Samstag, 6. Dezember 2014

Band Aid 30: Do They Know It's Christmas? (Deutsche Version)

Ich hab's ja schon angekündigt. Nachdem ich mich in der letzten Woche der britischen Neuaufnahme des Weihnachts-Spenden-Projekts gewidmet habe, ist nun die deutsche Variante an der Reihe. Erstmals seit 1984 haben sich Musik-Größen aus Deutschland daran gemacht, die britische Idee direkt zu unterstützen. Das ist mal was Neues.

1984/85 versammelte Wolfgang Niedecken nach britischem und US-amerikanischem Vorbild eine recht illustre Schar als Band für Afika und nahm den eigens komponierten Titel Nackt im Wind auf.
2003 waren es Casting-Sternchen wie die No Angels, Bro'Sis oder Overground, die unabhängig und eigenständig Do They Know It's Christmas? noch einmal einspielten und mit einem Teil des Erlöses die SOS-Kinderdörfer unterstützten.

Nun also offiziell und zeitgleich zur britischen Kampagne die deutschsprachige Version. Ich wiederhole meine Vermutung aus der letzten Woche: Die Ebola-Epidemie hat offenbar mehr Potenzial Menschen zum Handeln zu bewegen als noch eine Hungersnot. Weil die Krankheit sehr viel schneller und direkter auch uns in Europa betreffen kann? Immerhin gab es die großen Medienmeldungen über Ebola-Infizierte in Europa/Deutschland im Herbst schon - und genügend Aufregung über mögliche Ansteckungsrisiken auch. Ist die große Motivation sich zu engagieren oder zu spenden also auch ein Anzeichen für Angst vor der eigenen Betroffenheit?

Das Projekt selbst sieht erst einmal - na vor allem alt aus. Campino, Udo Lindenberg, Peter Maffay, Wolfgang Niedecken, Jan Josef Liefers – alles jetzt nicht die Jüngsten. Stars um die 50, die im Geschäft noch ordentlich mitmischen, aber weniger für besonders frischen und neuen Sound stehen. Alles schon ordentlich abgehangen. Auch die etwas Jüngeren wie Jan Delay, Die Fanta 4, Anna Loos, Gentleman oder Max Herre sind jetzt nicht unbedingt die Stars der Generation Y/Head down. Na gut, beim zweiten Hinschauen sind sie aber doch beteiligt die Youngsters: Milky Chance, CRO, Philipp Poisel, Marteria, Jennifer Rostock, Andreas Bourani – das sind gar nicht so wenige. Ziemlich gut zusammengetrommelt - da dürfte sich jetzt wirklich eine breite Masse angesprochen fühlen. Sofortiger Platz Nummer 1 in den Verkaufscharts bestätigt das.

Entsprechend der Zusammensetzung ist die deutsche Version dann auch eine eher rockorientierte Variante. Hier lässt sich sehr schön der Unterschied zwischen dem britischen und dem deutschen Business ablesen. Großbritannien insgesamt sehr jung, sehr frisch (es dürfen auch ein paar gestandene Veteranen mitmachen, aber nicht zu viele), dementsprechend auch sehr zeitgemäß eingespielt. Deutschland dagegen auf das vertrauend, was seit 30 Jahren schon anerkannt und bewährt ist, nicht zu viele Experimente, ein bisschen Sprechgesang ist ok, aber nicht zu viel, soll ja nicht verschrecken. Und so kommt dann eine doch eher seichte Rocknummer raus, so wie es Jan Delay, die Sportfreunde Stiller oder auch Jan Josef Liefers in den letzten Monaten bereits vorgelegt haben. Spannender wäre da gewesen, Jennifer Rostock oder auch den Broilers ein bisschen mehr musikalischen Einfluss zuzugestehen. Ist doch irgendwie schon bezeichnend, wenn als einer der wenigen beeindruckenden Momente der Part von Campino im Gedächtnis bleibt.

Tatsächlich bemerkenswert ist der Umgang mit dem Text. Die Kombination Campino/Marteria/Thees Uhlmann/Sebastian Wehlings hat eine schöne Mischung gefunden aus Zynismus und direkter Ansprache. Los geht es mit dem alljährlichen Weihnachtsrausch-Koma, der Menschen tatsächlich dazu treibt sinnlose Lichterherzen-Rekorde aufzustellen. Aber schnell wird der Blick von der Alltags-Selbstbezogenheit abgewandt. Und schafft wirklich einen differenzierten Blick auf das, was uns unter dem Begriff "Afrika" immer wieder in den Medien präsentiert wird. Das gelingt der ziemlich stark vertretenen Gruppe der deutschen Poeten und Lyriker auch eher selten.



Um so konträrer die von Patrice geäußerte Kritik: In der Vermarktung herrscht dann nämlich genau die Verkürzung wieder vor, die im Songtext selbst beklagt wird. Nichts von Vielfalt - nichts von Konzentration auf Westafrika, wo die Epidemie am stärksten wütet. Einzig und allein Afrika, der kranke, hungernde, arme Kontinent ...

Und schon sind wir mittendrin auch in der Diskussion was solche Charity-Songs überhaupt für einen Zweck haben. Geld sammeln? Stars promoten? Das schlechte Gewissen ein bisschen lindern? – Von allem ein bisschen was?

Es dürfte trotz aller Kritik nicht die letzte Aktion dieser Art gewesen sein.

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