Sonntag, 18. August 2013

CASPER: Im Ascheregen



Deutschrap ist momentan derartig populär, da kann einem schon fast Angst und Bange werden. Vor allem, wenn man sich die Verkaufserfolge der in den letzten Monaten veröffentlichten Alben anschaut. Da finden sich also solche Typen wie Shindy, RAF 3.0, Genetikk, Kollegah und Farid Bangund jüngst auch Alligatoah auf Platz 1 der deutschen Album-Charts – alles Jungs (mal ausgenommen der letzte, der in seiner naiv-harmlosen Art eher als sinnfreier Komiker rüberkommt), die sich gern als die Ghetto- und Unterwelt-Kings aufspielen und dabei keine Möglichkeit auslassen um irgendwie auf sich aufmerksam zu machen. Auch wenn’s auf Kosten anderer geht. Und viele kleine und unbefriedigte Jungs mögen es, kaufen es … und glauben hoffentlich nicht den ganzen Scheiß, der da erzählt wird. Sonst wär’s um diese Gesellschaft tatsächlich eher traurig bestellt.

Glücklicherweise gibt es seit gut zwei Jahren aber auch die komplette Gegenkultur, die von den bösen und aggressiven Jungs natürlich überhaupt nicht ernst genommen wird, weil da ja der ungebändigte, urwüchsige und ungezügelte Brachial-HipHop verweichlicht wird: CRO, Marteria und CASPER sind hier die Vorzeigebuben. Der letzte hat nun gerade sein Album Hinterland am Start mitsamt Vorgeschmackssingle Im Ascheregen.

Sicher, das was da geboten wird klingt nicht nur viel sanfter, sondern ist damit auch ungemein mainstream- und radiotauglicher – der extra dafür erfundene Begriff RAOP bringt’s direkt auf den Punkt. Dieser Pop-Rap ist deswegen aber nicht weniger authentisch oder nur weichgespült. Genau genommen ist das wahrscheinlich sehr viel mehr an der Lebensrealität junger Menschen dran. Klar gibt es auch die harten Neubaublock-Biographien, es gibt jede Menge soziale Verlierer und es gibt auch das, was gern unter mißglückter Integration zusammengefasst wird. So wie es die "bösen Jungs" aber glorifizieren und darstellen ist es nur ein selbstmitleidiges und romantisches Abziehbild, ein Style-Accessoire. Sagt ja Bushido selbst immer wieder, zumindest wenn ihm mal wieder ein Medienskandal gelungen ist und die Talkshows nach ihm lechzen.

Da schaut CASPER doch deutlich anders auf die Welt. Das, was er an Wut im Bauch hat, das nutzt er um sich von der verhassten, langweiligen und durchgeplanten Spießerwelt loszusagen. Er macht den Zirkus, der ihn fertig macht, nicht einfach mit. Er nimmt Heizöl, Benzin, Dynamit und fackelt sein altes Leben ab. Ja – das sind krasse Mittel. Aber es ist gleichzeitig auch der Versuch eines Neuanfangs.



Das ist die Stärke der jungen Pop-Rapper: sie suchen nach eigenen Wegen, sie werden aktiv. Sei es die Flucht ins hedonistische Vergnügen, sei es die Suche nach dem Glück irgendwo in der Welt da draußen, sei es der Ascheregen. Ghettogangster-Romantik, die nur das Recht des Stärkeren kennt ist langweilig, gibt keine Perspektive. Dort gilt immer noch der beknackte Werte-Quatsch von Idioten, die man doch eigentlich nicht mehr sehen und hören will. Wer hat darauf eigentlich noch Bock?

Dass es mit den Neuanfängen nicht ganz so einfach ist, zeigt uns das Video zu Ascheregen. Eine religiöse Heilserlösungsgeschichte samt weißem Büßer-Gewand – was soll uns das eigentlich erzählen? An dieser Stelle hätte ich mir jetzt doch ein paar zeitgemäßere Bilder gewünscht. Zumindest ist für mich Religion weder das Grundproblem, noch die Lösung. Aber daran können wir uns ja später noch mal ein bisschen mehr abarbeiten.




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