Freitag, 12. Juni 2020

Apache 207: Boot



Jetzt macht Apache also auf Unterwäschemodell. Auch nicht schlecht. Trauen sich auch andere Rapper - die meisten sind ja eher stolz auf ihren Körper. Auch wenn er nun nicht gerade Muckibudengestählt ist. Wampe oder Wohlstandsspeck sind durchaus angesagt. Oder zumindest kein Ausschlusskriterium. - Die positive Deutung: Lookism is mal richtig out. Niemand muss sich seines Körpers schämen.
Die schlechte: Anschauen will sich dann trotzdem nicht wirklich jemand. Oder etwa doch?
Warum also zeig ich in einem Videoclip mein Unförmigkeit? - Neue Form von Realismus? Oder weil meine Fans alle ähnlich aussehen? Und schwups etablieren wir einen neuen Standard.

Bei Apache is das mal ein bisschen anders. Der weiß schon ziemlich genau, das er gut aussieht. Und die Mädels und Jungs zumindest ein bisschen sabbernd zurück lässt.
Auch, wenn sein Strip dennoch zumindest eine Winzigkeit zusammenzucken lässt. Macht er das wirklich? Und warum?

Apache hat ziemlich genau raus, wie weit er gehen kann, um bei den Biedermännern als sozial anstößig durchzugehen und trotzdem ganz genau den Geschmack der sich abgrenzenden Kreise zu treffen. Seine Videos sind durchaus der Ersatz für eine coole Modezeitschrift. Man muss allerdings die Zeichen lesen können. Einfach so eine 90er-Jahre-Eurosport-Schnellfickerhose drüberstreifen is nich. Muss schon mindestens Adidas sein. (oder noch teurer?)

Ja - mit Selbstverständlichkeit Hässliches neu beleben und dadurch cool machen. Apache kann das sehr gekonnt. Da turnen sich seine Rap-Kollegen häufig ziemlich bemüht ein Bein ab - und schaffen es doch nicht. RIN in seiner Aufsteigerzeit mal explizit ausgenommen.



Nun ist Apache natürlich alles andere als Straßensound. Das ist Eliten-Pop. Ähnlich wie Pashanim. Deshalb verbietet es sich das eine mit dem anderen zu vergleichen. Auch wenn beide Sounds sich gerade regelmäßig an der Spitze der Charts ablösen und mit Sicherheit Schnittmengen unter den Konsumenten haben. Vielleicht ist es angebrachter, mal auf die übrige deutsche Popgeschichte zu schauen? - Und sofort fällt mir Haus am See von Peter Fox ein. Warum eigentlich? Ist es nur das Wasser, das offenbar dazu gehört, wenn wir von Sehnsuchtsorten träumen?

Zumindest schwelgt Apache auch ganz schön in (Kindheits-)Erinnerungen. Das alte Boot, das nicht mehr da ist. Auch wenn es ohnehin nicht genügt hat. Verlassen wegen zu kleiner Segel (Was für ein Bild). Und trotzdem immer noch wartend.
Der Apache ist eine treue Seele - das sagt er immer wieder. Und irgendwie nehm ich ihm das sogar ab. Finde es niedlich. Obwohl ich diese Jammerbackenhaltung sonst eher ziemlich langweilig finde. Da hat er mich also schon um den Finger gewickelt.

Hängt natürlich garantiert mit dem einlullenden Sound zusammen. Der auch nahe am Sentimentalschleim entlang schliddert. Chris Rea mit On the Beach wartet schon um die Ecke. Wie gesagt: derzeit schafft es Apache stilsicher, sich nicht in den totalen Kitsch-Strudel ziehen zu lassen. Auch wenn er ordentlich in Gefühligkeiten plündern geht. Das spricht für eine handfeste Bodenständigkeit.

Und damit bin ich wieder zurück beim Stil und Markenbewusstsein. Anders als ein Großteil der Popstars und Rapper hat Apache verstanden, dass Coolness und Style nicht nur etwas mit Geld und Protz zu tun haben. Ein Candlelight-Dinner kann eben auch auf der Wiese mit Holzbank richtig stylish sein. Es braucht nicht den Kronleuchter oder die Yacht. Es reicht der kleine Teich, das Ruderboot mit handgeschriebenem Namen und eine Wiese. Das was zählt, ist die Haltung. Die macht Dinge, Beziehungen, Menschen wertvoll. - So kann Apache noch ein bisschen weiter machen.

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