Freitag, 9. Mai 2014

Andreas Bourani: Auf uns


Dies ist die neue Generation deutschsprachiger Popstars: Jung, feinfühlig, poetisch und ziemlich handgemacht.

Vor etwa drei Jahren setzte die Invasion ein: Tim Bendzko , Philipp Poisel, Mark Forster, MAXIM... Und einer davon war auch Andreas Bourani. Alles nur in meinem Kopf – damit stellte er sich vor und traf offenbar den Nerv der nicht mehr ganz so Jungen, die sich in dieser sehr komplexen Welt zurechtfinden müssen und das mit einer Leichtigkeit und Lebenslust hinzaubern, dass ich mich frage: Meinen die das wirklich ernst?

Nun ist Andreas Bourani wieder da, hat ein neues Album im Gepäck und eine neue Single am Start, die dann gleich mal einschlägt und Wochenbester im Verkauf wird. Auf uns ist eine Hymne an die Freundschaft, an die einmaligen Momente, an die Lebenslust. Auch hier ist es ungezügelter Optimismus und Lebenslust, die sich da Bahn brechen. Hier geht es mal gleich um's Ganze. Aufrichtigkeit und Glück für ein komplettes Leben und darüber hinaus. Sogar die Unendlichkeit wird heranbemüht.

Und um dieser Euphorie auch entsprechend Ausdruck zu verleihen, greift Andreas Bourani zum orchestralen Fulminant-Pop, der schon auch ein ordentliches Stück Pathos in sich trägt. Das ist eigentlich ein bisschen schade. Mit der reduzierten und zurückgenommeneren Variante vor drei Jahren hatte Andreas Bourani sich zwar in die Ohren und Herzen der Menschen gespielt, aber gleichzeitig dafür gesorgt, dass seine Lieder kleine, fast schon intime Geschichten oder Geheimnisse blieben. Musik, die ich ganz allein entdecken und genießen kann. – Auf uns ist ungefähr das genaue Gegenteil. U2- oder Coldplay-Stadion-Pop. Das ist ein Sound, der die Massen mitreißen will und zum Mitgrölen auffordert.

Wenigstens präsentiert Andreas Bourani in dieser Stadion-Euphorie eine ordentliche Portion Vielfalt. Dass, was uns die Bilder von Regisseur Kim Frank da vorführen, könnte gegensätzlicher und bunter nicht sein. Feuerwerksromantik steht neben Großstadtpartygefühl wird kombiniert mit Sommerurlaubsspaß wird ergänzt mit Hochzeitsspektakel, dass sich abwechselt mit WG-Party-Eindrücken und Kindheitserinnerungen ... Das Ganze rutscht auch ordentlich häufig ab in reichlich biedere, fast schon konservative Vorstellungen, aber es wird auch genauso oft gebrochen von gleichgeschlechtlichen Küssen oder Akteuren, die eben nicht den durchschnittlichen Schönheitsmaßen entsprechen. Insgesamt also ein ganz passendes Abbild heutiger Lebensformen und -welten.



Bei all dem kommt mir ein Begriff in den Kopf, der da "inszenierter Realismus" heißen könnte. Alles kommt so unglaublich lebensnah und echt daher, ich könnte fast sagen: Ja, so ist es. Und gleichzeitig versuchen weder Video noch Musik zu verbergen, dass es selbstverständlich Kunstprodukte sind: poetisch und inszeniert.

Vielleicht ist auch genau das wieder ein Spiegelbild von dem, was in der uns umgebenden Welt tatsächlich Realität ist. Da gibt es keinen einzigen Fleck mehr, der nicht durch Menschenhand überformt wäre. Vielleicht gibt diese neue Singer-Songwriter-Generation mit ihren Videomachern tatsächlich ganz gut das Lebensgefühl 2014 wider.





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