip über gesperrte Konten ... Klar muss man als Pop-Starlet dagegen halten. So kann man Eiskalt verstehen: Ich hab Erfolg, ich mache Kohle, ich kann mir leisten, was ich will - was interessiert mich euer Gerede?

Und weiter geht's mit trendy Outfits und frechen Sprüchen. Gibt genug Fans, die sich von nichts etwas vormachen lassen. Große Fresse reicht für viele schon um cool zu sein. Ist ja auch beneidenswert, wenn sich Menschen ungestraft trauen können, rauzurotzen was sie denken. Im Alltag der Millionen Looser funktioniert das nie so. Da hat ein falsches Wort dann meist doch irgendwelche Konsequenzen. Mist!

Loredana als Geld- und Trendmaschine, das sieht schon reichlich sorglos aus. Nicht umsonst veröffentlicht sie Vlogs unter dem Titel "Wie teuer ist dein Outfit?" Muss nicht mal gut aussehen, muss einfach unerschwinglich sein.

Schade ist, dass diese Influencerin wirklich Musik veröffentlicht. Also ihr Mann, der Mozzik, der kann das schon ganz gut. Zumindest wenn er in seiner Muttersprache rapt. Aber die Proll-Göre aus Luzern? Kantig, abgehackt, ok - wenigstens schnoddrig. Aber wie ungewöhnlich ist das eigentlich noch?

Vielleicht guck ich mir den Videoclip lieber ohne Ton an. Da hab ich wenigstens gut ausgeleuchtete Aufnahmen. ... Aber oh je, was ist denn das? Kellogs-Froot Loops essen, ist jetzt in? Zuckerwatte und Teddy auf dem Spielzeugauto? - Leiderleider, Loredana will offenbar Kinder mit ihrem Sound erreichen. Dankbare Zielgruppe. Und für Menschen, deren Leben nicht nur aus konsequenzlosem Gebrabbel bestehen total unrelevant.




Freitag, 2. August 2019

UFO III IIIIII I Feat. Raf Camora:
Nummer



Und nochmal Raf Camora. Jetzt aber wieder in voller Größe und Arroganz. Weltschmerz war gestern. Heute fühlt sich der Macho wieder gut. Und zeigt uns an der Seite von UFO, wie echte Kerle aus dem Biz ihre Frauen anmachen.

Da ist zuerst mal das Problem mit den Brüdas. Wenn man alles im Team macht, dann bleibt nicht viel Zeit für Kennenlernen und lange Balzrituale. Da muss es halt schnell zur Sache gehen. Nummer her - und ab in die Kiste.

So weit, so aufrichtig. Was soll auch der ganze Schmus drumrum, wo es doch eh nur um das eine geht?
Ufo bringts auf den Punkt: "du weißt, ich will deine Vagina"
Kann man eine Frau noch direkter zum Beischlaf einladen?

Problematisch bleibt, dass im Jahr 2019 eine Menge an Porn virtuell passiert. Da müssen die beiden Helden echt nochmal ganz konkret auf den Punkt kommen: "Kein Snap, kein Chat, ... Will ein Date mir dir, nicht mit deinem Computer, Schick mir keine Pics von deinem Arsch, er fühlt sich gut an"
Druck ablassen auf Videos und Pics ist nicht so das Ding der beiden. Kann man sogar verstehen.
Passend dazu haben sie ihr Video auch ganz ungeschminkt und bodenständig inszeniert. UFO streckt total selbstbewusst seine Wampe in die Kamera ... das ist alles andere als Fitnessstudio-Insta-Style. Oben drauf gibt es reichlich blöde Verzerrungs-Effekte. War in den 90ern auch schonmal ordentlich in und hat eher was mit drogenvernebelter Wahrnehmung als perfekter Social-Media-Inszenierung zu tun.



Offen bleibt noch ein bisschen die Frage, was diesen Track so erfolgreich macht. Klar, sowohl UFO als auch Raf gehören zu den Leuten, die gerade machen können was sie wollen - die Massen stürzen sich drauf und lassen es in Dauerschleife laufen.

Punkt 2: die Schwierigkeit zum analogen Sex zu kommen scheinen aktuell wirklich groß zu sein. Die beiden sprechen ohne Hehl aus, was eine ganze Generation sich nicht zu formulieren traut: Lass uns einfach Kinder zeugen ... keine umständlichen Beziehungsgeschichten mehr ...

Und drittens ist Nummer musikalisch allermittelmäßigster Pop-Scheiß. Pietro Lombardi oder Kay One hätten es nicht besser hingekriegt. Höchstens geleckter.