Freitag, 28. Dezember 2018

Capital Bra: Benzema



Er hat es also doch drauf. Als Einziger. Capital Bra schlägt alle Weihnachtsweisen - wenn auch erst auf den letzten Metern, denn die Midweek-Charts listeten doch tatsächlich Mariah Carey auf der 1. Geschenkt. Was zählt ist der Freitag. Und da lässt er alle meilenweit hinter sich: die Brüder aus dem Business und die toten Pophelden aus den großen Vermarktungsmaschinen.

Mit Benzema kündigt Bra schon mal sein neues Album an. Und das, was wir da hören, lässt einen noch abgedrehteren Typen erwarten. Der singt jetzt sogar mit Kopfstimme. Der Sound noch minimaler. Was brauchen wir eigentlich noch, um ein Star zu sein?

Einen gut vernetzten Buddy mit ordentlich Para zum Beispiel - Bushido darf dafür auch sehr präsent im Video mitspielen. Einen Sack voll Dope noch - eigentlich feiert Capital gerade eine Dauerparty: immer drauf, alles egal, einfach Party. Da muss gar nicht viel gehen: U-Bahn und Drehsessel genügen vollkommen. Hier ist er dann wirklich der kleine Junge aus der Ukraine und die Inszenierung als Held der einsamen Wanderer geht auf. Naja, ein bisschen Gucci darf aber nicht fehlen. Wenigstens das T-Shirt erzählt uns, dass er es sich jetzt leisten kann.

Ansonsten erzählt uns Benzema vor allem, dass Bra niemand anderes ist als er früher war. Trotz Erfolg. Das ist schon auch ein bisschen befremdlich. Im US-amerikanischen Rap war es zuletzt nicht mal ein Gangster sondern J.Lo, die beteuern musste, dass sie immer noch die alte von der Straße ist. Ansonsten ist es Rappern reichlich egal, ob sie nun eine oder zwei Millionen auf dem Konto haben. Hauptsache Luxus.

Da ist Deutschland doch ein bisschen anders drauf. Erfolg - sprich: Kohle - hat hier doch schon was Anrüchiges an sich. Die Reichen, die Schönen - das sind die, die entweder fies oder kaltherzig sind, oder einfach nur Glück hatten. Auf jeden Fall ist das kein Umgang für den einfachen Abgänger aus der Realschule. Darum muss der Bra so vehement beteuern, dass ihm die Bambis und Goldenen Schallplatten gar nichts bedeuten. Deshalb geht er zum Müllmann und gibt ihm eine Ghetto-Faust.

In all dem ist Capital Bra tatsächlich glaubhaft. Diesem Typen ist nichts heilig. Noch mehr als Sido würde er sich mit Sicherheit für ein paar Gramm Cannabis verkaufen. Das zeigt ziemlich unverstellt, was diese Gesellschaft gerade bewegt. Das ganz eigene Stückchen Glück - völlig ohne Relevanz ist ihm die Anerkennung der anderen. Deshalb vergleicht er sich mit einem Typen wie Karim Benzema. Die Superfolie für eine beneidenswerte Karriere ist der nämlich eher nicht. Dafür hat er offenbar genug Spaß mit sich selbst gehabt.

So gesehen ist der Stil von Capital Bra einer, der das Leben einigermaßen einfach macht. Suche nach dem, was dich glücklich macht - und lass die anderen links liegen. Das diese Haltung nicht unbedingt zum flächendeckenden Glück führt, das ist dann nochmal eine andere Sache. Ein einigermaßen entspanntes Leben mit einem Minimum an Stress scheint es zumindest schon halbwegs zu garantieren.




Freitag, 21. Dezember 2018

Wham!: Last Christmas

Also Mariah schafft es in dieser Woche tatsächlich mit einer Nr.2 zu einem All-Time-High! Nach 24 Jahren in den Charts!

Wham! loosen dagegen auf Platz 5 ein bisschen ab. Letztes Jahr gabs noch die 4 - matching peak zu Januar 2008. Aber gut, eine Woche is ja noch.

Immerhin schafft es der Weihnachts-Trash doch, Kontra K aus dem Feld zu schlagen. Gefühlsduselei schlägt Harte-Jungs-Selbstvergewisserung. Die Welt hat sich gar nicht so sehr verändert. Lasst euch das von niemandem erzählen. Da kann man wenigstens drauf bauen, dass pünktlich zum Jahresende einmal das Kollektiv-Koma beginnt. Obwohl es einem mittlerweile doch hin und wieder ganz schön schwer fällt mitzukriegen, worum es eigentlich geht. Das (Weihnachts-)Feiern ist tatsächlich zu einem harten Kampf geworden, in den man gut vorbereitet zieht. Spaß war gestern! So gesehen boxen Wham! und Kontra K auf der selben Seite. Nur dass der eine eben nicht so gern offen zugibt, dass Wertebewusstsein eben auch nur eine Form von Spießigkeit ist. Oder Angst. Gehört eh beides zusammen.

Haben wir nächste Woche dann endlich Entwarnung und kehren zum Normalbetrieb zurück?

Freitag, 14. Dezember 2018

Mariah Carey:
All I Want For Christmas Is You

Wird wohl Zeit für die alljährliche Rubrik: Weihnachtshits. Denn Mariah Carey steht auf der 4 der deutschen Single-Charts. Bereits am 14. Dezember. Das ist arg früh. Wenn sie so weitermacht, schafft sie wirklich noch die 1 zum Fest und alles wird noch superlativer und verrückter als es 2017 schon war.

Was erzählt uns die regelmäßige Wiederkehr der ewig gleichen Hits?
1. Es gibt einfach keine spannende neue Musik mehr. - Was natürlich nicht stimmt. Aber die Menge der Menschen hat doch erhebliche Angst vor neuen Tönen. Meine Mama steigt schon bei Gustav Mahler aus, meine Schwester erträgt Aisha Devi keine Sekunde lang, mein bester Freund steht immer noch auf 90er House und selbst der junge FSJler von nebenan erträgt es nicht, wenn mal ein HipHoper etwas anderes als Gangkrieg zelebriert.
Überhaupt die Rap-Helden: Wo ist denn eigentlich der erste richtige Street-Credibility-getränkte Weihnachtssong? Nachdem die Jungs in den letzten Monaten von Weichei-Autotune bis Schmuseliebeslied so ziemlich alles in Beschlag genommen haben, wärs nur konsequent auch das Familienfest mal ordentlich zu preisen. Mama und Papa sind doch eh eure stillen Helden und die Familie das ein und alles. Na los Ihr Schlaffis, traut euch doch endlich!
2. Natürlich sind die Charts ordentlich in-time-beeinflusst. Das heißt Streams bestimmen die Positionen. Nutzt auch nichts, wenn ein CD-Verkauf insgesamt immer noch höher bewertet wird. Ich bezweifle stark, dass Menschen echt jedes Jahr die gleichen Songs kaufen - nicht mal digital ... Oder doch? Weihnachtsbaumkugeln werden mittlerweile ja auch nach dem fest samt Baum in die Tonne gekloppt. Was macht da schon ein 1,29 EUR-Song aus? Wenigstens hinterlässt die digitale Entsorgung bis auf einen kleinen Stromstoß nicht wirklich physische Rückstände.
Jedes Jahr das Gleiche zu kaufen heißt vor allem auch nur noch im Jetzt und Heute zu leben. Hedonismus könnte man das nennen. Passt.
3. Ist sich irgendjemand sicher, dass diese ganzen Weihnachtsnervereien wirklich gehört werden? Ich nicht. Ich kenne nämlich niemanden, dieder Mariah Carey ernsthaft hört. Im letzten Jahr war ich jedenfalls wirklich der Rausschmeißer als ich mir auf der Team-Weihnachtsfeier zum Schluss All I Want For Christmas Is You gewünscht habe. Da war Shitstorm live.
Ich vermute, dass die Charts vor allem das spiegeln, was per Stream in Kaufhäusern und auf Weihnachtsmärkten erbarmungslos in die Welt posaunt wird. Das hat mit dem Geschmack der Menschen, die sich dort versammeln nichts zu tun. Schade eigentlich. Sind wir also wieder in den 1980er-Anfang1990er als die radiostationen wesentlich bestimmten, was in die Charts kommt und was nicht? Von wegen Demokratisierung oder "Der Markt bestimmt". Ist alles nur Fake und durch Lobbies gesteuert.
4. Ich freu mich dann drauf, wenn die drei unvermeidlichen Weihnachtssuperhits durchgenudelt sind und ich endlich wieder Panic At The Disco! hören kann.

Schön brav bleiben, ja? Sonst gibt's was mit der Rute!

Freitag, 7. Dezember 2018

SIDO: Tausend Tattoos



Bilder im Kopf Teil II - das ist Sidos 1000 Tattoos. Es geht darum nicht zu vergessen, es geht um Wertbeständigkeit, es geht (glaubt man den Videobildern) um Mama und Papa, und es geht natürlich auch um die Liebe. So weit so langweilig.

Immerhin - sechs Jahre später kann sich Sido dann doch nicht mehr alles merken. Und das spießige Fotoalbum ist nun dem Tattoo gewichen. Wenigstens das. Ansonsten bleibt es dabei: Rückversicherung in dem was mal war um zu klären was man ist. Zukunft? Null.

Muss man natürlich als erfolgreicher Mainstream-Act auch gar nicht ins Visier nehmen. Zukunft ist da. Ohnehin. Und am besten alles bleibt so wie es ist. Was machen eigentlich die, die jetzt nicht so sicher sind, dass sie morgen noch genug zum Leben auf dem Konto haben? - Die hören sich 1000 Tattoos an und begreifen, dass sie eher nicht gemeint sind. Denn ohne Zukunftsoptionen ist es schwierig dem andern auch noch ein Kompliment zu sagen. Ist Sido also doch schon ein Wohlstandskünstler?

Wenigstens nimmt er sich selbst nicht so ernst und lacht auch mal über sich: bisschen zu viel Drogen genommen, bisschen zu alt schon, auch mal Scheiße gebaut ... was soll's? Darin liegt schon fast so etwas wie Lebensweisheit. Wenn er mit solchen Lyrics wirklich die völlig Wütenden mal für einen Augenblick erreicht, dann hätt' er ja was erreicht. Leider glaub' ich nicht dran, weil Tausend Tattoos dann doch eher nach unerträglichem Durchschnittsradiomainstreamliebesgesülze klingt.

For You - das ist die Hookline das Songs. Dies ist ein Track, der einem anderen Menschen gewidmet ist. Als Dank für alles mögliche nimmt Sido diesen Menschen in sein Körperbilderbuch auf. Das darf man schon als Ehre verstehen. Neben dem Astronauten und der Totenkopfmaske und dem Sägeblatt. Wer wünscht sich das eigentlich nicht?




Freitag, 30. November 2018

Mero: Baller los



Rekord Rekord! Mero ist der erste deutsche/deutschsprachige HipHop-Act, der es mit seiner Debut-Single von 0 auf die 1 in den deutschen Single-Charts schafft. Boah! Und jetzt wird gefeiert!

Aber was feiern wir da eigentlich? Zum Beispiel dass der Vertrieb Groove attack, einer der größten Independent-Vertriebe europaweit, sein Handwerk ganz gut beherrscht. Die Jungs aus Köln haben schon ganz gut Erfahrung sammeln können mit der KMN Gang, dem Aggro Berlin und Azzlacks-Label und Flers Maskuklin. Da ging schon einiges. Also hat man ganz gute Connections zur Zielgruppe und weiß worauf die Kids so stehen. Zum Beispiel auf einen grad 18jährigen Rüpel. Das war auch bei den Casting-Bands schon ganz ähnlich: jung, unangepasst, laut - das kam und kommt gut an.

Natürlich darf man von Mero jetzt nicht allzu viel erwarten. Er bedient genau das, was sich in den letzten Monaten und Jahren als erfolgreicher HipHop-Mainstream bereits durchgesetzt hat. Ich hab den dicksten Schwanz, ich krieg's am besten hin und 'ne Knarre hab' ich außerdem. - Technisch kann er schon ein ordentliches Tempo vorweisen. Da muss sich Kollegah wohl bald warm anziehen. Ansonsten bleibt Mero uns vorerst noch schuldig, was ihn so besonders machen soll. Im Gegensatz zu seinen verbalen Behauptungen ist er eben doch nur einer von vielen. Ich würde mal schätzen: diese Woche Nr.1, nächste Woche dann doch schon wieder etwas tiefer.

Interessant ist natürlich, dass so ein Gangsta sogar in seinen Lyrics davon träumt, in den Charts zu sein. Wenn die GfK, der biedere Verein jubelt, dann hat man's geschafft. Darin spiegelt sich einmal mehr, wovon die wilden Jungs träumen: Gesellschaftliche Anerkennung! Einmal über den roten Teppich laufen! Diejenigen, die man eigentlich abgrundtief verabscheut und hasst, die sollen einem endlich Respekt erweisen. Über Chartpositionen und Geld scheint das zu funktionieren. Allerdings durften selbst Größen wie Kollegah etc. schon vor geraumer Zeit erfahren: dieser Respekt ist falsch. Runter vom Thron ist man wieder wertlos. Zu sagen hat man auch mit mehreren Nummer1-Alben im Gepäck nichts.

Vielleicht kriegt's Mero aber auch hin und ist in 20 Jahren da, wo Sido heute schon langsurft: am lullig-sentimentalen Retro-Gesinge, kurz vor der Schlagerbar. Gratulation!




Freitag, 23. November 2018

Ava Max: Sweet But Psycho

Der erste Titel seit dem Sommer und Dynoros In My Mind, der es schafft so richtig bis an die Spitze der deutschen Single-Charts zu gelangen und nicht aus dem Genre DeutschGangstaRap stammt. Und dann ist es: eine Lady Gaga-Kopie. :-(

Die hat ja schon seit ganzen fünf Jahren kein richtigen Gassenhauer mehr vorlegen können, versucht es grad intensiv mit Shallow - nunja, immerhin Top 10 - aber so richtig funkt es nicht mehr bei der selbsternannten Göttin des Pop. Da kann es die junge Generation offenbar besser. Wobei die Unterschiede in qualitativer Hinsicht eher minimal sind.

Zunächst einmal macht die 24-jährige ordentlich auf Drama- und Horrorqueen. Mit wildem Grusel-MakeUp und breit zerlaufendem Kajal singt sie: "Sieh dich vor der anderen vor, sie ist gefährlich, verrückt und wird dich umbringen, wenn nicht schlimmeres."
Gleichzeitig ergeht sich Ava Max in Phantasien, wie sie ihren Angebeteten zerlegt. Die Ohnmacht, nichts tun zu können, treibt sie in abartigste Gelüste.

Schon bin ich bei Fifty Shades – denn im Video sieht dieser Hass ordentlich lustvoll aus. Haben die Romantik-Versessenen SadaMaso-Vouyeure hier ihr Pendant in der Popmusik gefunden?

Vielleicht ist es genau das, was mich an Ava Max und Lady Gaga so nervt: Diese Lust am Hass, die ja am Ende nur in Selbstzerfleischung endet. Ava Max will nicht gefallen und nicht schön sein - auch wenn sie sich aufbrezelt und herausputzt wie eine Prinzessin. Sie will die dreizehnte Fee sein. Die, die verschmäht wird, die deshalb alle verfluchen kann, die vor Selbstmitleid nur noch Rache kennt. Und wenn dann alles gelaufen ist, der schöne Jüngling zerfleischt?



Immerhin hat Sweet But Psycho mit Cirkut einen eher rhythmusorientierten Produzenten. Der gibt wenigstens der Produktion ein wenig Schmiss. Ansonsten ist das Ale-Ale-Alejandro oder Papa-papa-paparazzi abgekupferte "I'mamama out of my mind" leider sehr öde. Und es gibt mir wirklich zu denken, dass wir nun schon die Rezepte der End-00er recyclen. Leute Leute - fällt euch gar nichts mehr ein. Dagegen find ich den dummdebilen Jungsrap, der uns gerade komplett zuschwappt ja noch richtig modern.

Freitag, 16. November 2018

Samra: Cataleya



Ist das echt ein Liebeslied? So ganz anders als der Schnulzenquatsch, den Samras Straßenkollegen sonst so veröffentlichen? Dreckig, verzweifelt, grausam, verliebt?

Schön, dass es endlich mal einer von den Jungs schafft, die Lady als starke Kriminelle zu inszenieren. Gleichwertig zum Kerl. Nicht nur die hübsche Göttin, der man die Klunkern hinlegen muss, sondern eine, mit der Mann auch mal ne Bank ausrauben kann. Dass das ans Leben geht, alles umkrempelt, keinen Stein auf dem anderen lässt und trotzdem geil ist, das bringt Samra auf den Punkt. Tatsächlich geil: Ohne das Gesicht zu verlieren Gefühle beschreiben. In all ihrer Widerspenstigkeit.

Musikalisch genauso umgesetzt: schräg kratzende Streicher, Beats wie Schüsse, glockenblubbernde Hintergrundmelodie, rauchiger Gesang. Der Track macht Lust auf Samras Album, das gleich erscheinen soll - verdienter Nr.1-Hit.


Freitag, 2. November 2018

Kitschkreig feat. Trettmann, Gringo, Ufo361 & Gzuz:
Standard



Das ist mal eine Allstar-Produktion. Der Reihe nach treten sie auf: Trettmann - gewohnt cool und mit ungewöhnlichen Rhymes, Gringo - ungehobelt und rauh, nicht unsympathisch, UFO 361 - haha, wiedererwacht von den Toten, zumindest für dieses Feature, Gzuz - witzig, dass er erstml nur das tumbe "Standard" beitragen darf, und dann kommt doch noch ein wie üblich mit bösem Gesicht und gepresster Stimme rausgehauner Selbsthype, kann man eher weglassen.

Hübsch das zurückgenommene Video. Das könnte fast schon als Arthouse durchgehen. Es braucht gar nicht immer die Mega-Inszenierung. Manchmal zählt einfach die Musik.

Freitag, 7. September 2018

Loud Luxury Feat Brando: Body

Wundert sich eigentlich noch jemand, warum gerade nur Deutschrap die Charts bestimmt?

Angesichts solcher Produktionen wie Body ist glaub' ich schon alles erläutert. Reichlich uninspiriert - Martin Solveig wird sich freuen, dass er so viel Influence hat. Grrrrr.

Freitag, 10. August 2018

Capital Bra Feat. Juju: Melodien



Pietro Lombardi auf Crack. Und Sarah Engels als Schlampe. Das macht sogar Spaß. Auch wenn mich die Anbiederei an dieses bretzdämlichen Calipso-Karibik-Sound echt schon annervt.

Wenigstens hatten die beiden mit Sicherheit einen Riesenspaß beim Videodreh. Ist schon auch geil, wenn man einfach machen kann was man will und halb Deutschland findets cool.

Freitag, 20. Juli 2018

Dynoro & Gigi D'Agostino:
In My mind



Es gibt ein paar ganz sentimentale und nostalgische Gründe, warum die Tracks von Gigi D'Agostino in meiner All times dearest Liste ganz oben rangieren. Der Sound der beginnenden 2000er, voll mit Selbstverliebtheit, Glück und Freiheit. Wir brauchten nicht viel mehr als einen ordentlich knallenden Beat und einen dunklen Club am Sonntagvormittag. OK - für sehr viele ging es da auch schon nur noch ums pure Geldverschleudern. Unschuldig war die Dancezene Anfang der 2000er ganz sicher nicht mehr. Auch musikalisch ist der Sound sicher nicht das, was unter besonders qualitativer Musik zusammengefasst wird - es genügte dem Moment und war darin ziemlich geradlinig. Das war ungefähr die Stärke von Gigi D'Agostino: arrogant und kaltschnäuzig genug, um sich einen Dreck zu scheren um Anwürfe des Feuilletons oder tiefsinniger SingerSongwriter. Jeden Abend eine Party und jede Menge Selbstgenuss.

Insofern wunderte es mich nicht, dass nach einzwei erfolgreichen Jahren dieser DJ und Produzent auch gleich wieder in seiner Nische verschwand. Dass mehr als 15 Jahren ein junger litauischer DJ die Hookline von L'amour toujours wieder ausgräbt und mit einem anderen Technotrack zusammenschmeißt, das finde ich allerdings mehr als überraschend.

Der junge Mann gehört eher zur Generation RiesenRave à la Tomorrowland und hat sich den Track In My Mind geschnappt, der schon einige Zeit zu dem Festival gehört. Sinnvollerweise hat der die allzu geschranzten Parts rausgehauen und dann in die Musikdatenbank gegriffen um Herrn D'Agostinos Melodie in das Ganze hineinzumashen. Tatsächlich eine gut passende Mischung, die bereits zu Jahresbeginn in den sozialen Netzwerken ordentlich einschlug.

Spannend war dann vor allem der Moment, als Österreich offiziell Platz 29 für den Track meldete und plötzlich sämtliche Downloads gesperrt waren. Da gab es nämlich ein Urheberrechtsproblem. Oder ging es eher um Eitelkeiten? - Wiederveröffentlicht wurde der Track nämlich vier Monate später mit dem zusätzlichen Credit des italienischen DJs, obwohl dieser an der Produktion selbst nicht beteiligt ist. Hat einfach ein Stück Signature-Hookline geschrieben.

Wie kurios diese Konstellation ist wird deutlich, wenn man bedenkt, dass die Urheber der eigentlichen Titelzeile und -Melodie nicht als Interpreten genannt werden. Die stehen maximal im Kleingedruckten als Autoren. Ist durchaus eindrucksvoll, zu sehen, dass Personen mit größerer Bekanntheit offenbar auch mehr (Urheber)Rechte haben. Ist so ähnlich wie bei Disney, das sich als Mediengigant alles sichern kann (und das auch verteidigt), während der kleine Soundbastler aus Buxtehude mal schnell den Anwalt vor der Haustür hat und lieber gleich alles an eigener Kreativität verleugnet.

Nun gut - In My Mind hat sich zum Sommerhit entwickelt. Passt ja auch ganz gut in das allerorten zelebrierte 90er Jahre Revival. Wobei ich mir zunächst nicht sicher war, ob es bei diesem Track wirklich um die Erinnerung an die Kindheit geht.

Doch das was Dynoro da hinlegt ist ernsthaft sentimental. Ein Text, der eine verträumt-unwirkliche Sehnsucht beschreibt: Gedankengespinst, Wunschvorstellung - da kommen die Sommertänzer her. Und alles worauf sie warten ist allumfassende Liebe und Träume. Wenn das nicht alte Love Parade-Glücksgefühle hervorrufen soll! (Die Dynoro dank seines Alters maximal von den Berichten seiner Eltern oder aus Videoaufzeichnungen kennt.) Also doch ein Retro-Track an eine nicht erlebte Vergangenheit. Trifft ziemlich gut den Zeitgeist, der sich nach vermeintlich besseren, ruhigeren, schöneren und sicheren Zeiten sehnt. Und völlig negiert, dass auch 1999 nicht einfach nur Party war. Auch wenn wir das gern so hätten. Für einen Sommer mag das trotzdem reichen.

Freitag, 13. Juli 2018

Bushido Featuring Samra & Capital Bra:
Für euch alle



Deutschland im Sommer 2018. Das heißt unter anderem: Straßenrap bestimmt weiterhin das Pop-Business. Kaum eine Woche vergeht, in der nicht die ansonsten eher bieder GfK einen neuen Rekord, eine neue Nummer 1 von einem deutschen Rapper abfeiert. Nunja - Geld stinkt nicht. Und die Straßenjungs dürfen sich allesamt freuen, dass sie nun zum Roten-Teppich-Team gehören, herumkotzen und pöbeln können so wie vor Jahrzehnten die schlimmsten GlamRocker und Punks und Techno-Antihelden ... Am Ende hat sich dann doch immer das Karrussell weiter gedreht und geändert hat sich eher gar nichts.

Könnte jetzt natürlich schon ein bisschen anders sein. Zumindest, was so die Labellandschaft angeht, hat sich doch schon einiges getan. Selbstvermarktungsplattformen generieren Hits, die großen Major treten da eher im Hintergrund als Vertrieb auf. Und so mancher der Rüpelhelden verweist nicht ohne Grund darauf, dass er es aus eigener Kraft geschafft hat.

Zum Beispiel Capital Bra. Mit vorsätzlich veröffentlichten Luschenhits hat er sein Label Team Kuku erfolgreich gemacht. Kohle eingespielt. Ruhm geerntet. - und dann, kurz vor Veröffentlichung seines Albums, trennt er sich spektakulär. Das ist mal Marketing. Da hat jemand das Geschäft verstanden und schert sich einen Dreck um Werte wie Loyalität, Familie, Aufrichtigkeit. Auch witzig.

Dann wurde lange spekuliert welches große Label ihn wohl aufnehmen wird. Und schwups: am 6. Juli mit Veröffentlichung des Tracks Für euch alle war es so weit. Capital Bra geht zu Bushidos ersguterjunge. Das is mal wirklich ne Nachricht. Denn immerhin: es ist nicht BMG oder Universal oder oder oder ... es bleibt einer der großen Player im HipHop-Business.

Natürlich muss man da auch ein bisschen genauer hingucken. Denn Bushidos Familie ist jetzt auch nicht unbedingt das, was man groß nennt. Mit Samra sind's mal gerade drei Acts, die sich bei EGJ versammeln. Gut, zwei davon sind derzeit Supergewichte ... marktbestimmende Label sehen trotzdem irgendwie anders aus.

Das ganze Theater ist den meisten 14-18-jährigen eigentlich ziemlich egal. Lässt sich ganz gut teilen wie eine billig produzierte Soap. Oder ein doofes Katzenvideo. Heute siebenmillionenfach geteilt - morgen schon wieder vergessen. Das ist dann vermutlich auch der Grund, warum es völlig egal ist, was Capital gestern getan und gesagt hat. Alles nur eine Momentaufnahme. Und hoffentlich möglichst krass.

Insofern sind die Beteurungen auf Für euch alle auch einigermaßen ins Leere gehauen. Capital ist immer noch aufrichtig. Er ist der einzige, der sich nicht verändert. Der Stall bei Team Kuku dagegen war nur noch geldgierig. Dabei war's doch der Bra, der erst den Erfolg gebracht hat.
Laaangweilig. Hatten wir doch alles schon in unzähligen anderen Konstellationen. Ist auch in der Billionsten Wiederholung nicht einen Cent mehr überraschend.

Und so lullt Für euch alle irgendwie schön seicht dahin. Selbst das Video hat nicht wahnsinnig Aufregendes zu bieten. sind Bushido und sein EGJ dann doch schon so behäbig und alt geworden, dass es für die wiklichen Neuerungen eben nicht mehr reicht? Capital Bra als Frischzellenkur? Ausgerechnet der, der im Mainstream eher so mit mehreren Schlagerraphits durchgestartet ist?

Ich vermute, es ist völlig sinnfrei sich zu tiefgreifend mit den Jungs und ihren Strategien zu beschäftigen. Weil genau das sie eher adelt. Über all dieses Zeug und die Auswirkungen ihres Tuns machen sie sich selbst nie so viele Gedanken. Alles was sie wollen ist Spaß. Und natürlich den Luxus dazu. Klingt für mich 1:1 nach dem, was in anderen gesellschaftlichen Bereichen auch grad gut abgeht. HipHop hat's geschafft - es verkörpert den gesellschaftlichen Mittenmainstream. Wird spannend (oder richtig gruselig), wenn die nur zur Show hingeworfenen Phrasen dann wirklich von der Mehrheit aufgenommen werden.


Freitag, 6. Juli 2018

El Profesor: Bella Ciao - Hugel remix



Da schafft es also ein Partisanenlied aus dem Zweiten Weltkrieg im Jahr 2018 zu Hitstatus. Na gut, da es zu so etwas wie dem kulturellen Erbe in Mittel- und Westeuropa gehört, war es vermutlich schon vorher ein Sleeping Hit - um im Popbusiness-Sprech zu bleiben. Ich kann mich erinnern, dass ich als Heranwachsender durchaus begeistert von dem Lied war. Dass der Text eigentlich auch echt dämliche Seiten hat – nämlich: opfer dich auf für den Kampf um das Gute und für Andere – das hab ich dann später erst mitgekriegt. Und tatsächlich können wir uns hervorragend darüber streiten, ab wann es sinnvoll ist sein Leben zu geben und einzig dafür zu sterben, dass Nachgeborene einem gedenken. Die Nähe zum Radikalismus und Terrorsimus liegt auf der Hand. Allein deshalb find ich es durchaus schwierig, dieses Lied so ohne Weiteres zu benutzen oder attraktiv zu machen.

Aber natürlich leben alle möglichen Heldenerzählungen auch heute noch von der Aufopferung, dem Tod, der Selbstlosigkeit ihrer Helden. Ob nun Game Of Thrones oder Westworld – für irgendetwas Hehres und Großes lohnt es sich immer zu sterben.

Genauso tut es die spanische Serie La casa del papel (Haus des Geldes). Spannend ist an dieser vor allem, wie hier Widerstand definiert wird. Die Protagonisten empfinden sich zurecht als ausgebeutet, unterdrückt, ohnmächtig. Vor allem von den kapitalistischen Verhältnissen. Ihr Kampf dagegen besteht darin, so viel Geld wie möglich zu drucken, um damit sorgenfrei und quasi geadelt das Leben genießen zu können. Konsequenter ausgedrückt: Sie wehren sich nicht gegen die Verhältnisse, sondern wollen einfach nur mitspielen.

Das ist eine Haltung, die derzeit sehr weit verbreitet ist. Nahezu das komplette deutschsprachige Rap-Business handelt davon. Möglichst dicke Autos fahren, Uhren tragen und teuren Champagner ausgießen - bloß nichts anders machen als das gnadenlose System uns von Kindesbeinen an lehrt. Ich vermute mal, die Partisanen vom Anfang des 20. Jahrhunderts würden sich im Grabe umdrehen über so viel Anbiederung und Feigheit.

Klar, auch Brecht hat schon geschrieben: Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank. (zumindest sinngemäß) - Aber wer von den tonangebenden Kulturproduzent*innen heute kennt schon noch Brecht?

Lasst uns also das Gelddruckinstitut besetzen, die Menschen dort in Geiselhaft nehmen (haben sich ja mitschuldig gemacht, weil sie Teil des Systems sind) und drucken was das Zeug hält. Die Story hat mehr als eine Hintertür – gut, dass es für Erfolg im Jahr 2018 nicht unbedingt eine schlüssige und schlaue Geschichte braucht. Zeitgemäße Inszenierung und ein geiler Soundtrack tun es allemal.

Bella Ciao steht sinnbildlich für den Erfolg der Serie und den Sinnverlust älterer Kulturgüter. Das Lied kriegt mehrere chice Gewänder, wird verrapt, geremixt, verpopt ... Hauptsache ich erkenne noch einen winzigen Fetzen des Refrains und fühle mich so an das Serienerlebnis erinnert.

In Deutschland kommt die erfolgreichste Variante vom französischen DJ Hugel. Der hat sich im Kommerzmainstream schon mit einszwei Kollaborationen und Remixen ein wenig bekannt gemacht. Leicht flockiger DeepHouse, gern auch mal streng in Richtung Radiopop gebürstet. Mittlerweile darf er auch Alt-Größen wie Taio Cruz zwischen seine Finger nehmen. Und dann eben auch das Partisanenlied aus der überflieger-Netflix-Serie.

Was macht er draus? – Nunja, einen DeepHouse Hit halt, der ganz gut auf dem Dancefloor funktioniert und dank des Kultstatus sowohl der Serie als auch des Songs in den Verkaufslisten ziemlich weit oben notiert wird. Ein bisschen besteht die Gefahr, dass genau dieser Remix zum Sound des Sommers wird. one kiss ist einfach schon zu lange durch und Solo besitzt im Vergleich zu Bella Ciao millionenfach weniger Cheesyness.

Jetzt können wir uns gern darüber streiten was schlimmer ist: Dieser Remix als Urlaubssound oder noch so ein Luschenhit von einem Deutschrapper? Ähm - wir können natürlich einfach auch was ganz anderes machen: einfach die freie Zeit genießen und wenn möglich das schöne Wetter.

Freitag, 29. Juni 2018

Die Fantastischen Vier feat. Clueso:
Zusammen

Reden wir also über Fußball. Äh nee - is ja seit letzten MIttwoch eigentlich kein Thema mehr. Die deutsche Mannschaft fährt nach Hause und ein bisschen ist schon fast Staatstrauer angesagt, zum Glück gibt es ja grad politisch ordentlich Zoff...

Also reden wir vielleicht über den Fußballsong, den Das Erste für seine Match-Übertragungen ausgewählt hat. Der ist nämlich einigermaßen überraschend. Da wo sonst Heroismus und gern auch eine Prise männlich-überheblicher Stolz von Andreas Bourani bis zu den Toten Hosen den Ton angab ist es im Jahr 2018 irgendwie leichter, flockiger. Und sogar einen Hauch ironisch. Hat natürlich auch damit zu tun, wie Die Fantastischen Vier ihre Zusammenarbeit mit Clueso vor dem ganzen Fußball-Spektakel schon vermarktet haben.

Im Gegensatz zu den Lyrics will es im Video zwischen den Jungs nämlich so gar nicht funktionieren. Die Opas von den Fantas kommen überhaupt nicht damit zu recht, dass der nun auch nicht mehr wirklich junge Star ihrer Karriere nochmal einen Kick geben soll. Das ist tasächlich lustig. Schon allein, weil es durchaus auch einen Hauch von Wahrheit haben könnte. Immerhin haben die Fantas ja auch Herbert Grönemeyer zu einem Chorus eingeladen und sich im Nachhinein ordentlich kaputt gelacht, dass dieser die Einladung so ernst genommen hat.



Fun rules im deutschen PopHipHop-Business. Das ist wirklich keine neue Botschaft. Neu ist maximal, dass dieser Fun in 2018 für so etwas Ernstes wie Fußball als Untermalung genommen wird. Da hat sich wohl doch einiges getan.

Für mich klingt das ganz positiv. Diese übersteigerte Engzeichnung auf nichts anderes als den Sieg und das Abfeiern der eigenen Superkräfte langweilt mich nicht erst seit dem massivem Erfolg von deutschem Straßen-Rap enorm. Da mag ich die Feier des Wir und der Gemeinsamkeit wesentlich mehr. Vielleicht kann die Freude an einem Sportereignis tatsächlich Brücken bauen und zu einem unbeschwerten Fest werden.

Bevor dann aber der völlige Friedenstauben-Pathos angeschwappert kommt, geht's mit viel Augenzwinkern dann doch zurück auf den Boden der Realität. Clueso und die Fanta 4 gehen dann doch getrennte Wege. Und irgendwie ist das gerade cool, dass es eben nicht das nonplusultra feature-Hypeding ist, sondern einfach eine kalkulierte Kolaboration.

PS: Sind ja auf dem Album Captain Fantastic noch ein paar mehr Features drauf. Wenn's dazu auch so hübsche Stories gibt, dann kann ich nur sagen: Nicht schlecht, wie sich so eine alte Band dann doch erfolgreich weigert in den Greisenstatus zu wechseln.

Freitag, 22. Juni 2018

Clean Bandit featuring Demi Lovato:
Solo



Wir schaffen es also immer noch nicht mit Trennungen umzugehen, allein zu leben, nach einer Affäre weiter zu machen. Das erzählt uns Solo in einem schmissig-lustiigem Popsong. Tanzen, tanzen - das geht schon irgendwie - aber eigentlich ist alles nur Fassade. Hin und hergerissen zwischen den Gefühlswalliungen und Bedürfnissen torkelt das Ich dahin, unfähig das Leben wieder auf die Reihe zu kriegen.

Diesen Moment gibt es tatsächlich. Manchmal auch etwas länger. Die ganz romantischen Märchen erzählen sogar davon, dass nach dem einen Richtigen nie wieder jemand kommt. So wie angeblich Schwanenpartner nie wieder eine andere Beziehung eingehen.

Das muss man natürlich alles glauben. Geht wahrscheinlich auch nicht so schwer, weil es ja unglaublich schön und rosa ist und zum Heulen kitschig. Da stehen schon ziemlich viele drauf. Das klassische Fernsehen und die Uralt-Klatschzeitungen (die ja eigentlich niemand mehr konsumiert) sind voll davon. Warum sollen also junge moderne Menschen nicht anfällig für diese Version des Liebeslebensentwurfs anfällig sein? Die anderen Geschichten aus dem wirklichen Leben, die erzählt eben leider kaum jemand. Die sind irgendwie bäh und unromantisch. Scheinbar voll mit Kompromissen.

Demi Lovato hat also nicht verwunden, dass Sie mit ihrem Lover nichts mehr hat. Shit! Und weil es ja offenbar wirklich der Eine war, ist dieser Verlust echt nicht wieder gut zu machen. Und sie flucht. Denn sie würde gern Party machen und v*** und Spaß haben - aber da steht ihr die Erinnerung an kürzlich zu sehr im Weg.

Schön ist, dass sie trotz der Vergewisserung Can't Do It Solo am Ende doch zu der Aussage kommt: I Do It Solo.
Bleibt ihr ja auch nichts anderes übrig. Umbringen ist ja keine Lösung.

Irgendwie also ein lebensbejahendes Lied. Und vielleicht ist es genau deshalb auch so witzig produziert: lockerer Discobeat, leicht in Richtung aktueller Reggea-Hits getrieben, mit Sampling und Vocoder gespickt. So unglücklich klingt Demi Lovato am Ende gar nicht - glaubt ihr ohnehin keiner, dass sie wirklich in endlose Trauer verfällt.
Hier wird der Moment beschrieben, an dem es doch wieder weiter geht mit dem Leben. Auch wenn einem irgendein Gefühl weis machen will, dass das doch eigentlich gar nicht geht.



Richtig bescheuert ist dagegen das Video. Grace Chatto erträgt es nicht, dass sie ständig mit ihrem Lover streitet, ordert einen Zaubertrank und verwandelt ihn in ein kleines Schmusehündchen, das ihr auf's Wort gehorcht und sich Kraulen lässt, wenn sie das Bedürfnis hat. Ja - auch diese Geschichte hat ihren emanzipatorischen Moment. Grace Chatto nimmt ihr Leben selbst in die Hand, sie tut etwas. Dass es nun ausgerechnet Hexenmagie sein muss ... naja, so selbstverwirklicht sind junge Frauen heutzutage offenbar nicht, dass sie auch eigene Lösungen kreieren können.

Und das nun ausgerechnet der Streithammel zum Schoßhündchen gemacht werden muss ... uiuiui. Warum schießt sie den Typen eigentlich nicht zum Mond und sucht sich einen neuen? Longboard fahren allein macht noch keine coole Frau, solange sie es nicht schafft, die neidvollen, herrischen Machos einfach links liegen zu lassen und wirklich eigene Wege zu gehen.

Wahrscheinlich ist es genau dieses inkonsequente Video, dass mich zweifeln lässt, ob Solo wirklich ein cooles Lied ist. Für mich schwingt da doch immer noch eine gehörige Portion Spießigkeit mit. Passt ganz gut zu mehreren Erfahrungen, die ich gerade mit Vertretern der sehr jungen Generation zwischen 16 und 22 mache. Ich hoffe einfach mal, dass es auch unter denen genügend andere gibt, die eigene Wege ausprobieren.

Freitag, 15. Juni 2018

Capital Bra: Berlin lebt



Capital Bra ist nun also der Superstar der Szene. Vierte Nummer 1 in Folge - innerhalb von nur zwei Monaten. Gibt sich selbst die Krone in die Hand. Und jetzt wirklich wieder ein richtiger Gangster-Track mit Diss und Blingbling und Ich-bin-der-Coolste-Sprüchen.

Aber dann doch aufrichtig genug um zwar den PS-starken AMG300 und Diamanten abzufeiern, gleichzeitig aber auf den ganzen Anerkennungsmist zu spucken: Bratan ht n Schaden ... Meine Bras sind Psychopathen. - auch mit Nummer 1-Hits in der Tasche und einem Konto voller Para bleiben Bra und seine Gang Outlaws. Im Video sind mehrheitlich nicht Fitnessstudiogestählte Hengste sondern durch Drogen verlebte Kids, die weiter durchs Strobolicht springen. Gefeiert wird, dass der Antrag auf den deutschen Pass abgelehnt wird. Wer will hier schon leben mit vollen Rechten? Dieses Team ist echt krank.

Was feiert das deutsche Publikum hier ab? - Immer noch den Typen, der nach wie vor das ablehnt, von dem sich andere Rapper einwickeln lassen? Kerle, die anstandslos und schnoddrig sind, wie es sich die Mehrheit nicht traut, weil Luxus eben doch geiler ist als den ganzen Tag lang Tanke vorm Block? Oder vielleicht auch, dass Rhymes und Bildsprache hier doch noch weitestgehend zusammen passen? Keine geile Inszenierung, eher schroffe Schnitte. Bis auf die dicken Autos und einmal eine fette Armbanduhr bleibt es eben bei Hohenschönhausen. Na gut, ein bisschen Brandeburger Tor ... aber das wars dann auch schon.

Haben die deutschen Musikkäufer jetzt eher Lust auf echtes streetlife als auf Inszenierung?


Freitag, 8. Juni 2018

Namika: Je ne parle pas français - BeatGees Remix



Nimm einen möglichst Raggaton-inspirierten Beat und du hast einen HIt. Soweit das Ärgerliche an diesem Remix. Irgendwie scheint mir das zu einfach zu sein: ein bisschen gebrochener Rhythmus und alle sind glücklich. Wobei dieser Beat natürlich nicht zu hart und krass sein darf. Die Stars aus Südamerika trauen sich das durchaus - aber kaum greift ein europäischer oder deutscher Act darauf zurück regiert eher die Vorsicht, um nicht zu sagen Angst. So krass darf man es dann doch nicht machen. Wär mal auszuprobieren, wie weit das deutsche Publikum mitgeht.

Nun befinden wir uns aber im hart umkämpften Pop-Business. Und auch Namika hat sich vor drei Jahren mit Lieblingsmensch entschieden, eher in der Glitzerwelt mitzuspielen als den unbequemen Fragen nachzugehen.

Dass es auch bei Beziehungsbearbeitung und Liebesdingen keineswegs immer nur sanft zugehen muss, zeigt ihr französischer Partner auf dem Remix. Black M von Sexion d'Assaut ist kantig und ungezähmt - funktioniert auch. Hätt ich mir mehr von gewünscht.

Freitag, 1. Juni 2018

Capital Bra: One Night Stand

Capital Bra: One Night Stand

Süß. Auch Capital Bra ist also verliebt. Nach Bausa und Olexesh und und und haut es auch hier rein. Da hilft kein Kleinkriminellen-Image, da hilft keine Sonnenbrille und Luxus erst recht nicht - Krach macht es und der sonst so harte, drogengestählte MachoMann fragt sich doch tatsächlich, ob es nur ein One Night Stand ist. Allerdings nicht so leichtfüßig und locker wie vor gut einem Jahr Nimo – dem war es tatsächlich egal wie lange die Dame bleibt, der konnte den Moment genießen. Und wenn der länger dauern würde, naja ... schaun wir mal. Capital macht sich da viel längerfristige Gedanken: Weltreise, Träume von mehr, wie kann ich diese Frau nur halten? Hmmm...

Nun ist Capital noch einigermaßen jung und seine Musik vor allem etwas für seine Generation - da können die Alten eigentlich aufatmen: es geht eben doch immer noch um Liebe. Von wegen Gesellschaft, in der nur der Einzelne zählt und alles auf Krieg gebürstet ist. Die Masse der erfolgreichen Hits aus dem Rap/HipHop-Kontext erzählt nicht die Geschichten von Kollegah & Farid Bang. Soweit alles gut also.

Oder eben auch nicht: Was bewegt denn den Gangster eigentlich, jetzt einen auf Kuschelbär zu machen? Hat er doch gar nicht nötig. Zwei Nummer1 Hits in der Tasche – mit Geschichten, die eher auf klassisches Proll-Geprotze setzen. Ist Reichtum und Ruhm doch nicht alles?
Oder hat da ein Manager so lange auf ihn eingeredet, dass es jetzt mal wirklich ein richtiger Mainstream-Erfolg sein muss. Was fürs Radio. Für die Zielgruppe über 25.

Es ist sehr wahrscheinlich, dass One Night Stand der Track sein wird, der Capital mehr Geld in die Kassen spült als alle anderen zuvor. Weich und eingängig flauscht er so dahin. Hoffentlich ist ihm das nicht irgendwann peinlich.


Freitag, 4. Mai 2018

Freitag, 27. April 2018

Ariana Grande: No Tears Left To Cry



Wer hält Ariana Grande eigentlich für einen wirklichen Star?
Wenn man die Berichte über sie liest und die Teenie-Hysterie beobachtet, die um sie herrscht, dann könnte man eigentlich glauben, dass sie wirklich etwas Außergewöhnliches ist. Schaut man dann aber auf die Zahlen, bekommt dieses Bild Risse. Kein einziger Nummer 1-Hit in den USA. In Deutschland schafft es gerade jetzt No Tears Left To Cry zu Top 10 Status. Die Alben performen das schon besser. Superstar find ich trotzdem etwas arg hoch gegriffen.

Kann natürlich sein, dass Chartplatzierungen heutzutage gar nicht mehr so viel über Relevanz aussagen. Zumal die virtuelle Präsenz derzeit wesentlich bestimmender ist für das kulturelle Gedächtnis als irgendwelche Popsongs oder Alben. Und in der Hinsicht kommt man an Ariana Grande irgendwie nicht vorbei.

Auch nicht, wenn einem ihr Häschenkostüm aus der Dangerous Woman-Vermarktung zum Himmel schreiend grenzdebil erscheint. Die Kindchennummer zieht die 25jährige auch mit ihrer neuesten Nummer gnadenlos durch. Oh ja, sie darf richtig tolle Ballkleider tragen, und das Video zitiert die eine oder andere große Geste von echten Ikonen. Aber dann guck ich in ihren Unschuldslämmchen-Augenaufschlag und denke: Werd' endlich erwachsen!



Das Schlimme an Ariana Grande ist, dass sie diese dämliche Nummer des doofen Spielzeug-Girlies immer wieder und wieder spielt. Hat sie überhaupt keine anderen Träume als nur ein kleines Spielzeug zu sein? Ist ihre Vorstellung von Leben wirklich nichts anderes als Barbie-Püppchen?
Bebe Rexha und Rita Ora kriegen das doch auch hin. Und sind deshalb nicht weniger sexy.

Jetzt hat Ariana Grande also ein neues Album angekündigt. Und die Hyterie kennt scheinbar keine Grenzen. Was bedeutet das eigentlich, wenn so ein Kindchen so vergöttert wird?
Könnte sein, dass hier die Kids dieser Republik ein Idol erkennen, das ganz nah bei ihnen ist. Scheinbar nur einzweidrei Jahre älter - und schon so glamorös, so erfolgreich, so supersexy. Wie sie das nur hinkriegt? Bei Mama am Schminktisch wird das nie so gut.

Ja - Ariana Grande ist ein Star. Im Teenie-Business. Das hat für viele Bedeutung. Und man muss es sicher auch ernst nehmen. Denn die Werte, die sie verkörpert sind die Werte, nach denen wir übermorgen leben werden. Das sieht bis jetzt nicht sehr lustig aus. Und ob Ariana Grande es irgendwann mal wagt, erwachsen zu werden? So lange sie als Lolita-Baby Erfolg hat, vermutlich nicht.

Freitag, 20. April 2018

calvin harris & dua lipa:
one kiss



Es ist tatsächlich erstaunlich wie es Calvin Harris schafft mit durchschnittlichster Mittelmäßigkeit Hits zu landen. Offenbar gibt es in seinen glattgebürsteten Produktionen doch irgendeinen Funken, der einen minimalen Unterschied zu allen anderen Massenproduktionen macht. Könnte sein, dass er jeweils einen Hauch besser den aktuellen Zeitgeist erkennt.

Im Fall von One Kiss ist es mal das gnadenlos durchdefinierte 90er-Jahre-Revival. Deep House wie er vor 25 Jahren erfunden wurde und in den Clubs independentmäßig hoch und runter lief. Schön unterlegt mit damals schon Retro-Seventies-Orgel. Wir befinden uns immer noch in der Verweishölle. Das Video macht den ganzen Spaß dann auch genauso mit. Cut up/CopyPaste/Collage.



Das Schlimme an Calvin-Harris-Hits ist ja vor allem, dass sie ganz gut in das aktuelle Gefühlsleben passen, einen begleiten – aber ein halbes Jahr später kann ich mich gar nicht mehr richtig dran erinnern, dass da mal was war. Lässt sich schön überprüfen, indem man mal die Hits des DJs in einer Reihe aufgelistet sieht. Da gibt es vielleicht die Rihanna-Kollaboration This Is What You Came For, da gibt es vielleciht auch noch Summer - so richtige Gassenhauer sind das alles aber eher nicht.

Könnte natürlich sein, dass diese Kurzlebigkeit auch der Grund für Calvin Harris' Erfolg ist. Zack hab ich vergessen, wie der letzte HIt klang .... kann ich doch sofort den nächsten, ganz ähnlichen abfeiern. Für mich bleibt dieser Mann ein Phänomen.

So wenig, wie ich verstehe, was genau seine Geheimrezept ist, so wenig verstehe ich die Wahl der Sängerin für One Kiss. OK - Dua Lipa scheint ja sowas wie das neue weibliche Hitwunder zu sein. Was sie auf den Markt wirft, geht in die Top 10. Dabei strotzen auch ihre Songs eher vor mittelmäßiger Gelangweiltheit. Ich bin mit ihren Songs jedenfalls bislang noch nicht warm geworden. Das liegt ganz wesentlich an der Art ihres Gesangs.

Auch auf One Kiss zelebriert sie diese seltsam desinteressierte Haltung bis ins letzte Detail. Ein Kuss reicht, um dich in mich verliebt zu machen...
Und wenn sie dann singt, dass sie nicht mehr schlafen kann, weil in ihr gerade der Himmel herumtobt ... dann klingt das in meinen Ohren eher gequält als euphorisch.

Na gut - One Kiss könnte in in diesem Sommer begleiten. Ist nicht das Schlechteste, was uns da passiert. Man muss ja Tageshits auch nicht immer verstehen.

Freitag, 13. April 2018

Capital Bra: 5 Songs in einer Nacht

Und plötzlich ist er Nr. 1 - aus dem Stand. Vor einem Jahr hat Capital Bra sich grad noch gefreut wenn er es in die obere Hälfte der Kommerz-Charts schaffte. Und jetzt? Wiederholt er das, was zuletzt Kollegah & Farid Bang vor gut einem Jahr hingelegt haben. Allerdings mit einer Menge mehr Humor.

Das was Capital Bra mit 5 Songs in einer Nacht vorlegt, ist Kindergarten pur. Das Video albern von 1 bis 10. Hat nix zu tun mit Blyat, dem Vorgängeralbum. Das verarscht auf seine Art den kompletten Rap-Kosmos.

Schon der Beginn: Instrumentierung wie bei Jasmine Thompson oder ist es der neue Kygo. Der Refrain zum mitsingen und schunkeln - da freut sich das Volk. Das ist am Kirmes-Rap ziemlich nahe dran - und deshalb auch viel weniger lustig als Bausa. Der zieht sich ja sogar selbst durch den Kakao - das traut sich Bratan Capital dann doch nicht.



Da es von 5 Songs in einer Nacht mittlerweile ja auch die Tutorials zum Nachspielen auf Gitarre gibt, kann man getrost davon ausgehen, dass wir es hier mit einer neuen Art von volkstümlicher Alltagskultur zu tun haben. Da hat die 187 Strassenbande mit Kumpel Raf Camora so schön den Beef-Rap salonfähig und erfolgreich gemacht, und dann kommt Capital Bra und macht Zirkustanzen draus. Hmmm - die armen bösen Jungs. Die könnten jetzt echt das Nachsehen bekommen.

Freitag, 6. April 2018

The Weeknd: Call Out My Name



Gemessen an der Anzahl seiner Hits ist The Weeknd kein Superstar. Gemessen an der Aufmerksamkeit für seine Veröffentlichungen schon. Gerade hat er seine EP My Dear Melancholy veröffentlicht - vorerst nur digital - schon steht der Eröffnungstrack Call Out My Name hoch in den Charts. Das schaffen andere Acts natürlich auch. Sogar noch erfolgreicher. Und trotzdem scheint das bei The Weeknd bedeutender. Warum eigentlich?

Wesentlich ist sein Karrieresprung vor zwei Jahren. Da machte er nicht nur mit ungewöhnlichen Songs auf sich aufmerksam, sondern vor allem auch mit Videos, die vor Verweisen nur so strotzten. Und tatsächlich eine eigene Welt schufen.

Für Call Out My Name geschieht Ähnliches. Nach einem elend langen Intro in Blau springt das Video von einer Szenerie zur nächsten – hoch artifiziell bis rau realistisch, reduziert und zurückgenommen bis opulent. Nach diesem Bilderrausch spätestens ist auch der Song, der erstmal nahtlos in das Weeknd-Repertoire reinpasst, geadelt. Pop als Inszenierung auf allen medialen Kanälen.

Leider gehört zu dieser Art von Vermarktung auch die Schnellebigkeit. Ob Call Out My Name tatsächlich in der kommenden Woche noch Bedeutung besitzt, ist nicht sehr sicher. Da muss der Song erst noch seine Qualitäten beweisen.

Freitag, 30. März 2018

RAMZ: Barking



entspannter Laid back-HipHop - ist britischer Rap irgendwie massenkompatibler? - auf alle Fälle mit einem gehörigen Schuss Soul versehen - Und die Geschichte ist schon auch eher Allgemeingut, das könnte so nahezu jedem passieren - Glöckchen-Sound machts dann noch gefälliger - Autotune-Effekt, klar, ohne gehts halt derzeit nicht


Freitag, 23. März 2018

Azet Feat Zuna und Noizy: Kriminell

Immer noch Abfeiern des ach so geilen Gangsterlebens.
Kriminell als Gegenentwurf zu spießig.
Im Video dann aber all die Luxuszeichen, die sich vor allem auch der Spießer wünscht.
Azet/Zuna/Noizy als Abziehbild derjenigen, die sich nicht trauen - aber eigentlich auch gern Halbwelt und unabhängig sein möchten.

Immerhin:
Wir haben Flaschen auf dem Tisch, aber trinken Wasser.
Da gibt es also doch den Kodex mit Regeln und Verboten. Von wegen kriminell ist das unbeschwerte Leben. Muss man ganz schön aufpassen und sich selbst beherrschen, dass es nicht falsch bei den Jungs ankommt.

Überhaupt Selbstbeherrschung - das ist ja das große Thema der Jungs von der Straße. Du kannst es nur schaffen, wenn Du Dich selbst bezwingst. Stähle Deinen Körper und kämpfe. Alle anderen sind Weicheier. Insofern nutzen all die Luxusgüter gar nichts, weil die höchstens die streng antrainierte Härte durch Genuss verweichlichen. Azet sieht auf seinem Albumcover zu Fast Life eben auch nur aus wie der gepuderte Posterboy aus der Modezeitung. Der dann zu allem Unglück auch noch die selben Posen hinlegt wie der kriminelle Straßengangster.

Ach je - das ist insgesamt schon sehr schwierig mit der ironisch-zynischen Popkultur.

Freitag, 16. März 2018

Rudimental Feat. Jess Glynne Macklemore & Dan Caplen:
these days



gospeleskes Lied über vergangenes Beziehungsglück - sehr Macklemore-Style, ein bisschen elektro-dance-mäßig aufgepeppt durch Rudimental

Freitag, 9. März 2018

Marshmello & Anne-Marie: Friends

Marshmello & Anne-Marie: Friends



lauschige Urlaubsgitarre (Karibik?) - ein Beat setzt ein - es bleibt leicht angereggaet - Calvin Harris hat es kürzlich zusammen mit pharrel so ähnlich schonmal vorgemacht - ist trotzdem nett eingängig

zweiter Titel innerhalb kürzester Zeit, der das Thema "Freundschaft" durchspielt - Beziehung will offenbar keiner mehr - oder kann keiner mehr
positiv erzählt: moderne Netzwerke zählen mehr - Freundschaften halten vielleicht länger als ein Leben - oder haben wir es hier mit Angst vor zu viel Nähe zu tun?

irgendwie auch ein Kindergartensong



Anne-Marie spielt im Video ein wenig die eingebildete Zicke


Freitag, 2. März 2018

Olexesh Feat. Edin: Magisch



Olexesh findet sich und seinen Körper - wie die meisten Rapper - ziemlich geil. Da muss man sich nur mal das Video von MOP anschauen. Ein bisschen zu viel im Fitnessstudio trainiert, trotzdem auch ein bisschen zu ungesund ernährt - das findet er selbst absolut sexy. Naja, kann ich mir auch vorstellen, diesen Typen mal ordentlich ranzunehmen, aber mit Sicherheit ganz anders als er sich das vorstellt. Das ist dann eher so die Nummer, in der vor allem eine Rolle spielt, wer zuerst sein Gesicht verliert.

Auf seinem aktuellen Singlehit Magisch präsentiert sich dann Olexesh ganz anders: verliebt nämlich. Und das ist schon überraschend, dass er hier förmlich zum Frauenversteher mutiert. Er macht Komplimente, erzählt sogar echte Geschichten. Weggeblasen der krasse Junge aus dem Armenviertel.

Dazu engagiert er sich dann mit Edin einen Sänger, der sehr gern die Nachfolge von Xavier Naidoo antreten möchte. Soulful leidend und ganz schön fahrstuhlmäßig singt er den unsäglichen Refrain. Das tut dem Track leider gar nicht gut, bringt aber ordentlich Airplay und Gefälligkeit ein, so dass Magisch wirklich auf Dauerschleifenmodus laufen kann und so sicher auf diese unendlich vielen Streams kommt.

Spannend ja auch, dass es dann doch eher die soften Liebeslieder sind, die den harten Gangstern Charterfolge einbringen. Maximal Kollegah & Farid Bang haben es da noch drauf und generieren auch mit Brutalo-Tracks Nr.1-Hits.
Die Zukunft gehört also wahrscheinlich doch dem Schlager-Rap. Und spätestens damit dürfte sich die Frage geklärt haben, wie lange die HipHop-Invasion noch anhalten wird.

Rätselhaft bleibt eigentlich nur, warum das Video zum Track unbedingt irgendwo in China gedreht werden musste. Wahrscheinlich wie so oft: weil man's halt kann. Langweilig!

Freitag, 23. Februar 2018

The Chainsmokers: Sick Boy



Können es die Chainsmokers dann doch? – Nachdem ich Sick Boy das erste Mal gesehen hatte, war ich einigermaßen überrascht. Tatsächlich habe ich Lust, den Track noch ein zweites Mal zu hören. Das kam das letzte Mal bei den beiden Jungs vor gut vier Jahren vor, als sie mit Selfie einen hübsch ironiegetränkten Abgesang auf die Selbstinszenierung hinlegten. Danach verfielen sie selbst komplett dem selbstverliebten Gebaren.

Und nun Sick Boy. Fulminant, wie wir es gewohnt sind. Pathetisch wie nicht anders erwartet. Und genau deshalb vollkommen überzeugend. Denn in Sick Boy geht es um eine gnadenlose Beschreibung des Lebens in 2018: Mediale Öffentlichkeit, Oberflächlichkeit, Selbstoptimierung, Hysterie und die permanente Überforderung durch Entscheidungsfreiheit. Das alles steckt in dem Track.

Und die Produktion bleibt nicht einfach beim selbstgenügsamen Jammern – hier positioniert sich jemand lautstark und trotzig. Man kann auch existieren und leben, wenn man gerade nicht Everybody's Darling ist. Was sind schon 1.000.000 Likes wert? Schaff das erstmal, damit umzugehen, dass dich die einen hassen während die anderen dich lieben. Und wer weiß schon, wie es wirklich in mir aussieht? Vielleicht nichtmal ich selbst.

Freitag, 16. Februar 2018

Liam Payne & Rita Ora:
For You (Fifty Shades Freed)

Es geht ganz pathetisch fulminant los mit Computer-Streichern. Ebenso pathetisch spaziert Rita Ora durch einen Schlossgarten. Das ist in bester Globalpop-Manier inszeniert. Die Träume aus Nahost sehen ungefähr genauso aus: verklärter Romantik-Historismus.



Das ist natürlich auch genau das, was die Grey-Fans erwarten. Schmonzetten-Drama in möglichst unbeschwerter, das heißt reichtumgeschwängerter Umgebung. Wir wollen uns gern vormachen, dass auch dei Reichen und Schönen dieser Welt nicht einfach so glücklich sein können. Ex-Liebhaber und jede Menge Eifersucht steht da als hürde im Weg. Aber klar – am Ende kommen die beiden doch zusammen...

Die 2010er kennen eigentlich schon eine ganze Menge an anderer Lebens- und Liebeskonstellationen. Das verschweigt das Mainstream-Kino aber nur zu gerne. Was zählt ist nach wie vor der Romantikzinnober aus dem 19. Jahrhundert. Utta Danella und Rosamunde Pilcher lassen grüssen.

Die Musik zum Film versucht mit dem Refrain einen kurzen Moment land etwas moderner zu werden, ein Rhythmus wird dazugemischt, Rita Ora tanzt und dann singt fast tasächlich 2010-mäßig Liam Payne. Aber auch diese Zutaten holen den Song nicht mehr raus aus dem bräsigen Popkitsch, der mich arg an die Mittelmäßigkeit von 90er Jahre Produktionen erinnert. ZAYN & SIA sind da um einiges weiter: Mehr Bombast, mehr Kitsch, mehr Mut zu nicht ganz einfachen Harmoniefolgen.

For You ist Massenware. Für ein Publikum, das sich gern in Schnulzigkeit verliert. Dabei aber keinen Moment etwas riskiert, das die vorgezeichneten Wege verlässt. Wirkliche Überraschungen sind ausgeschlossen. Zwischentöne oder Sichten abseits von Schwarz & Weiß ungewollt. Schöne langweilige Märchenwelt.

Freitag, 9. Februar 2018

UFO361 AT Beatz x Jimmy Torrio: Beverly Hills



In irgendeiner der Jahresrückblicke dieser schlauen Musikmagazine stand so ein Satz wie: "Seit froh, dass 2017 deutscher HipHop so erfolgreich war, denn in 2018 wird kein Hahn mehr danach krähen." Nun - UFO361 könnte schonmal der Gegenbeweis sein, denn sein jüngster Track Beverly Hills prasselt mal so was von rein in die deutsche Chartspitze – Platz 4 in der ersten Woche nach Veröffentlichung, bester Neueinsteiger in 2018 so far, beste Platzierung seiner Karriere ... da geht also grad einiges.

Ist natürlich auch klar, warum. Beim allerersten Hören von Beverly Hills finde ich schon deutliche Anleihen an den Sound von RIN oder Bausa. Der Straßenrecke schielt also durchaus auf die Erfolgskonzepte der weichgespülten Raop-Stars. Umso witziger ist es, dass er in seinen Lyrics permanent behauptet, dass er es geschafft hat ohne sich zu verbiegen, ohne Kompromisse, ohne die Hilfe anderer. Nunja, das ist ja gerade auch sehr weit verbreitet: Möglichst viele Klicks erreichen mit behaupteten Dingen, von denen es auch egal ist ob sie so gemeint waren oder nicht.

UFO361 feiert sich und seinen Fame also – und wir schauen ihm dabei zu.



Was den Track dann vielleicht wirklich erfolgreich macht ist die Produktion. Da stehen hinter dem Rapper schon auf dem Coverbildchen AT Beatz & Jimmy Torrio. Beide keine Unbekannten.

Dass zunehmend die Producer in den Videovorspännen und sogar auf den Covers prangen beschreibt eine neue Entwicklung, die wir aus der Pop-Welt schon ganz gut kennen. Wichtig sind weniger die Gesichter, die vorn dran stehen. Wichtig sind die Magier an den Knöpfen. Würde mich nicht wundern, wenn wir schon bald den ersten Boney M./Milli Vanilli-Skandal im HipHop-Business haben und feststellen: Der Typ, der da so frech in die Kamera grinst, hat die Rhymes gar nicht selbst beigesteuert...

Freitag, 2. Februar 2018

Drake: God's Plan



Es sind gut anderthalb Jahre vergangen seit der kanadische Rapper Drake wie ein Blitz den Nerv der Musikkaufenden in Deutschland und aller Welt mit One Dance traf und sich so als einer der heißesten Acts des nordamerikanischen Kontinents etablierte. Das strahlt irgendwie bis heute aus. Und so ist es fast schon kein Wunder, dass in diesem Moment einer seiner neuen Songs zum ersten wirklich neuen Hit von 2018 wird.

Wobei es da schon auch eine kleine Schrägheit zu beobachten gibt. Genau genommen ist nämlich God's Plan nur im Bundle mit Diplomatic Immunity zu haben – so behaupten es jedenfalls die offiziellen Mitteilungen. Scary Hours nennt sich die Mini-EP (früher hieß so ein Zwei-Titel-Ding Single), die da seit 19. Januar erhältlich ist. Und natürlich ist es wie in früheren Zeiten: Ein Song setzt sich durch, steht in den Listen und die B-Seite interessiert eigentlich keinen. Obwohl auch das wieder nicht der vollen Wahrheit entspricht: In den USA bringt es Diplomatic Immunity parallel bis auf Platz 7 – auch in der Schweiz und Österreich hat dieser Song einige Fans gefunden. Nur in Deutschland - da gelten mal wieder gesonderte Regeln und der Titel, der da offiziell in den Charts landet ist God's Plan.

Was den Track so unwiderstehlich und einmalig macht? Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Genaugenommen ist es die 1:1-Fortsetzung seines Albums More Life. Gewohnt entspannter Beat, Lyrics und Rhymes mit einem winzigen Vocoder-Effekt drauf, das Ganze auch ein bisschen vernebelt – das tuckert im besten Fall schön als Hintergrundmucke durch die Spielzimmer der Nation.

Und ja, auch die Lyrics sind dann näher besehen nichts anderes als Durchschnittsgelaber: Es gibt Leute, die wollen mir nur Schlechtes – mir egal, ich schaff's auch ohne fremde Hilfe. Liebe? Eigentlich liebe ich nur mich selbst (mein Bett - haha) und meine Mami...

Is schon immer wieder krass, wie sehr die harten Jungs – ob sie nun StraßenHipHop oder weichgespülten Mainstream-Raop machen – immer wieder und nur auf ihre Mami abfahren. Familie – das ist das große Ideal. Mami – das ist die einzige und perfekte Frau. In so einem Umfeld ist nicht viel an Freiheit möglich. Vor allem ist es nach außen hin reichlich feindselig. Alles was nicht Familie und Mami ist, das hat keinen Wert, das ist im schlimmsten Fall sogar bekämpfenswert, weil es zum Beispiel das kleine beschauliche und beschützte Leben durch seine irgendwie andere Existenz bedroht.

Bei Drake ist die Familie ein klein bisschen größer definiert. Im Video feiert er seine schwarze Community. Das sind seine Brüder und Schwestern. Da kommt er her. Und weil er um die Scheiß-Lebensbedingungen weiß, spendet er mal kurzerhand knapp 1 Million Dollar.



Das ist natürlich ein ziemlich geiler Vermarktungstrick, der auch ans Herz geht. Im Supermarkt können seine Bros und Sis endlich mal einpacken, was sie wirklich begehren, die Kids kriegen alle ein hübsches Spielzeug und in der Shopping Mall gibt es Gutscheine. Ja, es geht auch ein bisschen nachhaltiger – wenn Drake sein Geld der high School gibt, dann ist es vielleicht nicht schon nächste Woche alles verbraucht. Dennoch, es bleibt zu befürchten, dass diese Aktion nur ein kurzes Glück nach sich zieht.

All das lässt sich natürlich auch an anderen Spendenaktionen kritisieren. Deshalb muss ich hier mit Drake auch nicht allzu hart ins Gericht gehen. Zumal im Zusammenhang mit der Aktion der Text des Tracks doch nochmal eine ganz andere Bedeutung bekommt. Statt auf die Rettung durch Gott zu warten oder sich in ein vermeintliches Schicksal zu ergeben, nimmt Drake mal einfach die Sache selbst in die Hand. Und fordert damit auch alle auf, die da gerade auf der anderen Seite sitzen und auf Almosen angewiesen sind: Packt die Zustände selbst an, kümmert euch, wartet nicht auf den Retter – und in diesen Zusammenhängen ist der Verweis auf Familie und Verwandtschaft nochmal anders zu lesen. Als Gemeinschaft, egal ob durch Gene oder von außen definierte Zugehörigkeit bestimmt, ist man stärker als beim Einzelkämpfertum.

Drake macht mit seiner Aktion also auch deutlich: Dieses eine Mal kann ich euch helfen – um dauerhaft die derzeitigen Zustände zu ändern, müsst ihr aber schon selbst aktiv werden. Mehr als eine Starthilfe kann die Unterstützung von Außen nicht sein.
Und wartet bloß nicht auf Gott. Oder einen Popstar.
Das ist mal wirklich einigermaßen klug.

Freitag, 26. Januar 2018

Martin garrix & David Guetta (Feat. Jamie Scott & Romy Dya):
So Far Away



Was genau ist der Unterschied zwischen So Far Away von Martin Garrix & David Guetta und einer beliebigen Erfolgsproduktion von den Chainsmokers?

Und genau das ist das Problem an diesem Song. Zwei EDM-Recken, die durchaus das Genre geprägt und beeinflusst haben, tun sich zusammen und kopieren gängige Produktionsweisen. Ja, das ist der Sound der Stunde – der Erfolg war einkalkuliert – aber wo bleibt das Visionäre? Oder – wenn man Visionen ohnehin nicht so mag – wo bleibt das Eigene? Das ist David Guetta schon seit einiger Zeit abhanden gekommen. Und Martin Garrix? Genaugenommen war sofort nach seinem Durchschlagshit Animals Schluss mit Unverwechselbarkeit. Schade.

Wenn man also musikalisch schon nicht so wahnsinnig viel Aufregendes zu bieten hat, dann muss man eben beim Video ordentlich klotzen. Und da kommt So Far Away schon mit ein paar eindrucksvollen Effekten und Bildern daher.



Das ist schon ganz schön ordentlicher Romantik-Bombast. Rosen, die mit mindestens giftigem Nebel beschossen werden, aber trotzdem überleben. Uiuiui.
Na gut – Kitsch gab und gibt es zu jeder Zeit. So sieht er also 2018 aus. Spannend ist da höchstens, dass sich die Zeichen scheinbar über Jahrhunderte nicht verändern. Die Rose zum Beispiel als die besondere Blume der Liebe, des Zusammengehörens, der Romantik.

So Far Away ist also für heute junge Menschen (und ältere) das, was Rosamunde Pilcher für Menschen ist, die so zwischen 1930 und 1950 geboren wurden. Oder die nie so richtig aus ihrem Heimatdorf rausgekommen sind.
Insofern: Erfolgreich: ja - bedeutend oder gar andauernd: nein.

Freitag, 19. Januar 2018

Ofenbach Vs. Nick Waterhouse: Katchi



Für mich gibt es ganz eindeutig ein Musikvideo aus 2017, dass den Spitzenplatz auf bootube verdient hat: Be Mine vom französischen DJ-Duo Ofenbach. Zwei kleine Jungs träumen feucht und haben das Gefühl, dass das jetzt der Mittelpunkt der Welt wäre - peinlich.

Immerhin hat Be Mine als gut eingängiger Track ordentlich Ohrwurmcharakter gehabt und sich so auch über den letzten Sommer zum HIt entwickelt. Tatsächlich war die Mischung aus Housebeats und Gitarrenakkorden zwar nicht wirklich neu, aber sehr passgenau zusammengefügt. Die richtige Mischung zur richtigen Zeit.

Beim Nochfolger Katchi ist es ganz ähnlich. Auch wenn mir der Gesang von Nick Waterhouse dann doch schon eine Nummer zu aufgesetzt cool daher kommt. Das ist insgesamt zu viel gewollt, zu bewusst inszeniert – dadurch auch immer mit einem ironischen Abstand. Will ich das: Ironisch tanzen?



Das Video entspricht dem musikalischen Eindruck. Eine völlig schräge Inszenierung mit einem Gestalten-Sammelsurium aus der Faschingskiste. Kann man machen, kann man lustig finden, ist aber insgesamt eher belanglos langweilig. Vor allem, weil es in seiner Abstrusität keine Steigerung erfährt. Da sind Robin Schulz & Hugel doch um Längen überraschender.

Den Zeitgeist haben Ofenbach mit Katchi ganz gut getroffen. Der Song ist jetzt schon erfolgreicher als sein Vorgänger. Nummer 1 in Frankreich, Top 10 in Deutschland. Das ist auch ein bisschen schade, weil es mich vermuten lässt, dass die beiden unfertigen Jungs jetzt ganz schnell nochmal das gleiche Rezept anwenden und dann ist es wirklich nur noch Modern Talking. Ich bin mir sicher, dass ein paar Jahre mehr an Lebenserfahrung nicht nur den DJs sondern garantiert auch ihren Produktionen sehr gut tun würden.

Freitag, 12. Januar 2018

G-Eazy & Halsey: Him & I



Tatsächlich gibt es seit ein paar Wochen immer wieder mal so einen verrückt-süßlichen Popsong voller Romantik und Liebesschwüre, der durch die Shisha-Bars der Stadt singt und ziemlich krass im Gegensatz zu dem Elektro-TropicHouse und Deutschrap steht, der ansonsten überall zu vernehmen ist. ZAYN & SIA, Louis Tomlinson & Bebe Rexha, auch die neueren Songs von Rita Ora und hier G-Eazy & Halsey.

Tatsächlich erinnert die Kombi bei Him & I ein wenig an die Bonnie & Clyde-Geschichte von ZAYN & SIA. Auch wenn es stilistisch komplett anders zugeht. G-Eazy als die Reinkarnation von EMINEM - authentisch cool und auch ganz schön abgerotzt bringt er den Straßencharme in den Song. Halsey, zumindest im Video auch ordentlich auf Vorstadtbraut getrimmt, fügt mit ihrem Gesang die emotionale Seite hinzu. So richtig klebrig wird's aber dann vor allem durch den textlosen Refrain. Der sitzt im Ohr und lässt mich nicht mehr los.

Die ziemlich klassische Rollenverteilung wird dann glücklicherweise gebrochen indem G-Eazy tatsächlich auch über die Schönheit von Zweisamkeit rapt: Gemeinsam Party feiern, auf Drogen abstürzen und einander vertrauen. Das ist wirklich mal eine aufrichtige Liebeserklärung ganz fernab von Rosamunde Pilcher und anderem Romantik-Geschwafel. Halsey wie schon erwähnt ist alles andere als das kleine Mädchen, das nur auf den Traumprinzen gewartet hat. Nicht nur im Video ist sie frech, selbstbewusst, könnte ganz gut auch allein durchs Leben gehen, sie hat kein Problem damit zuzugeben, dass es ihr nicht unbedingt leicht fällt, die Wahrheit zu sagen. Und trotzdem kann sie am Ende bekennen, dass es den Einen gibt und es jetzt genau darauf ankommt.

Mit dieser sehr gleichwertigen Präsenz der beiden hebt sich der Song schön ab von dem, was sonst ganz gern bei der Kombination Rapper-Sängerin rauskommt. Und wirklich überzeugend ist, dass das Ergebnis deswegen keineswegs weniger sexy ist.



Zu guter Letzt ist dem Song ein wirklich authentisches Video hinzugefügt. Verwackelte Kamera, unscharfe Bilder, Alltagsszenen. Das Paar beim Rumalbern in der U-Bahn, beim Kochen, abhängend in irgendeiner Bar. Verliebtheit hat viel mit Alltäglichkeit zu tun, die dann einfacher, schöner, lustiger, unbeschwerter verläuft. So viel Realismus kommt selbst in reinen Rap-Tracks nur ganz selten vor.

Freitag, 5. Januar 2018

Nico Santos: Rooftop



Das Interessante an Nico Santos ist wohl weniger sein aktueller Hit, als vielmehr seine musikalische Biographie. Mark Forster, Shindy, Bushido, Helene Fischer – ein wildes Sammelsurium verschiedenster Genres und Stile. Die jungen Pop-Autoren lassen sich von nichts abschrecken. Positiv formuliert sind sie einfach vielseitig, talentiert und ein guter Song ist und bleibt ein guter Song, egal ob es als weichgespülter Schlager oder harter Straßenrap daher kommt. Negativ drauf geschaut, ließe sich auch behaupten: kein Rückgrat, beliebig, Durchschnittsware. Kann sich jed*r selbst aussuchen, welche Sicht der Dinge die eigene ist.

Was diese Einsätze über alle Grenzen hinweg auf alle Fälle schön demonstrieren: Die in manchen Sparten gern vorgeführte martialische Opfer- oder auch Übermensch-Haltung des einen puren Stils, der besonders lebensnah oder echt ist, die wird schön vorgeführt als Show. Wer es also immer noch nicht begriffen hat: erfolgreicher DeutschRap ist nichts anderes als Schlager mit anderen Mitteln. Wenn also während der nächsten Malle-Saison wieder die Strassenbande aus allen Boxen dröhnt, dann ist das schon genau der richtige Ort für die Jungs, die sich so gern als Krieger inszenieren.

In diesem Umfeld platziert sich also der erste Solohit von Nico Santos Rooftop. Internationaler Poprock – das ist die Schublade. OneRepublic und Welshly Arms standen musikalisch Pate. Nico Santos selbst verleiht dem Song per Video dann noch eine gehörige Portion Teenie-Popstar-Glanz. Fertig ist der Song über den verliebten jungen Mann, der seine Liebe, sein Glück, sein Verlangen vom Dach herunterschreit.



Das alles ist ein schönes Popmärchen. Auch schön zeitlos. Und wahrscheinlich ist genau das das Geheimnis von Nico Santos. Er weiß in seinen Songs ganz gut das zu beschreiben, was ihn bewegt. Damit ist er nah dran an den Stimmungen einer jungen Generation, die in ganz vielen Dingen gar nicht so anders ist als die Generationen zuvor.