Freitag, 3. Januar 2014

Helene Fischer: Atemlos durch die Nacht



2014 – da haben wir also ein neues Jahr und es würde sich lohnen zurück oder nach vorn zu schauen: Welche neuen Trends kommen da? Was ist an Altem noch aktuell?

In der Zeit zwischen den Jahren werden traditionell weniger neue Titel auf den Markt geworfen – Verschnaufpause im Geschäft. Gelegenheit, um beispielsweise endlich mal über Lorde zu schreiben. Oder sich doch mal intensiver mit Tom Odell zu beschäftigen. Selbst Kandidat Nummer 2 des Voice of Germany-Castings wäre ein schönes Opfer. Aber: Ich schaue – wie immer freitags – in die neue Ausgabe der media control-Charts, der Liste, welche die meistverkauften Songs versammelt, und erschauere bei Platz Nummer 10. Nun ist sie also auch im Single-Mainstream angekommen und das deutsche Publikum liegt ihr tatsächlich zu Füßen: Helene Fischer.

Seit Jahren schon war die Euphorie um sie in der vom öffentlich-rechtlichen enorm geförderten Schlager- und Volksmusik-Branche verdächtig bis unheimlich. Und die sabbernd-debile Begeisterung der vornehmlich männlichen Fans für Helene Fischer nervte ebenfalls schnell bis zur Unerträglichkeit. Dann begannen, durch die TV-Dauerbeschallung angekurbelt, tatsächlich auch die Albumverkäufe zu steigen. Helene Fischer ging es somit wie einer Reihe von Schlager-Stars: gute bis sehr gute Albumumsätze, aber in der Liste der Tageshits tauchte sie so gut wie nie auf. Verkauft wurde nicht der einzelne unverkennbare Song, sondern eher ein Rundum-Gefühlswelt, die in verschiedenen Titeln munter variiert wurde. - Auch ein Zeichen für die verschiedenen Konsumgewohnheiten von jungen und alten Musikkonsumierenden. Die Jungen suchen nach dem wiedererkennbaren Hit, dem euphorischen Kick des Einzelsongs. Die Älteren lassen es lieber im Hintergrund dahinplätschern und egal wann man etwas genauer hinhört ist es doch die gewünschte Geschichte, die gerade geliefert wird.

Und nun steht also die Single Atemlos durch die Nacht tatsächlich in den Top 10 der deutschen Charts. Helene Fischer produziert also einen Hit, einen Gassenhauer, einen Ohrwurm, der in der Breite der Bevölkerung nicht nur bekannt sondern offenbar auch beliebt ist. Das passiert mit Schlager ja alle Jahre mal wieder. Meist ist das verbunden mit einer sehr deutlichen Verbindung zum Blödel-Hit oder Karnevals-Party. Bei Atemlos durch die Nacht ist das zunächst mal nicht so – und das ist das eigentlich Erschreckende am Erfolg des Titels.

Helene Fischer erzählt die Geschichte einer durchfeierten Nacht. Emotionsgeschwängert und verliebt. Als 30-Jährige mag sie tatsächlich gern solche Nächte erleben. Aber schon mit dem Plural "Nächte" wird es schwierig. Denn bei Helene Fischer geht es um DIE EINE Nacht. Zwei haben sich gefunden und feiern ihre Liebe. Und das, was sie feiern ist besonders, einmalig, auf jeden Fall aber unwiederbringlich. Party ist also angesagt.

Das was uns Helene Fischer aber als Partynacht verkauft, fühlt sich ein wenig an wie Wiener Flair – also die Stadt, die Gesellschaft, die zu Bällen mit Kleiderordnung einlädt, dort auch mal einen zeitgemäßeren Dancefloor eingerichtet, aber nicht zu ganz wilder Party auffordert, es sollte immer doch noch die Fassung bewahrt werden, denn da herrscht auch eine Menge Sozialkontrolle.

Dieses Gefühl hängt Atemlos durch die Nacht dann doch an. Da sind zwei zwar unglaublich verliebt, aber so richtig wild können sie sich doch nicht gehen lassen. Von Lust und Tabulosigkeit ist zwar die Rede, aber am Ende sind es doch vor allem die bieder durchchoreographierten Jungs des Fernsehballetts, welche die Party begleiten. Das erinnert nicht nur an den Kessel Buntes wie er 1978 schon lief (und auch damals schon nicht wirklich innovativ war), das wiederholt alles das im Jahr 2013 (und 14) ohne jegliche Veränderung.

Das ist also der Konsens in der deutschen Bevölkerung ab ... sagen wir einem Alter von ungefähr 35 Jahren: Nur nichts ausprobieren, nur nicht zu viel verändern, bloß keine Entwicklung. Wir halten lieber fest was wir haben: Unser Häuschen vor der Stadt, unsere Wohnungseinrichtung und die mindestens zwei Autos, unseren Vorgarten. Alles, was daran rüttelt, scheint uns gefährlich und wird abgewehrt. Und weil wir so viel Angst vor Veränderung haben, lassen wir auch den Exzess nur sehr kontrolliert zu. Party durch die Nacht – aber bitte nur zu zweit. Und auch nur als Ausnahme oder Höhepunkt der einen Liebe. (Dazu passen solche Meldungen, dass die Anzahl der Scheidungen in einigen Bundesländern 2013 weiterhin rückläufig ist.)

Die Ungewissheit und Spannung des Unvorhersehbaren, wie sie zum Beispiel im Video zu One Day / Reckoning Song hervorragend eingefangen ist, die vermisse ich in der Welt von Helene Fischer total. Bei ihr steht am Ende immer die Sehnsucht nach dem Einfamilienhaus mit Kleinfamilie – lebenslang. Andere Varianten und Lebenswege, überhaupt Veränderungen sind nicht vorgesehen und wahrscheinlich nicht mal denkbar. Ich nenne das Biederkeit.

So sehr ich diese Sehnsucht nach Sicherheit und geordneten Verhältnissen theoretisch erklären kann, so sehr freue ich mich, dass es (noch) genügend junge Menschen gibt, denen dieser Wunsch völlig fremd ist und die sich vor allem nach einem eigenen, nicht vorgezeichneten Leben sehnen. Die werden CDs von Helene Fischer vermutlich auch eher unbeachtet im Regal stehen lassen.



11 Kommentare:

  1. sagt eine(r) der/die unbedingt anonym bleiben will ;-)

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    1. Das ist aber so!!

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    2. Eher ist es so:
      Das ist nur die Meinung einer Person, die sich nicht traut öffentlich zu dieser Meinung zu stehen.
      Warum wohl?

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  2. Weil man seine Identität nicht jedem verraten muss...!

    P.S.: Wenn der Name der Person, die diesen Kommentar geschrieben hat, so wichtig ist, dann sage ich nur: "PP! (=Persönliches Pech!)" oder "PPO! (=Persönliches Pech, Opfer!)"!!!

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    1. Ach weißt du, mir ist doch völlig egal, wer du bist. Wenn dein Kommentar nur eine Winzigkeit von Auseinandersetzung oder Sachlichkeit gehabt hätte, wär mir gar nicht eingefallen über deine Identität zu schreiben. "Mist" oder "Das ist aber so!" schreibe ich dir anonym unter jeden Artikel den du willst. Da brauch ich nicht mal lesen was drin steht.
      Also bleib ruhig in deiner verdunkelten Ecke und schrei' rum. Die Menschen erkennen ganz von allein, wer der Troll ist und sich wie ein Opfer aufführt.

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  3. Dann hätte ich mal gerne meinen Namen gewusst, wenn die Leute das ja erkennen...?!?!?!

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    1. Kein Problem: Ulf. Steht hier deutlich im Impressum. ;-)

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  4. Antworten
    1. Süß - ein Kommentar, während die Helene-Fischer-Show läuft. Was das wohl zu bedeuten hat?

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  5. Das bedeutet, dass ich "Multitaskingfähig" bin...!

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