Freitag, 1. August 2014

Marlon Roudette: When The Beat Drops Out


Marlon Roudette kündigt sein zweites Album mit einer Vorab-Single an. Ehrlich: Mich hat es bei dieser Nachricht erstmal geschüttelt. Zu präsent ist mir noch das unsägliche New Age, das an sich schon ein ordentlich weichgespülter Titel war, dann aber im Herbst 2011 per Endlos- und Dauereinsatz auf allen möglichen Kanälen richtig penetrant wurde. Wenn irgendetwas an dem Titel gut war, dann wurde es damit restlos und endgültig zunichte gemacht.

Vor einem neuen Werk hatte ich also entsprechend Angst: Eventuell ist das wieder so eine Romantik-Nummer, die vor allem den Formatradioprogrammdesignern gefällt und wunderbar die Hörtapete für die kommenden Monate abgibt. Grrrrrr ....

Aber When The Beat Drops Out erweist sich dann doch als sehr viel weniger schlimm. Das ist dann das Gute an schlechten Vorurteilen – man kann eigentlich nur positiv überrascht werden.

Im Fall von When The Beat Drops Out gelingt das schon mit den ersten Tönen. Da sind Marimba-Klänge zu hören. Schon spulen sich die Karibik-Assoziationen durch den Kopf: Wird das jetzt eine Urlaubs-Ethno-Nummer, die ein bisschen auf die Fake-Brasilien-Präsenz der letzten Wochen aufsetzt? Oder ist das eine Reminiszenz an die 80er und 70er als Verweise auf Südsee-Idylle nahezu die komplette Gesellschaft in Verzückung versetzten? Und hatte nicht eine der vergangenen Smartphone-Generationen dieses Geklimper als Klingelton einprogrammiert? – Gute Voraussetzungen für die schlimmsten Effekte. Aber: Nein – all das findet nicht statt. Marlon Roudette weiß recht geschickt das Instrument einzusetzen als Anklang, als Erinnerung. Deutlich genug um eine süß-nostalgische Stimmung aufkommen zu lassen, aber dann doch kombiniert mit einem zeitgemäßen Beat und Sound, so dass plötzlich sogar die Marimba etwas westlich-zeitgemäßes bekommt. Fast klingt das Ganze ein bisschen elektronisch.

Und damit wird When The Beat Drops Out zu einem Track, der auch in der Großstadtlounge funktioniert. Natürlich genausogut als Strandbar-Sommerurlaubs-Untermalung, aber weniger als etwas, das einen unbekannten oder exotischen Fluchtort beschwört – der Song ist hier und jetzt, Pop im besten Sinne und vielleicht fast so etwas wie die Fortsetzung von Big City Life neun Jahre später.



Natürlich bleibt Marlon Roudette seinem Image als romantischer und sensibler Mann treu. Mit When The Beat Drops Out macht er das, indem er seine Gefühle, das was ihm geschieht, beschreibt als etwas, das ihm so ähnlich beim Komponieren und Musizieren passiert. Er hat zwar eine Idee, vielleicht ist es auch ein Plan oder bloße Neugier – was davon aber gelingt, was daraus entsteht, das ist nicht vorhersehbar. Der Zufall spielt eine recht bedeutende Rolle.

Und irgendwie gefällt mir diese Haltung. Sie lässt tatsächlich offen, das Überraschungen passieren, das eben nicht alles bis ins Detail planbar ist: Beziehung, Ehe, Haus, Kinder, Rente. Es bedeutet auch: Nimm die Gegebenheiten an, gehe damit um, genieße das Schöne daran. Auch wenn mal nicht ganz klar ist, wo das alles hinführt. Schönheit entsteht eben auch durch Unvorhergesehenes.

So überzeugt und bewusst, fast lebenslustig habe ich Marlon Roudette bisher nicht erlebt.

Trotz dieser positiven Überraschung bleibt When The Beat Drops Out ein bisschen gefährlich – oder sag ich vielleicht besser: gefährdet. Wie derzeit eigentlich alles, ist auch dieser Titel bereits Opfer zahlreicher Deephouse-Remixe geworden. In den besten Versionen bleibt die etwas distanzierte Haltung des Songs erhalten, die meisten verlassen sich dann aber doch lediglich auf die Marimba-Hookline und präsentieren eine schnell nervende Sun Of Jamaica-Hymne.




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