Freitag, 4. August 2017

J Balvin & Willy William: Mi Gente



Ist das der nächste lateinamerikanisch infizierte Superhit? – Gut möglich.
Und was ist an dieser Produktion besser als an Despacito?

Erstmal, dass Mi Gente auf das kitschig-süßliche Latino-Hit-Umfeld verzichtet. Es gibt da recht wenig schwülstig getragene Gitarrenklänge oder Rumba-Samba-Lambada-Gewäsch. Dagegen mischt die Produktion die durchaus lateinamerikanischen Rhythmen mit zeitgemäßen westlich-europäischen Stilmitteln. Im besten Fall ist das eine Fusion, wie sie durch DJs/Produzenten wie Snake oder Diplo schon eine ganze Weile zelebriert wird. Willy William ist also der nächste in der Riege der mutig Kombinierenden und Mixenden.

Heraus kommt eine Mischung, die sowohl in Kolumbien als auch in Frankreich funktioniert. Spannend ist dabei zu beobachten, dass der Kolumbianer sich insgesamt viel westlich-europäischer inszeniert, als wir das aus den vielen verklärten Reportagen und Reiseberichten gewohnt sind. Und der Franzose Willy William zitiert ganz fröhlich eine Folklore, die nicht wirklich seine ist. Sehr hübsch wie in einer globalisierten und sich mehr und mehr mischenden Welt die Verweise und traditionellen Bedeutungen verschwimmen und auflösen. Ist das nun afrikanisch, europäisch, lateinamerikanisch?



Konsequenterweise fehlt im Video zu Mi Gente auch weitestgehend das karibische Palmen- und Strandgedöns. Statt ständig heißer Tag am Strand ist es auch mal Nacht. Der Danceclub ersetzt die Latino-Disco. Und die folkloristische Wandbemalung ist lediglich digital animiert und mit einem Fingerschnipsen weg.

Hier entsteht eine dunkle Welt, die an Blade Runner erinnert, und trotzdem wesentlich mehr Spaß und Lebensfreude vermittelt. Warum soll es auch in einer kulturell-durchmischten Welt keine schönen Seiten und Momente geben. Nur weil wir nicht mehr am jahrhundertelangen Paartanz festhalten, heißt das ja nicht, dass es nicht weiterhin um Paarungsrituale geht.

An Mi Gente überzeugt mich am Ende vor allem der sparsame fast minimalistische Einsatz der musikalischen Mittel. Visuell bunt - akustisch auf den Punkt reduziert: Rhythmus, ein paar Percussion-Elemente, Gesang und ein endlos wiederholter Loop. Brauchen wir mehr für eine gute Party?

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